IMG 2679Im Wettbewerb – Berlinale-Tagebuch (2)

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) – Die Zeit rast auf der Berlinale, die Halbzeit ist bereits vorbei. Drei Wettbewerbsbeiträge täglich anzusehen, mehr schaffe ich nicht.

Da hat doch tatsächlich ein Kollege auf der Jury-Pressekonferenz Christian Petzold gefragt, wie er das hinkriegt, so viele Filme zu gucken… Dazu kommen Stapel kostenloser Zeitungen, die man kaum lesen kann und ständig Pressekonferenzen. Alle besuche ich nicht, aber sie sind wieder lehrreicher und strukturierter geworden – und sollen in der Muttersprache der Teams geführt werden. Also nicht ständig dieses Chatrian-Englisch, das der scheidende Leiter der Berlinale aufgezwungen hat. Die Moderatoren scheinen angehalten worden zu sein, gründlicher in die Konferenzen einzuführen und selber nachzufragen.

Nun also zum Wettbewerb.
Klar, die Bandbreite ist wie immer in vielerlei Hinsicht riesig. Thematisch reicht sie vom wunderbaren Liebesfilm eines alten persischen Paares („My Favorite Cake“) über Science-Fiction, mit der Möglichkeit, die Erinnerungen eines sterbenden Menschen einem anderen einzupflanzen („Another End“). Oder über die Hommage von Andreas Dresen an die Widerstandskämpferin Hilde Coppi („In Liebe, Eure Hilde“) bis zum horrorartigen Film („A Different Man“), in der ein Mann sein scheußliches Gesicht wegmachen lässt: Eine Parabel zum Sich-selbst-annehmen.

Formal ist sicher „La Cocina“ der innovativste Film, eigenartig in SW gedreht, zeigt er das Leben südamerikanischer Migranten im „Grill“ am Times Square. Oder die Rückreise einer Königsskulptur von Frankreich in ihre einstige Heimat aus deren Perspektive: "Ich habe Angst nicht erkannt zu werden, und Angst, nicht zu erkennen" („Dahomey“). 

Und dann gibt es natürlich die Langeweiler aus Frankreich („Hors Du Temps“) oder, wie immer auf der Berlinale, aus Süd-Korea („A Traveler’s Needs“). Diesen Streifen kann auch die hinreißende Isabelle Hupert (ja, die Hupert in einem südkoreanischen Film) nicht retten.

Wohl am eindringlichsten war gestern das dreistündige, hochkarätig besetzte Opus „Sterben“ von Matthias Glasner. Alle Wettbewerbsfilme werden hier im Weltexpresso ausführlich besprochen. 

Foto
Pressekonferenz zu "Sterben" 
© Hanswerner Kruse