TV-Tipp für Sonntag, 18. Februar 2024 als Erstausstrahlung bei Arte
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Der etwas abgehalfterte Clown George Footit (James Thiérrée) versucht im Wanderzirkus von Monsieur Théodore Delvaux (Frederic Pierrot) unterzukommen. Der lehnt ihn allerdings ab, da dem Clown nichts Neues mehr einfällt.
Im Zirkus sieht Footit allerdings die Show des ehemaligen schwarzen Sklaven Raphael Padilla (Omar Sy), der als schreckliches fremdländisches Urwaldwesen Katanga die Ängste der einheimischen Bevölkerung hervorruft. Footit hat die Idee, mit Padilla zusammen eine Clownsnummer aufzubauen. Er überzeugt den Zirkuschef sie als weiß-schwarzes Clowns-Duo auftreten zu lassen. Die Show, in der Padilla den Namen "Chocolat" erhält, ist etwas bisher nicht da gewesenes. Footit und Chocolat bedienten als Erste die Figur des dummen August, der immer wieder Opfer von Streichen wird. Dass Padilla ein Schwarzer ist, zeigt dem Publikum zusätzlich dessen Unterlegenheit.
Eine der Vorführungen wird von Joseph Oller (Olivier Gourmet) vom Nouveau Cirque aus Paris gesehen. Sie werden daraufhin engagiert und entwickeln sich dort zum Publikumsmagneten. Während Footit im wahren Leben zurückhaltend ist und sparsam lebt, gibt Chocolat seine Gage mit vollen Händen für teure Kleidung, Schmuck und Frauen aus. Daneben kann er - wie schon im Zirkus Delvaux - seine Finger nicht vom Glücksspiel lassen.
Da Chocolat aber weiterhin Erfolg hat, merkt er lange nicht, dass er hauptsächlich als Clown, über den gelacht wird, und nicht als Mensch anerkannt wird. Erst der haitianische Intellektuelle Victor (Alex Descas) zeigt ihm, welche Stellung er in der französischen Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts einnimmt.
Danach fängt Chocolat an, seine Rolle zu hinterfragen, wodurch Footit ihren Erfolg bedroht sieht. Padilla lernt die Witwe Marie Hecquet (Clotilde Hesme) kennen, die ihn bestärkt, sich seinen Traum vom ernsthaften Schauspieler in einem Shakespeare-Stück zu erfüllen. Er sieht eigentlich nur ein Stück, in dem er als Schwarzer spielen könnte - Othello. Es ist die bittere Ironie seiner Stellung, dass er bei dem Versuch scheitert, als ernsthafter Schauspieler anerkannt zu werden. Raphael Padilla stirbt verarmt 1917…
Regisseur Roschdy Zem hat sich für seinen Film "Monsieur Chocolat" die Biographien der Clowns Raphael "Chocolat" Padilla, (geboren 1868 auf Cuba, gestorben 1917 in Bordeaux) und George Tudor Hall, genannt ″Footit″, der 1864 in Manchester geboren wurde und 1921 in Paris gestorben ist, zum Vorbild genommen. Das Drehbuch zum Drama stammt von Cyril Gely, Olivier Gorce, Gérard Noiriel und dem Regisseur.
Chocolat war zu seiner Zeit schon eine Berühmtheit in Paris. Er wurde z.B. von Henri De Toulouse-Lautrec (1896 in "Chocolat tanzt in der Bar Darchille") und Edmond Heuzé (Aquarell von 1895) gemalt, von Colette in ihrem Roman "Gigi" (1944) erwähnt oder wurde zusammen mit Footit in rassistischen Werbeplakate (z.B. Hèrve Seife) abgebildet.
Im Film geht es aber mit Chocolats Karriere bergab, als er merkt, welche Rolle er spielt und versucht, nicht nur in den Hintern getreten zu bekommen, sondern auch selbst zurückzutreten.
Als Chocolat konnte der Regisseur Omar Sy gewinnen, der die Rolle mit allen ihren Facetten wunderbar ausfüllt. Er ist der Wilde und der dumme August im Zirkus, der Spieler und Frauenheld, der verfolgte ehemalige Sklave, aber auch der Mann, der versucht, als erster Schwarzer Othello auf die Bühne zu bringen. Dabei scheitert er nicht an seinen schauspielerischen Leistungen, sondern am Vorurteil des Publikums.
Die Rolle des englischen Clowns Footit übernahm der Schweizer Schauspieler und Zirkusartist James Thiérrée, ein Enkel Charlie Chaplins. Er spielt seine Rolle sehr zurückhaltend, beinahe depressiv, als jemand, der nur auf der Bühne aus sich heraus gehen kann und vor allem daran Interesse hat, neue Szenen und Gags zu entwickeln. Dabei merkt er deutlich, dass das Publikum seinen Partner mehr liebt als ihn.
Wenn man aber die Zirkusnummern von Footit und Chocolat Revue passieren lässt, erkennt man als Zuschauer, dass heute eigentlich keine der Szenen mehr zündet. Der im Film vorgeführte Rassismus porträtiert das Publikum der Belle Epoque und wirkt heute nur noch peinlich und fehl am Platz. Dies ist ein ausgesprochen positives Ergebnis dieses Films.
Das Drama gewann beim César 2017 – dem französischen Äquivalent zum amerikanischen Oscar - jeweils einen Preis in den Kategorien Bester Nebendarsteller (James Thiérrée) und Bestes Szenenbild (Jérémie Duchier). Er war zudem in den Kategorien Bester Hauptdarsteller (Omar Sy), Beste Filmmusik (Gabriel Yared) und Bester Ton (Brigitte Taillandier, Vincent Guillon, Stéphane Thibault) nominiert.
Insgesamt ist "Monsieur Chocolat" ein Film über den ersten schwarzen Clown und die Entstehung des "dummen August", der auch im Fernsehen unbedingt sehenswert ist, nicht nur durch das Thema Rassismus, sondern auch durch die herausragenden schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller.
Foto 1: George Footit (James Thiérrée, li.) und Rafael Padilla (Omar Sy, re.) treten als beliebtes Clownsduo unter dem Namen ″Footit und Chocolat″ auf © Arte / Julian Torres / 2015 Mandarin Cinema / Gaumont
Foto 2: Als George Footit (James Thiérrée), ein alternder Clown, auf Rafael Padilla (Omar Sy) aus Kuba trifft, entsteht ein ungewöhnliches Clownsduo © Arte / Julian Torres / 2015 Mandarin Cinema / Gaumont
Info:
Monsieur Chocolat (Frankreich 2016)
Originaltitel: Chocolat
Genre: Drama, Biopic, Rassismus
Filmlänge: ca. 115 Minuten
Regie: Roschdy Zem
Drehbuch: Cyril Gely, Olivier Gorce, Gérard Noiriel, Roschdy Zem
Darsteller: Omar Sy, James Thiérrée, Noémie Lvovsky, Frédéric Pierrot, Clotilde Hesme, Olivier Gourmet, Alice de Lencquesaing, Denis Podalydès, Bruno Podalydès u.a.
FSK: ab 12 Jahren
″Monsieur Chocolat″ wird am So. 18.02.2024 um 20:15 Uhr als Erstausstrahlung bei Arte gezeigt. Der Film wird am Do. 22.02.2024 um 14:15 Uhr, am So. 03.03.2024 um 13:00 Uhr und am Fr. 08.03.2024 um 01:15 Uhr wiederholt.