Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. März 2024, Teil 2
Redaktion
London (Weltexpresso) - 33 Drehtage in zwei Ländern und zwei Zeitabschnitten, die Arbeit mit zwei Crews in zwei Sprachen waren eine zusätzliche Herausforderung für Regisseur James Hawes bei seinem Spielfilmdebüt. Sein Hauptdarsteller Flynn sagt dazu: „Das ist eine unglaublich ehrgeizige Geschichte, was den Umfang und die Logistik wie Züge, Flugzeuge und Autos angeht.“
Hawes erklärt seine Arbeit mit dem Kameramann Zac Nicholson und wie der die Logistik und die unterschiedlichen Looks der einzelnen Epochen umsetzte: „Zwei Zeitlinien sind immer eine Herausforderung. Das Wichtigste war, dass wir uns den Figuren und Stimmungen der jeweiligen Momente anpassten. Der ältere Nicky, der mit seinem Bedauern lebt, besitzt ein langsameres Tempo. Wir hatten das Gefühl, dass man das mit einer eher statischen Kamera erzählen sollte, mit gedämpften Farben und einfachen, weiten Bildern, in denen der Mann einsam im Raum steht.“ Hawes wechselt von den 1980ern in die 1930er Jahre und fährt fort: „Zu dieser Zeit haben wir einen viel aktiveren jungen Mann, die Uhr tickt, mehr Dringlichkeit liegt in seinen Zügen. Also brachten wir mehr Farbe ins Spiel. Die Kamera wurde die meiste Zeit von Hand gehalten, denn der junge Nicky ist auf einer Mission. Die Kamera reist mit ihm auf seiner Schulter.“
Es war von größter Wichtigkeit, mit beiden Darstellern die verschiedenen Zeitansätze zu besprechen, um die Kontinuität zu wahren. Garai sagt: „James‘ Vision für den Film war außergewöhnlich, denn es war eine echte Herausforderung, eine Geschichte in zwei Zeitepochen zu erzählen, ohne dass sie sich zusammenhanglos anfühlt. Er hatte eine ganz klare Vorstellung davon, wie die Bild- und Tonsprache der jeweiligen Epoche sein sollte. Er wollte den Film vollständig mit den emotionalen Zuständen seiner beiden Hauptfiguren in Einklang bringen. Das ist die perfekte Art von Regisseur, bei dem die technischen Anforderungen mit dem emotionalen Ansatz des Films überlappen.“
In Anbetracht der großen emotionalen Tragweite der Geschichte fügt Sherman hinzu: „Wir wollten nie kitschig wirken. Wir wussten, dass James dem menschlichen Kern treu bleiben würde, aber auf eine Weise, die nicht ins Sentimentale abdriftete.“ Bonham Carter, die bereits 2009 mit Hawes zusammengearbeitet hat, bemerkt: „Es gab Parallelen zu Winton. Er stand unter großem Druck, musste viel erreichen und sehr, sehr schnell Entscheidungen treffen.“
Für Hawes und die Produzenten war es wichtig, in Prag zu drehen und dabei die authentischen Schauplätze zu nutzen. Sie drehten sogar auf dem Bahnsteig, auf dem sich die Kinder von ihren Familien verabschiedeten und nach England aufbrachen. Eine Bronzestatue von Winton mit zwei kleinen Kindern und einem Koffer markiert heute am Ende desselben Bahnsteigs den historischen Ort.
Die Szenenbildnerin Moore beschreibt die erste Erkundungstour zur Wilson-Station in Prag. Die Crew entdeckte ein weißes Zelt am Ende des Bahnsteigs: „Es diente als Abfertigungsstelle für Mütter und Kinder, die aus der Ukraine ankamen. Sie waren auf dem Bahnsteig versammelt und die Kinder spielten direkt neben der Statue von Nicholas Winton, als wir die Aufnahmen besprachen. Wir wussten, dass wir den Film zur richtigen Zeit drehen würden.“
Die Dreharbeiten im belebten Hauptbahnhof Prags, während er wie gewohnt in Betrieb war, stellte das Team von Moore vor die Herausforderung, die modernen Elemente so zu verbergen, dass sie nicht anachronistisch wirkten, während die Regie die Takes zwischen den Lautsprecherdurchsagen und der Neueinstellung des alten Dampfzugs manövrierte. Moore fügt hinzu: „Hier sehen wir auch zum ersten Mal, wie die Nazi-Flagge eingeführt wird, nachdem wir bei dem ganzen Film eher eine nüchterne Farbpalette verwendeten, ist nun ein Hauch von Rot sichtbar, wenn die Deutschen kommen.“
Garai, die auf einer der Brücken neben der berühmten Prager Karlsbrücke und der ältesten Synagoge der Stadt drehte, kommentiert: „Es ist erstaunlich, wie sehr der Film und die Geschichte in die Stadt Prag integriert sind. Man hat wirklich das Gefühl, dass sich Film und Historie auf außergewöhnliche Weise überschneiden. Es ist ein sehr bewegendes Gefühl als Schauspielerin, an den Orten zu sein, an denen sich diese Szenen tatsächlich ereignet haben, an denen Nicky und alle damals diese erstaunlichen Dinge bewerkstelligten.“
Moore fügt hinzu: „Prag hatte eine schreckliche Zeit unter der Besatzung, aber es wurde nicht bombardiert, so dass viel von der Architektur erhalten blieb. Wir hatten das große Glück, Zugang zu einigen außergewöhnlichen Drehorten zu erhalten.“ Sharp bewundert die Arbeit des Art Departments, das die authentischen Schauplätze nahtlos mit der Filmkulisse ergänzte: „Was Christina mit den Flüchtlingslagern, den Bahnhöfen und all den Sets gemacht hat, ist unglaublich, wie filmisch sie sind und gleichzeitig brutal realistisch.“
Hawes sagt: „Wir haben uns bemüht, an die echten Orte zu gelangen und aus der Gemeinde zu casten, insbesondere aus der jüdischen Gemeinde. Viele der Kinderdarsteller kamen von örtlichen jüdischen Schulen, und obwohl die meisten von ihnen noch nie geschauspielert hatten, war es uns wichtig, die richtige Herkunft und Familienerfahrung zu besetzen.“
Eatwell, die die Kostüme für die zahlreichen Nebendarsteller und die Hauptdarsteller entwarf, erläutert ihre Recherchen zur Sicherstellung der historischen Genauigkeit: „Wir sprachen mit den Familien, sahen uns die Bücher an und fanden Familienfotos. Man schaut sich aber auch die allgemeine Bevölkerung an. Bei einem Film wie diesen, hat man es mit Vertriebenen zu tun. Was nehmen sie mit? Es ging darum, die Menschen umzugestalten, ihr Aussehen zu verändern, ihnen Schichten zu geben. Die Leute erscheinen unförmig und massiv, sie trugen vernünftige Schuhe und wir versuchten, das Gefühl zu vermitteln, dass sie immer unterwegs sind und so viel wie möglich am Körper trugen.“
Die Maskenbildnerin Karen Hartley Thomas nutzte für ihre Arbeit Nickys Sammelalben: „Als wir vor allem die Kinder stylten, nutzten wir wirklich so viele Referenzen, wie wir konnten. An diesen Kindern arbeiteten wir besonders hart. Wir verwendeten alles an Filmmaterial, was wir bekommen konnten. Man wird die Menschen nie genau nachbilden können, aber wir mussten ein Gefühl für sie bekommen.“ Hartley Thomas fährt fort: „Wir mussten auch zwischen den Menschen in Prag und den Menschen in London unterscheiden. Es gab Klassen- und Länderunterschiede.“
Eatwell ergänzt: „Es war erst der Beginn des Krieges. Wir waren nicht in einem Konzentrationslager, die Menschen waren noch nicht so zermürbt. Sie durften nicht zerlumpt und schäbig wirken. Das könnten du oder ich sein. Es war wichtig, dass man sich damit identifizieren kann. Die Menschen gingen mit ihrer guten Kleidung aus dem Haus, um andere zu treffen. In dieser Geschichte ging es um jeden. Niemand war sicher. Es waren Menschen, die ohne Vorwarnung aus ihrem Zuhause und ihrem Leben gerissen wurden.“
Der Komponist Volker Bertelmann ist sich der anspruchsvollen Balance bewusst, die der Film in seiner Erzählung einfordert: „Die Musik durfte nicht zu melodramatisch werden, aber gleichzeitig musste man Emotionen ansprechen. Es ist in gewisser Weise ein recht introvertierterer Film.“
Das Sammelalbum wurde zu einem wesentlichen Bestandteil des Films. Es beinhaltet gleichermaßen die Geschichte der Kinder als auch Nickys. Sein Duplikat musste exakt sein. Hawes erklärt: „Das echte Sammelalbum befindet sich im Museum in Israel, in Yad Vashem, aber wir hatten eine fabelhafte Kopie. Das Art Department erstellte eine, die so echt wirkt, wie es nur sein kann, sogar beim Anfassen und Riechen. Es ist sehr bewegend, es reicht von der Lebensweise in Prag kurz vor dem Krieg bis hin zu den einzelnen Fotos einiger Kinder. In vielerlei Hinsicht ist es das, was wir zum Leben erwecken wollten. Das Sammelalbum ist ein unglaublich wichtiges Symbol im Film. Es ist die Essenz dessen, was unsere Geschichte über die Jahre hinweg erzählen wird.“
Zu den Fotografien in dem Sammelalbum sagt Flynn: „Nicky war ein Amateurfotograf und nahm seine Kamera überall hin mit, was sich als äußerst nützlich erwies, da er die Bilder der Kinder, die er in den
Lagern aufnahm, in Zeitschriften veröffentlichte. Auf diese Weise wandte er sich an die britische Öffentlichkeit, indem er in populistischen Magazinen, sogenannten Coffee Table Magazines, die Menschen dazu aufforderte, diese Kinder zu unterstützen. Er brauchte Pflegeeltern und eine große Summe Geld für jedes Kind. Damit begann diese Werbekampagne, die vielleicht manchmal als geschmacklos empfunden wurde, aber er tat rücksichtslos alles, was nötig war, um diese Kinder unterzubringen.“
Foto:
©Verleih
Die Besetzung
Info:
ANTHONY HOPKINS – Sir Nicholas ‚Nicky‘ Winton
JOHNNY FLYNN – Young Nicky
HELENA BONHAM CARTER – ‚Babi‘ Babette / Barbara Winton
LENA OLIN – Grete Winton
ROMOLA GARAI – Doreen Warriner
Der Stab
JAMES HAWES – Regie
LUCINDA COXON – Drehbuch
NICK DRAKE – Drehbuch
Abdruck aus dem Presseheft