Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Ach hätte ich doch den Schluß gleich am Anfang gesehen, ich hätte den ganzen Film mit tieferer Anteilnahme verfolgt, der mir phantastisch und skurril vorkam, interessant in dem Mischmasch von Comic, Landschafts- und Tieraufnahmen und den interessanten Stimmen aus dem Hintergrund.
So beginnt eine seltsam hohle Stimme von sich zu erzählen, es sei ein Nilpferd. Aber irgendwas stimmt mit der Stimme, stimmt mit dem Tier nicht, denkt man noch, denn sie widerspricht sich immer wieder, diese Stimme. Sie weiß nicht, wo sich der Träger der Stimme befindet. Aber eines weiß die Stimme des Tieres genau. Es ist tot. Wie das? Wo doch die Stimme des Tieres das dokumentiert? „Mache ich den Laut, der da aus meinem Maul kommt? Was ist überhaupt ein Maul?“, fragt das Nilpferd nach.
Ein Nilpferd, ein Nilpferd in Lateinamerika? Überhaupt das einzige Nilpferd, das auf dem amerikanischen Kontinent getötet wurde. Das hat einen wahren Hintergrund. Das tote Nilpferd ist Zeitgeschichte. Daß es von der Öffentlichkeit Pepe getauft wurde, heißt, daß die Bevölkerung an seinem Schicksal Anteil nahm. Und die ganze Geschichte beginnt in Kolumbien mit dem Schreckensdrogenboß Pablo Escobar. Dieser Verbrecher, der überall Terror und Tod verbreitete, hatte sich auf seinem Anwesen in Kolumbien vier Nilpferde einfliegen lassen. Nun sind Nilpferde, auch Flußpferd und Hippopotamus genannt, keine Kleintiere, sondern gehören zu den schwersten, den gewichtigsten Tieren überhaupt. Sie bewegen sich im Wasser im Millimetertempo, können aber auch ganz schnell laufen, sehen gefährlich aus, wenn sie das riesige Maul aufreißen, doch die Mär stimmt nicht, daß sie nicht gefährlich, nur Grünfresser seien und Menschen nicht angreifen. Sie sind extrem empfindlich, wenn jemand in ihren Bereich des Wassers eindringt und bekämpfen dann jeden. Da sie groß – bis 5 Meter – und schwer – bis 1800 kg - sind , erledigen sie allein mit ihrem Körper jeden Feind, auch den Menschen.
Die Nilpferde des schrecklichen Escobar erlangten bei seinem Ergreifen durch Polizei und Staat gewissermaßen die Freiheit, denn Escobars Anwesen wurde sich selbst überlassen. Die Nilpferde suchten das Weite und fanden gute Wasserstellen, wo sie sich zudem vermehrten. Pepe allerdings ist kein im Land erzeugter und geborener Nachkomme, sondern weiß noch von seinem Herkommen aus der Alten Welt.
Das erzählt uns diese merkwürdige Stimme, die zudem in ungewöhnlichen Sprachen spricht, die auf Deutsch und Englisch in den Untertiteln übersetzt sind. Es ist Afrikaans, Mbukushu und auch Spanisch, wie man deutlich hört. Die Länder, die Pepe kennengelernt hat. Aber er erzählt seine Geschichte fast abgeklärt, zwar mit Trauer, aber ohne Anklage. Er gibt Zeugnis, vielleicht wäre das der richtige Ausdruck für die seltsame Gemütslage, in der wir Pepe, der ja tot ist, antreffen.
Und als am Schluß Pepe gejagt und erlegt wird, finden wir ihn wieder in einem Comic, wo das arme Tier auf tiefgrüner Wiese in seinem Blut liegt. Ganz offiziell gab es eine Abschußgenehmigung und wir sehen den Mörder das Gewehr anlegen. Denn eines wird in diesem Film klar, das Abschießen des armen Pepe war eine inhumane, also gegen die Tierwürde gerichtete Tat, die nicht nötig war, aber durchgeführt wurde. Ach so, das Ganze ist auch noch sophisticated? Pepe erzählt ja nach dem Tod von seinem Tod und von seinem Leben. Traurig ist das fürwahr. Und unnötig auch. Es gibt Schlimmeres? Natürlich. Aber das ist ja keine Rechtfertigung. Und außerdem sollte man Nilpferde nicht verpflanzen, sondern in ihrer angestammten Region leben lassen.
Foto:
©Berlinale
Info:
von Nelson Carlos De Los Santos Arias | mit Jhon Narváez, Sor María Ríos, Fareed Matjila, Harmony Ahalwa, Jorge Puntillón GarcíaDominikanische Republik / Namibia / Deutschland / Frankreich 2024Spanisch, Afrikaans, Mbukushu, Deutsch, Untertitel: Englisch, Deutsch122'WeltpremiereTrailer/Filmausschnitt
Stab
Regie. Nelson Carlos De Los Santos Arias
Buch. Nelson Carlos De Los Santos Arias
Besetzung
Jhon Narváez (Pepe)
Sor María Ríos (Betania)
Fareed Matjila (Pepe)
Harmony Ahalwa (Pepe)
Jorge Puntillón García (Candelario)
Shifafure Faustinus (Pepe)
Steven Alexander (Cocorico)
Nicolás Marín Caly (Ánge