archi3LICHTER Filmfest Frankfurt International: von Dienstag, 16. April bis Sonntag, 21. April, Teil 16

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „Zur Zukunft europäischer Kinobauten“ hieß die Veranstaltung des 4. Kongresses ZKUNFT DEUTSCHER FILM, der in diesem Jahr das Motto: ZUKUNFT EUROPA hatte. Der diesjährige Kongreß wurde am Mittwoch, 17. April von 12 – 13.30 im großen Saal des Festivalzentrum eröffnet. Wer teilnahm, war danach schlauer, auch wenn die Diskussion hier schwierig wiederzugeben ist!

In der Ankündigung hieß es: Fragt man nach der Zukunft des Films, fragt man unweigerlich nach der Zukunft seiner Räume, nach der Zukunft des Kinos. In Vorbereitung auf den 4. Kongress Zukunft Deutscher Film ist eine digitale Publikation erschienen, die herausragende Kinobauten der vergangenen zwei Jahrzehnte vorstellt; aus Deutschland, Europa und der Welt. Auch sind darin zwei europäische Projekte vertreten, die in den kommenden Jahren allererst entstehen werden: Das Europäische Filmzentrum Camerimage im polnischen Toruń und das Haus für Film und Medien in Stuttgart. Zwei überaus ambitionierte Kinobauten, die bei aller Verschiedenheit die Haltung eint: „Verhindern, dass die Vergangenheit die Deutungshoheit über das Kino behält“, wie es der deutsche Regisseur Christoph Hochhäusler formuliert. Hochhäusler trägt die Architektur nicht nur im Namen, sondern vereint Film und Architektur auch biografisch: Vor seinem Studium der Filmregie in München studierte er Architektur an der Technischen Universität Berlin.
Welche Überschneidungen, welche Unterschiede gibt es in den architektonischen Ansätzen? Welchen Leitbildern, welchem Raumverständnis folgt die Kinoarchitektur? Welche Rolle spielen Ideen zur Stadtentwicklung? Über diese und weitere Fragen spricht Christoph Hochhäusler zum Kongressauftakt mit den beiden Architekten Hugo Herrera Pianno und Dietmar Feistel, die ihre jeweiligen Kinoentwürfe einleitend auch vorstellen werden.
Der spanische Architekt Hugo Herrera Pianno arbeitet für Baumschlager Eberle Architekten und ist verantwortlich für das Europäische Filmzentrum Camerimage. Dietmar Feistel (Delugan Meissl Associated Architects) hat nicht nur für Stuttgart das Haus für Film und Medien entworfen, sondern war bereits für das berühmte EYE Filmmuseum in Amsterdam verantwortlich und lässt uns vorab bereits wissen: „Schon lange vor unserem Projekt für das EYE in Amsterdam war unser Büro und ich im Besonderen vom Virus Film infiziert.“
Mit: Dietmar Feistel (Delugan Meist Associated Architects), Hugo Herrera Pianno (Baumschlager Eberle Architekten)
Moderation: Christoph Hochhäusler


achri4Das wurde in der Tat eine richtig spannende Veranstaltung in schöner Hochhauskulisse, die mit den beiden Rednern begann, die ihre Projekte in Bild und Ton vorstellten, was aber das Eigentliche war, war die anschließende Diskussion zu Dritt, die dann ins Publikum verlagert wurde. Moderator Christoph Hochhäusler, selbst ein bekannter Filmemacher, fing das Thema historisch ein: Er listete kurz auf, wie die Entwicklung der Kinobauten vor sich ging. Wie billig und klein alles anfing, wie dann ab 1915 die Filmpaläste den Film adelten und zur gesellschaftlichen Anerkennung brachten. In den 50er Jahren sprach er vom Schachtelkino – wir konnten dann aus eigener Anschauung in Kindertagen das längst aufgelassene Vorortkino hinzufügen - und die Multiplex-Kinos der 90er Jahre haben die meisten von uns mitbekommen. Inzwischen gibt es weithin Kinosterben, weil das Heimkino, inzwischen das Handy, auf dem die Filme laufen, starke Konkurrenz ist.

Höchste Zeit also, sich auf die Suche nach neuen Formen des Kinos zu machen, was die beiden Architekten ja in ihren Beispielen gerade vorgetragen hatten. Längst sind die Zeiten vorbei, wo Kino nur Filmeschauen ist. Das Kino muß als Raum selbst etwas bieten, wobei andererseits auch gilt, beim Filmeschauen darf der Raum nicht von der Leinwand ablenken. Ein Paradox, das es zu gestalten gilt. Eine der Fragen ist der Standort, denn immer mehr Kinos sind in den Stadtzentren entstanden. Die beiden Architekten bezogen sich immer wieder auf ihre Bauten in Stuttgart, wo, wie das Bild zeigt, ein Gebäude alles zusammenfaßt, das transparent nicht wuchtig und abgeschlossen wirken soll, während der Bau, die Bauten in Polen eine künstlerische Aussage gleich mittransportieren. Man möchte beides im Original sehen, denn Fotografien oder Entwürfe sind dann doch etwas anderes als der Bau vor Augen, der Bau im öffentlichen Raum.

Man kann die vielfältigen Aspekte des Gesprächs kaum zusammenfassen, weil es kein Gespräch der Gegensätze war, sondern eher ein einvernehmliches Plaudern über Grundsätze von Kinobauten, die zu beachten sind, wie: spielt die Filmmusik eine Rolle beim Kinoentwerfen? Interessant dann die Rückschau auf die Bahnhofsarchitektur des 19. Jahrhunderts, die immer zugänglicher wurde, offene Türen sind das Prinzip. Beim Kinobau müsse man fragen: was wird gebraucht? Man fange immer mit etwas an, meist sei es das geschlossene Modell am Anfang, das sich verbreitere und differenziere, auch öffne. Der Architekt habe die Aufgabe, den durchaus demokratischen Prozeß mit so vielen Egos der Beteiligten, zu steuern.

Immer wieder war das Raumerlebnis ein zentraler Punkt, der im Gegensatz zur black box, wie sie einst der Österreicher Peter Kubelka forderte, praktischer und theoretischer Filmemacher, Künstler dazu, der in Frankfurt in besonderer Erinnerung ist, war er doch von 1978 bis 2000 Professor an der hiesigen Städelschule, wo er die Klasse für FILM UND KOCHEN ALS KUNSTGATTUNG leitete, sogar von 1985-1988 deren Rektor war und auch privat für so viele hervorragend kochte. Das mußte als Erinnerung gesagt werden, denn Kubelka ist zwar in Wien aktiv, aber hier kein Thema mehr. Leider.
Also rein schwarz ist heute nicht mehr en vogue, aber das Filmerlebnis darf andererseits nicht gestört werden, auch Fragen der Haptik, der Materialien und der Ausstattung wurden angesprochen. Und vor allem der Ort, wo Filmkultur walten soll. Denn auch in kleinen Orten gibt es mutige Kinobesitzer, selbst auf dem flachen Land sind beispielsweise in Hessen Arthouse-Kinos vorhanden, die regelmäßig ob ihrer Kulturpflege einen Teil des Hessischen Filmpreises abbekommen. Längst gilt der Slogan KULTUR FÜR ALLE auch für KINO FÜR ALLE. Das ist im übrigen auch geschichtlich korrekt. Denn der Slogan KULTUR FÜR ALLE, den der ehemalige Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann umzusetzen versuchte, fand zumindest für das Kino tatsächlich statt: er gründete am 7. Juni 1984 das Deutsche Filmmuseum mit Aufnahme des Kinos, das zuvor Kommunales Kino hieß. 40 Jahre her und ein beispielloser Erfolg.

Interessant dann die vielen Fragen und Anmerkungen des Publikums, die zeigten, wie mitgedacht wurde.

PS.
Ab und zu fragt auch eine Journalistin nach. Ab und zu bekommt sie auch Beifall. Aber daß sie anschließend von sieben Zuhörerinnen so positiv auf ihre Anmerkungen angesprochen wird, passiert nicht aller Tage. Interessant, um was es geht.
Einmal sprach ich das Problem an, daß die neue Art des Kinogehens mit Gastronomie und den leckersten Angeboten, was sicher dem Kino mehr einbringe als die Kinokarten, doch bedeute, daß diejenigen, die über wenig Geld verfügten, sich das einfach nicht leisten könnten, ausgeschlossen würden. Besonders sieht man das an neuen schönen Kinos wie dem ASTOR in Frankfurt, wo am Platz serviert wird und ein Tischchen zum Nachbarn auch den Platz für Getränke und Speisen biete. Das war übrigens immer so, auch in der Hochkultur, daß die Besserbetuchten in der Oper in den Pausen dinierten, aber, das geschah abgetrennt, jeder konnte sich dem entziehen und woanders pausieren. Wenn im Kino aber am Platz serviert wird, spürt jeder, der das Geld dafür nicht hat, ein weiteres Mal, daß er es nicht hat.
Das andere war eine Nebenbemerkung eines Vortragenden, der von der Armlehne sprach, die keiner mitbekomme. Dem widersprach ich und verwies darauf, daß da, wo eine einzige Armlehne bei zwei Sitzen vorhanden sei, meiner Erfahrung nach immer die nebensitzenden Männer diese belegten. Leider ging vom Podium niemand drauf ein, denn die Konsequenz ist einfach, daß es zwei Armlehnen geben mußt. Aber drei der sieben persönlichen Kommentar mir gegenüber war das wichtig, weil es diesen jungen Frauen genau so ergeht.

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