caraAb 29. Februar als DVD bei Panorama Entertainment

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Kein Wunder, daß sich Filmemacher des extrovertierten, so hochbegabten wie gesellschaftlich unangepaßten Malers, des Malers des Barock, der ja ebenfalls ein extrovertierter Malstil ist, gerne annahmen. Seit jeher geistert sein Leben durch die Rezeption seines Werkes. Michele Placido bringt eine gekonnte Mischung von beidem auf die Leinwand, bzw. jetzt den Bildschirm, wo als Stilmittel die Explosivität und Farben der Gemälde Caravaggios im Film wiederauftauchen .

Was Kreativität ist, warum sie bei dem einen zum Maler taugt, bei einem anderen zum Komponisten, interessiert hier nicht, sondern eher, was ganz konkret in Italien im ersten Teil des 17. Jahrhunderts los war, als Michelangelo Merisi (Riccardo Scarmarcio) aus Caravaggio, was dann zu seinem Malernamen wurde, nach Rom gezogen zu einem umstrittenen, gleichwohl künstlerisch hochangesehen Maler wurde, der eine neue Malweise, den Frühbarock mitbegründete. Der Film zeigt die beiden Pole des Skandalösen deutlich: das Persönliche und seine Figurengestaltung in seinen Werken. Da wir Caravaggio in einem Spielfilm begegnen und nicht im Dokumentarfilm, gehen die kunsthistorischen Forschungen, die längst die angesagte Skandalisierung in den Bereich der normalen Gewalt der Zeit einordnen, nicht in den Film ein. Und doch, der Zuschauer, die Zuschauerin wird unwillkürlich Partei für Caravaggio und gegen seinen Schatten (Louis Garrel) ergreifen, wie es der Film vormacht. Der Schatten ist der erfolgreichste Geheimagent des Papstes Paul V (Maurizio Donadoni), er wird Caravaggio und uns zeigen, was eine Harke ist, mit welchen Mitteln die Schurken der Macht diese Macht sichern, ob im kirchlichen Rom, dem weltlichen Iran oder dem schurkischen Rußland, etc.

Äußerer Anlaß der Verfolgung durch die Obrigkeit ist ein Todesfall, weshalb Caravaggio des Mordes bezichtigt wird, was der Schatten aufklären soll und dies mit den fiesesten, gewalttätigsten Mitteln auch versucht. Aber tieferer Anlaß ist die bodenlose Frechheit des Malers in den hochreligiösen Gemälden, die die Barockaltäre der Kirchen und Kathedralen schmücken, seine Geliebten, weitere Prostituierte, Kriminelle und Verwahrloste als Modelle verewigt zu haben. Und das können wir selbst auf der Leinwand verifizieren.

Der Schatten macht sich auf den Weg und allein seine Erscheinung im tiefschwarzen Rock mit weißem Kragen, sein böses Gesicht mit durchdringendem Blick, sein herrschaftliches Auftreten erzeugen Angst und Schrecken unter denen, die er befragt: die Modelle, die Kollegen, die Käufer und Mäzene. Eigentlich ist es die Familie Colonna, die ihn lange schützt und finanziert, im Film macht es sich besser, daß seine Mäzene durch die Marquise Costanza Colonna (Isabelle Huppert), verkörpert wird, die er nicht nur mit Gemälden beglückt, sondern auch im Bett, was der Film zeigt, aber nicht übertrieben ausschmückt. Das hat er auch nicht nötig, weil zum Barocken auch die Extreme gehören, hier das Gleichgewicht im Film zwischen brutalen körperlichen Attacken und Zusammenschlagen durch die der Obrigkeit und den Liebesszenen des Caravaggio, von denen seine Gespielin, die unbekümmerte Prostituierte Lena (Micaela Ramazzotti) die wichtigste bleibt und die ist, die sich stolz in den Marien auf den Altarbildern wiedererkennt – andere sie auch. Sie endet im Tiber. Mehr Phantasie als Wirklichkeit ist die, hier aber sinnvoll eingesetzte Liebesbeziehung zwischen seiner Gönnerin Colonna und ihm, dem Genie.

Und im Zeigen der Werke, die auf der Kinoleinwand ja viel näher zu sehen sind als mit Abstand in Kirchen und selbst als in Museen, liegt für uns auch der Wert dieser Verfilmung. Es ist der Kameramann Michele D’Attanasio, der eine düstere Grundtönung erreicht, die denen des Caravaggio ähnelt. Und Ähneln tut auch die Filmbesetzung Riccardo Scamarcio dem echten Caravaggio, so wie wir ihn in einigen seiner Gemälde als Selbstbildnisse mit Recht vermuten. Leidenschaft ist Caravaggios Grundeigenschaft, das zeigt sich im Guten und Bösen, den Frauen gegenüber gibt er sich anbetend und fordernd gleichermaßen, seinen Gegnern körperlich bedrohlich, der Welt gegenüber aufgeschlossen.

Im Film geht es zeitlich immer wieder mit Rückblenden etwas durcheinander, was unwichtig ist, wird doch sein Ende mit nur 38 Jahren, was bisher mit Krankheit begründet wurde, hier einer anderen Lesart folgen. Was bleibt ist hoffentlich Lust, sich die wenigen Werke Caravaggios in Deutschland und die vielen in Italien in den Museen anzuschauen. Ach ja, Bildbände gibt es auch. Das ist schon eine gewaltige Malerei.

Foto:
Umschlagabbildung

Info:
1 Std. 59 Min. 
Biopic, Historie
Originaltitel: L'Ombra di Caravaggio

Stab
Regie: Michele Placido | 
Drehbuch: Michele Placido, Sandro Petraglia 

Besetzung
Michele Placido Cardinal Del Monte
Moni Ovadia  Filippo Neri
Gianfranco Gallo  Giordano Bruno
Brenno Placido Ranuccio
Lorenzo Lavia Orazio Gentileschi
Gianluca Gobbi Scipione Borghese
Maurizio Donadoni Papst Paul V
Duccio Camerini Costantino Spada
Carlo Giuseppe Gabardini Onorio Longhi
Lea Gavino Artemisia Gentileschi
Tommaso de Bacco Fabrizio Colonna
Pietro Micci Inquisitor
Michelangelo Placido Bruder Ranuccio
Alberto Onofrietti Cousin Ranuccio
Sebastiamo Lo Monaco Alof de Wignacourt
Guia Jelo Caravaggios Diener
Davide Paganini Cavaliere d’Arpino

Der Schatten von Caravaggio
DVD 
Italien, 202
FSK ab 12 freigegeben
Bestellnummer: 11736685
Erscheinungstermin: 29.2.2024
Genre: Drama, Historie, Biopic
Spieldauer: 114 Min. 
Originaltitel: L'Ombra di Caravaggio (2022)
Sprache: Deutsch, Italienisch
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Bild: Widescreen
Untertitel: Deutsch