Bildschirmfoto 2024 04 28 um 01.41.45Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. April 2024, Teil 6

Lisandro Alonso

Buenos Aires (Weltexpresso) – Es ist einige Zeit vergangen, seit ich meinen letzten Spielfilm gedreht habe. Ich war mit anderen Dingen beschäftigt, manche wichtig, manche nicht. In letzter Zeit habe ich jedoch begonnen, über den Film nachzudenken, den ich jetzt machen möchte, und über  die Menschen, die mich für eine gewisse Zeit umgeben sollten - diejenigen, die mich auf ein weiteres
filmisches Abenteuer begleiten würden, das uns zweifellos an unbestimmte Orte führen wird.

Ich habe viel über verschiedene Reservate der amerikanischen Ureinwohner*innen in den USA insbesondere über einen Ort namens Pine Ridge in South Dakota, wo ich 2017 einige Monate verbringen konnte. In diesem Reservat sind die Zahlen nicht auf der Seite der Menschen. Es gibt nur 23 Polizeibeamt*innen, die für die Bedürfnisse von 50.000 indigenen Bewohner*innen zuständig sind. Dennoch entscheiden sich die Menschen dafür, im Reservat zu bleiben und für ihr Überleben zu kämpfen, trotz des mangelnden Interesses und sogar der Verachtung durch andere Menschen in den USA, durch andere, jüngere Kulturen.

Ich habe mich auch für Vögel interessiert, für ihr Fliegen und ihre Freiheit. Die Art und Weise, wie sie von einem Ort zum anderen wandern, ohne sich um Grenzen, Zollkontrollen oder Bankkonten zu kümmern. Und obwohl der Klimawandel die Vögel jeden Tag mehr beeinträchtigt, hält er sie nicht davon ab, zu wandern oder sich fortzupflanzen. Ich sehe Vögel als Träger einer dem Menschen unbekannten, jahrtausendealten und geheimnisvollen Weisheit. Manche Vögel können bis zu zwölf Tage lang fliegen, ohne den Boden zu berühren. Zwölf volle Tage, ohne zu essen, schlafend und träumend in Bildern, die voll von Rätseln sind. Fantastische Bilder ohne jeden Zusammenhang, in denen die Träume jeweils nur kurze Zeit andauern, in denen sie jeweils nur wenige Minuten träumen.

Ich möchte Verbindungen zwischen dem Lauf der Zeit und den verschiedenen Kulturen herstellen, die dieses Land seit den Anfängen vor der Kolonialisierung bewohnt haben. Einige haben den Kontakt zu ihren direkten Nachfahr*innen verloren, während sie versuchen, deren Lebensweise in der Welt zu verstehen, während andere eine enge Verbindung zu ihnen haben. Ich möchte die indigenen Stämme in
Nordamerika mit denen in Verbindung setzen, die in der Nähe des Amazonas leben und der Moderne entfliehen, in der Hoffnung, ihre angestammten Traditionen am Leben zu erhalten. Wir werden in den
Regenwald reisen, um Menschen zu finden, und ihnen eine Tätigkeit als Schauspieler*innen anbieten. Mit ihnen auf Augenhöhe zu arbeiten, wäre ein wahr gewordener Traum. Ich möchte mich mit ihnen
und meiner Crew im Dschungel verlieren. Ich möchte lachen und arbeiten können und mich von den Vögeln und Tieren, die in den Bäumen leben, beobachtet fühlen, und an den Flüssen entlangfahren, wo
sie vielleicht Menschen sehen, die nach einem harten Arbeitstag ein bisschen Gold finden - so wie sie es seit den Anfängen dieser Goldgräberaktivitäten tun - ohne schwere Maschinen und ohne Unterstützung, nur mit dem bloßen Wunsch, schnell reich zu werden.

Schließlich bin ich auch deshalb sehr daran interessiert, diesen Film zu machen, weil ich weiß, dass es ein Film ist, den noch niemand gemacht hat. Es wäre alles andere als banal, die Schönheit und
die Dunkelheit Amerikas, die Menschen, die es bewohnen, und die Menschen, die es beschädigen,


BIOGRAFIE LISANDRO ALONSO
Lisandro Alonso wurde 1975 in Buenos Aires, Argentinien geboren. Er studierte an der Universidad del
Cine. Nach dem Kurzfilm DOS EN LA VEREDA (1995), den er als Co-Regisseur drehte, arbeitete er als
Regieassistent und Sound Designer. Sein Debütfilm A LIBERTAD feierte 2001 in der Sektion „Un Certain
Regard“ in Cannes Premiere. Im Anschluss gründete er seine eigene Produktionsfirma 4L. Mit seinen
weiteren Spielfilmen war es jedes Mal mit einer Weltpremiere in Cannes vertreten.
2023 meldete sich der Regisseur nach einer achtjährigen Pause mit EUREKA zurück, der in der Sektion
„Cannes Premiere“ debütierte.


Foto:
©Verleih


Info:

EUREKA
LISANDRO ALONSO
Argentinien, Deutschland, Frankreich, Mexiko, Portugal 2023
Filmstart: 25. April 2024
Spielfilm, 146 Min., DCP-2K, FSK ab 12, OmU-Fassung
(chatino/englisch/lakota/portugiesisch)

Besetzung  (in alphabetischer Reihenfolge):
Viilbjørk Malling Agger:   Molly
Alaina Clifford Alaina: Adanilo Costa: Indigener der verschwindet
Luisa Cruz:    Ordensschwester
Santiago Fumagalli:    Hotelbesitzer
Stanley Good Voice Elk:    Großvater
Sadie Lapointe:    Sadie
Ta-Yamni Long Black Cat:    Delsin
Marcio Marante:     El Coronel (Episode 3)
Chiara Mastroianni:    Maya / El Coronel (Episode 1)
Viggo Mortensen:    Murphy
Rafi:    Pitts Randall
Natalia Ruiz:    Prostituierte
José María Yazpik: Cowboy

Stab
Regie: Lisandro Alonso
Drehbuch: Lisandro Alonso, Fabián Casas, Martín Camaño

Abdruck aus dem Presseheft