outtaDie anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Mai 2024,  Teil 3

Michael Fetter Nathansky

München (Weltexpresso) - “Kennst du das, dass du dir manchmal einen fremden Mann anschaust und es komisch findest, was er sagt, oder wie er redet und dir nach einer Zeit auffällt, dass es dein Mann ist?”

Diese Frage ist ein subtiler Hilferuf, den Nadine im Film an ihre beste Freundin Ajda richtet. Es gibt immer wieder Momente in meinem Leben, die mich innerlich erstarren lassen. In solchen Augenblicken sehe ich in meinen liebsten Mitmenschen keine Freunde oder “Seelenver- wandte” mehr, sondern nur mir völlig fremde Menschen. Als würde ich sie gar nicht kennen, als würde uns nichts verbinden und als wäre jede Nähe zwischen uns nur behauptet. Meine größte Angst ist, dass diese Momente sich eines Tages nicht mehr auflösen. Gleichzeitig bringen mich diese Momente auch dazu, mich zu fragen, wie ich meine Liebsten denn sonst wahrnehme. Welche Gestalt hat ihre sonstige Wärme, ihre Ausdauer, ihr Trost, ihre Zärtlichkeit? Welche “Rolle” spielen sie in meinem Leben und welche Rollen wünsche und verlange ich von ihnen? Aus diesem Gedankenspiel ist die Idee erwachsen, der Liebe Nadines zu ihrem Mann verschiedene Gesichter zu geben. Damit ist ALLE DIE DU BIST im Kern letztendlich ein Film über Nadines eigene Sehnsüchte, Ängste und Bedürfnisse geworden. Ich möchte damit auch die teilweise erdrückenden Erwartungen hinterfragen, die wir an die Liebe und an uns selbst haben, sei es als Liebende oder Geliebte. So beginnt beispielsweise die Beziehung zwischen Nadine und Paul eben nicht mit der Liebe auf den ersten Blick, sondern vielmehr mit der Liebe auf den zweiten, fünften, oder neunten Blick. Es ist eine Liebe, die einem mal zufliegt, dann wieder erarbeitet werden muss, die immer wieder uneindeutig und unberechenbar ist, sei es in ihrer Schönheit oder ihrer plötzlichen Abwesenheit.

Ich bin in Köln aufgewachsen und das Arbeitermilieu des Rheinlands hat mich visuell, vor allem aber menschlich schon immer interessiert. Es ist eine Seite Deutschlands über die vor allem vor dem Hintergrund des Kohleausstiegs, zwar oft berichtet wird, die aber dennoch oft im Abstrakten bleibt, als liege sie in Wahrheit in einem anderem Land. Es hängt eine Wolke der Ungewissheit über dieser Region, da alles im Wandel ist: seien es die Arbeitsplätze oder die Landschaften. Mich hat diese Verortung der Geschichte als Spiegel, sowie als Motor der inneren Entfremdung Nadines interessiert.
Aenne Schwarz ist eine einzigartige Schauspielerin, die sich auf unnachahmliche Art und Weise in jede Zelle dieser Figur hineingelebt und gefühlt hat. So ist der Film auch ein Dokument ihrer körperlich, wie emotional elektrisierenden Schauspielleistung. Und genau mit dieser unaufhaltsamen Wucht aus Zweifeln trifft sie auf einen von Carlo Ljubek gespielten Paul, dessen Glaube an die Liebe so unverrückbar ist wie der Körper eines Bullen. Es ist dieses zarte Aufeinanderprallen, was den Ton und die Marschrichtung für den gesamten Film gesetzt hat.

Zusammen mit meiner auf allen Ebenen weit über den Tellerrand hinausblickenden Produzentin Virginia Martin haben wir ein Team wundervoller KünstlerInnen zusammengestellt. Seien es die eindringlichen, mal melancholisch, mal warmen Bilder unseres Kameramanns Jan Mayntz, die liebevoll und präzise gestalteten 

Räume unseres Szenenbildners Jonathan Saal, oder die facettenreichen Kostüme unserer Kos- tümbildnerin Julia Kneusels, die Nadine mal einengen, dann wieder befreien. Dazu das Zu- sammenspiel von Montage (Andrea Mertens), Mischung (Malte Zurbonsen) und Filmmusik (Gregor Keienburg und Ben Winkler), das uns immer tiefer in die sich parallel verlierende und sich findende Seele Nadines hineinblicken lässt.

ALLE DIE DU BIST soll trotz all der Zweifel an der Liebe letztendlich ein Film gegen die Ver- bitterung sein. Ich möchte das Publikum dazu einladen in der Sprache des Films auf ihre eige- nen Rollen in der


Foto:
©Verleih

Info:
STAB

Buch & Regie
Michael Fetter Nathansky

BESETZUNG
NADINE - Aenne Schwarz
PAUL - Carlo Ljubek
PAUL JUNG - Youness Aabbaz
AJDA - Sara Fazilat
PAUL FRAU - Jule Nebel-Linnenbaum
PAUL KIND - Sammy Schrein

Abruck aus dem Presseheft