binoSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Februar 2024, Teil 4

Redaktion

London (Weltexpresso) -  Was hat Sie an dem Projekt gereizt?


Der erste Grund war das Drehbuch, es ist wunderbar geschrieben und hat mich sehr berührt. Der zweite war diese lebendige Figur, ein liebender Mann. Ich habe darin eine Liebeserklärung an das Leben und die Sinnesfreuden gesehen. Er ist auch ein Mann, den der gesunde Menschenverstand leitet, er lebt im Einklang mit den Jahreszeiten und der Natur und ist ein glücklicher Mann. Außerdem liebe ich das Kochen auch im wahren Leben. Ich koche gern für Menschen, die ich liebe. Ich versuche, Resonanzen zu finden, um mich den Dingen anzunähern. Ich liebe die gleichen Dinge, die Natur. Mir gefällt es, Gerichte mit den Händen zuzubereiten und mit Lebensmitteln umzugehen. Das alles erschien mir ganz natürlich.

Kannten Sie Trần Anh Hùng?

Ja, er ist ein Filmemacher, den ich kannte. Es war wichtig – und so etwas ist selten –, dass er mir die Geschichte selbst erzählt hat. Ich habe sie danach gelesen, aber erst hat er sie mir erzählt. Ich habe versucht, zu verstehen, was einen Regisseur dazu motiviert, sechs Jahre an der Produktion eines Films zu arbeiten. Er hat sechs Jahre damit verbracht, es war eine enorme Arbeit. Wenn man alles daransetzt, so einen Film zu verwirklichen, muss man den Willen und einen persönlichen Bezug dazu haben. Ich glaube, dass er diese Geschichte erzählt hat, um der Frau eine Liebeserklärung zu machen, mit der er sein Leben teilt und auch zusammenarbeitet. Ich denke, es gibt eine Beziehung zwischen den beiden Figuren im Film, die dieselbe Leidenschaft teilen, und diesem Regisseur und seiner Frau, deren Zusammenarbeit schön anzusehen war.

Ist Ihre Figur ein Künstler, der aus Rohstoffen etwas kreiert, so wie Sie als Künstler aus einem Text?

Ja, man spricht ja auch von Kochkunst. Natürlich sind Kreationen von diesem Niveau eine Kunst. Eugénie und Ihre Figur haben gemeinsam, dass sie großzügige Menschen sind. Sie geben viel von sich selbst, um andere glücklich zu machen. Es macht ihnen Freude und treibt sie an, sich gegenseitig zu überraschen. Sie lieben einander, teilen das Bett und ihre Leidenschaft fürs Kochen. Wenn sie sich nicht hätten, wären sie weniger kreativ und engagiert.

Ich habe mit Trần Anh Hùng über die partnerschaftliche Liebe gesprochen. Die beiden Figuren sind sehr vertraut und ergänzen einander. Sie haben eine echte Verbindung.

Im Film wird ein Satz von Augustinus zitiert, dass das Glück darin besteht, das zu begehren, was man bereits hat, und es zu erhalten. Es ist bekannt, dass man Leidenschaft und Liebe nähren und daran arbeiten muss. Man darf sich nicht auf seinen Errungenschaften ausruhen. Aber diese Freude daran, den anderen zu überraschen, ihn immer wieder zu erstaunen, motiviert sie auch. Darin steckt etwas von der Kindheit. Sie freuen sich daran, im Gemüsegarten herumzuspazieren. Als Kind liebt man so etwas auch, sie haben sich die Freude daran gemeinsam bewahrt. Es hat also etwas Kindliches, ihre Liebe hat etwas Spielerisches. Das ist sehr schön.

Ihre Figur ist auch sehr beherzt.

Ja. Er hat viel Energie. Wie gesagt, Dodin Bouffant ist ein glücklicher Mann. Er ist ein Mensch, der vollkommen in Harmonie mit seinem Leben ist. Er lebt mit den Jahreszeiten und mit seiner Zeit. Das verliert man heutzutage immer mehr. Sein Umfeld ermöglicht es ihm. Er würde sein Leben um nichts in der Welt eintauschen. Er lebt von Luft und Liebe und vom Kochen. Am Anfang des Films wacht er auf und badet. Er schnuppert und riecht, dass seine Frau ihm ein Omelett macht. Und er freut sich schon auf den Moment, in dem er in seiner Küche frühstückt, mit der Frau, die er liebt.

Sie haben gesagt, dass Sie gern kochen. Haben Sie die Handgriffe leicht gelernt?

Wir hatten einen Mitarbeiter von Pierre Gagnaire bei uns, der die Gerichte zubereitet hat. Er war da, um mir die Handgriffe zu zeigen, damit ich sie richtig mache. Aber mein Instinkt hat mich geleitet, ich musste nicht viel daran arbeiten. Es war trotz allem sehr natürlich. Aber es gab natürlich Dinge, die ich neu entdeckt habe. Es sind elaborierte, lange Rezepte. Es ist verrückt, zu sehen, was sie alles anstellen, um die Quintessenz der Aromen herauszuholen. Und es wird mit wunderbaren Worten beschrieben. Die Sprache in dem Film hat mich auch sehr berührt. Diese Art, die Dodin hat, um zu beschreiben, wie sich die Freude am Essen ausdrückt. Wie die Lebensmittel auf den Gaumen gelangen. Das alles erklärt er mit genau den richtigen Worten. Und er spricht auf poetische Weise vom Kochen. Es ist eine Suche nach Perfektion und gleichzeitig erfindet er die Dinge immer neu. Und er erfindet auch seine Liebe zu seiner Frau immer neu. Sie hat ebenfalls Angst vor dem Stillstand, beide sind sehr freiheitsliebend.

Seit DAS LIEBESDRAMA VON VENEDIG haben Sie nicht mit Juliette Binoche gedreht. Wie war das Wiedersehen?

Es war ganz natürlich. Man hat mich gefragt, wie es ist, mit Juliette Binoche zu arbeiten. Die Arbeit mit einer großartigen Schauspielerin ist viel einfacher. Das versteht sich, weil wir mit Eifer dabei sind. Sie ist da genauso wie ich. Wir haben uns wiedergetroffen. Die Arbeit mit jemandem, den man mag und gut kennt, ist viel einfacher. Wir brauchen keine Worte, um irgendetwas zu erklären oder um uns zu verstehen. Das ist ein großes Glück.

Wie war die Arbeit mit Trần Anh Hùng? Er filmt viele Plansequenzen. Wie wirkt sich das auf das Verhältnis zu ihm aus?

Er sucht immer nach der perfekten Geste. Es kommen aber auch Fehler vor, nicht immer läuft alles glatt. Es geht vor allem um die Bewegung. Er bekam den Preis für die beste Regie in Cannes, weil es ein Autorenfilm ist. Er filmt uns in den Plansequenzen bei der Arbeit und erzeugt Kontinuität. Es wäre schwierig zu drehen, wenn man ständig Schnitte setzen würde. Es gab eine sehr komplexe Choreografie. Ich liebe es, mit einem Team zu arbeiten, auch die Zusammenarbeit mit den Technikern. Der Regisseur hat seinen Blick und wir müssen versuchen, uns gegenseitig zu begleiten, um in allem eine Harmonie zu finden. Ich brauchte bei diesem Film Humor und gute Laune. Und ich musste auch meinen Kameramann unterstützen und ihm helfen, wenn es nötig war. Als Schauspieler hört man oft: „Kümmere dich nicht um die Techniker!“ Aber bei Plansequenzen von zehn bis fünfzehn Minuten kann man nicht einfach allein vor sich hinarbeiten. Man muss auf die anderen achten, die Kamerafahrten begleiten, sie manchmal verlangsamen, damit alles im Bild ist. Wenn man nur nach dem eigenen Rhythmus geht, kommt nichts Interessantes dabei heraus. Für mich sind Filme eine kollektive Kunst. Wir sind mit dem Regisseur und den Technikern im selben Raum und wir müssen alle unser Bestes geben.

Bei den vier Schauspielern, die Ihre Gäste spielen, spürt man auch ein unmittelbares Einvernehmen. Wie lief das ab?

Wir haben zusammen gegessen und getrunken, wir saßen alle um einen Tisch. Das erzeugt natürlich gute Laune und die Freude am Teilen. So haben wir auch zusammen gespielt. In einer Szene sollen wir Ortolane essen und man hat uns Wachteln zubereitet, denn Ortolane sind geschützt. Ich hatte eigentlich keine große Lust darauf, aber als wir sie dann gegessen haben ... Die Idee war, ungezwungen zu sein. Es war wichtig, das zu essen, was stundenlang zubereitet wurde. Es war gutes Essen, nichts war gefälscht. Wir mussten warten, bis die Gerichte fertig waren, um sie zu filmen. Sie mussten noch dampfen. Alles war also echt und für uns. Es war exquisit, zu schlemmen und dabei gefilmt zu werden. Ein gutes Glas Wein zu einem Vol-au-vent – es gibt wirklich Schlimmeres.

Was war Ihre Reaktion auf die Auswahl des Films für die Oscars®?

Ich habe an den Regisseur gedacht, der über sechs Jahre an dem Film gearbeitet hat. Für ihn muss es ein wunderbares Gefühl gewesen sein. Er hat vielleicht manchmal gedacht, dass der Film nie zustande käme. Und jetzt ist er doch Wirklichkeit geworden. Der Preis für die beste Regie war schon hervorragend und jetzt tritt er bei den Oscars® an. Ich freue mich für ihn, weil es eine Prüfung ist, einen Film zu machen. Es ist ein langer Kreuzweg. Man darf nie die Hoffnung verlieren und muss immer daran glauben. Warten wir also ab, ob es ein Happy End gibt.

Filmographie (Auswahl)

BENOÎT MAGIMEL

2023 GELIEBTE KÖCHIN
2021 IN LIEBE LASSEN
2004 DIE PURPURNEN FLÜSSE 2 – DIE ENGEL DER APOKALYPSE 2001 DIE KLAVIERSPIELERIN
1996 HASS


Foto:
©Verleih

Info:
REGIE & DREHBUCH 
Trần Anh Hùng

BESETZUNG
Eugénie / Juliette Binoche
Dodin / Benoît Magimel
Rabaz / Emmanuel Salinger Grimaud / Patrick D’assumçao

Abdruck aus dem Presseheft