jury24Internationale Filmfestspiele Berlin vom 15. bis 25. Februar 2024, BERLINALE, Wettbewerb Teil 1

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Dies ist die wichtigste Jury der Berlinale, denn sie verleiht die international sehr beachteten Preise: die Goldenen und Silbernen Bären. Das ist zum einen der Goldene Bär für den besten Film, dann der Silberne Bär als Großer Preis der Jury, und dann die Preise der einzelnen Gewerke: beste Regie, beste schauspielerische Leistung für eine Hauptrolle (völlig unsinnig wurde die Differenzierung in männliche und weibliche Rolle gestrichen), desselben für eine Nebenrolle, das beste Drehbuch und eine herausragende künstlerische Leistung

Die Berlinale stellt die Internationale Jury in ihrem Programmheft so vor:

LUPITA NYONG’O, Jurypräsidentin Jury President Schauspielerin, Regisseurin, Produzentin, Autorin Actor, Director, Producer, Writer | Kenia, Mexiko Kenya, Mexico Filmografie (Auswahl) Filmography (selection): 12 Years a Slave (2013), Star Wars: The Force Awakens Star Wars: Das Erwachen der Macht (2015), Us Wir (2019), Black Panther: Wakanda Forever (2022)


BRADY CORBET, Regisseur, Schauspieler Director, Actor USA | Filmografie (Auswahl) Filmography (selection): Mysterious Skin (2004), Funny Games (2007), The Childhood of a Leader (2015), Vox Lux (2018)


JASMINE TRINCA, Schauspielerin, Regisseurin Actor, Director | Italien Italy Filmografie (Auswahl) Filmography (selection): La stanza del figlio Das Zimmer meines Sohnes (2001), L’Apollonide (Souvenirs de la maison close) Haus der Sünde (2011), Miele (2013),


CHRISTIAN PETZOLD,
Regisseur Director Deutschland Germany Filmografie (Auswahl) Filmography (selection): Gespenster Ghosts (2005), Yella (2007), Barbara (2012), Transit (2018), Undine (2020), Roter Himmel Afire (2023)


ALBERT SERRA, Regisseur Director | Spanien Spain Filmografie (Auswahl) Filmography (selection): Història de la meva mort Geschichte meines Todes (2013), La mort de Louis XIV Der Tod von Louis XIV (2016), Pacifiction (2022)


ANN HUI, Regisseurin Director | Hongkong, China Hong Kong, China | Filmografie (Auswahl) Filmography (selection): Tau ban no hoi Boat People (1982), Xiatian De Xue Sommerschnee (1995), Qian yan wan yu Alltägliche Helden (1998), Tou ze Tao Jie – Ein einfaches Leben (2011)


OKSANA ZABUZHKO, Schriftstellerin Writer | Ukraine Bibliografie (Auswahl) Bibliography (selection): Poliovi doslidzhennia z ukraïnskoho seksu Feldstudien über ukrainischen Sex (1996), Muzei pokynutykh sekretiv Das Museum der vergessenen Geheimnisse (2009), Naidovsha podorozh Die längste Buchtour (2022) © Atsushi Nishijima

IMG 8800 1Brav sitzen sie nebeneinander, die Jurymitglieder in der oben angegebenen Reihenfolge, verraten aber, sie hätten schon lebhaft diskutiert. Und gleichzeitig merkt man, daß sie alle einen zivilen, ja freundschaftlichen Umgang miteinander haben. Selten fiel auf einer Berlinale-Pressekonferenz so oft der Begriff: Respekt. Und das hat damit zu tun, daß neben der ausgewiesenen Regisseurin Ann Hui und ihren Kollegen Christian Petzold und Albert Serra auch weitere Jury-Mitglieder, die bisher durch schauspielerische Leistungen auffielen, ebenfalls Filme machen.

Das gilt für Brady Corbet aus den USA, der als erster vom politischen Festival Berlinale sprach, was immer wieder aufgegriffen wurde, nicht das Festival ist politisch, sondern die Filme und politisch wird die Berlinale dann höchstens bei der Auswahl der Filme mit den Bärenpreisen. Und das gilt auch für die Italienerin Jasmine Trinca, die sich beide entsprechend äußerten. Ihr sei wichtig, hier mit den Augen der anderen Filme anzuschauen, denn hier hört sie die Meinung ihrer Jurymitglieder zu den einzelnen Filmen. Das sei eine Möglichkeit, Grenzen abzubauen und human zu bleiben. Ja, sie war schon in Cannes und Venedig dabei, aber Berlin sei ein politisches Filmfestival.

Daß bei der Vorstellung durch die Moderatorin Christian Petzold der kräftigste Beifall aufbrandete, ist verständliche, ist er doch nicht nur Berliner, sondern auch Berlinaler! Im letzten Jahr wurde ROTER HIMMEL zu Unrecht nicht der Hauptsieger, bekam aber einen Spezialbären, seine Schauspielerinnen, erst Nina Hoss, dann Paula Beer, jeweils die Silbernen Bären. Petzold ist nicht nur für die Qualität seiner Filme bekannt, sondern auch dafür, daß er offene Worte spricht. Das waren an diesem Tag auch welche zur AfD, wobei wir jes etzt  nicht ganz richtig finden, darüber zu schreiben, denn er und andere haben recht, wenn sie sagen, daß durch Ausschluß von AfD-Mitgliedern bei der Eröffnung oder bei Filmen, man diese nur in ihrem Märtyrerdasein bestärkt, weil die Presse nur noch darüber schreibt. Belassen wir es dabei, denn er hat recht, diese fünf Hanseln – das war dann der Sprachgebrauch bei der Pressekonferenz – schaden niemandem und einige hofften sogar laut, daßsolche Rechtsradikalen beim Anschauen der Filme ihrer bisherigen politischen Linie abschwören.

Im Mittelpunkt, auch der Fragerunde, stand LUPITA NYONG’O , die auch eher unbedarfte Fragen freundlich beantwortete. Ihr sei es eine große Ehre, hier Jurypräsidentin zu sein, die sie ja erstmals überhaupt auf einer Berlinale sei. Sie fühle sich geehrt und sei dankbar, so viele tolle Filme aus der ganzen Welt zu sehen, wobei sie besonders glücklich darüber sei, daß auch Filme aus Afrika dabei sind. Ihre Jurymitglieder seien in diesem Geschafft sehr viel erfahrener als sie selber und deshalb freue sie sich auf den Austausch.“Ich bin happy, daß Afrika vorkommt. Ich freue mich darauf und will immer mehr. Ich bin unersättlich!“

Der spanische Regisseur Alber Serra konnte da fortsetzen und war dann der, der von interessierter Seite als Putinanhänger vorgeführt werden sollte. Das ging – alles in allem – nach hinten los. Er habe, wurde er gefragt, doch gesagt, daß er Putin bewundere und selbst gerne Spion geworden wäre (Putin war in der DDR für den Sowjetgeheimdienst zuständig), worauf Serra antwortete, er habe sich auch einmal öffentlich gewünscht, Papst zu werden und die Lacher auf seiner Seite hatte. Kein Wort nahm er zurück, ließ sich nicht vorführen, sondern antwortete klar, daß diese politische Frage hier nicht ausdiskutiert werden könne. Er wende sich grundsätzlich dagegen, daß die Welt eingeteilt wird in: hier sind die Guten, hier sind die Schlechten.

Ann Hui wurde auch besonders freudig begrüßt. Sie ist auch eine Berlinalerin und sprich davon, wie ihr der Schnee und die Kälte von 1996 noch in Erinnerung seien, aber auch die Berlinale von 2002 riefen in ihr warme Erinnerungen wach. Sie ist froh, daß in der Jury unterschiedliche politische Meinungen vorherrschen, wobei es für sie, was Putin angehe, ein vorher und nachher gebe. Der russische Überfall auf die Ukraine habe alles verändert. Dazu äußerte sich auch noch einmal Brady Corbet, der nicht nur Albert Serra interpretierte, indem er sagte, man müsse bei seinen Worten auch deren Hintersinn erspüren, das Nuancierte, das Augenzwinkern und dafür viel Beifall erhielt.

Die Letzte in der Juryreihe ist Oksana Zabuzhko, die direkt aus der Ukraine kam und sagte, daß man dort in der Kriegssituation sowieso alles anders beurteile. Was ihren Kollegen Serra angehe, habe sie gute Nachrichten gegenüber der Fragerin, er werde anderen Sinnes, wenn er erst ihr Buch gelesen hätte, daß sie ihm beim Abendessen am Abend zuvor überreicht hätte. Auf Italienisch, fügte sie hinzu, wobei das Podium und das Publikum schweigend darüber hinweggingen, daß Serra ja Spanier ist. Das sind so Bonmots, die nach hinten losgehen.

Als dann auch noch von Gaza die Rede war, meinte die Jury, man wolle sich jetzt auf die Filme des Wettbewerbs konzentrieren.

Auf die Frage an die ausländischen Jurymitglieder, welchen Stellenwert die Berlinale in ihren Ländern, in deren Öffentlichkeit habe, antwortete nur Brady Corbet, der für die USA von einem hohen Bekanntheitsgrad sprach und einer ausgesprochenen Wertschätzung als politisches Filmfestival.  Als Jasmine Trinca n der Reihe war, ging sie auf andere, zuvor diskutierte Fragen ein. Da die Moderatorin nicht auf die Beantwortung der doch interessanten Frage drängte, sondern den nächsten Fragesteller drannahm, unterblieben die Antworten für die anderen Länder, aus denen die Jurymitglieder stammen. Schade. 

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