Bildschirmfoto 2024 07 13 um 03.44.42Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos seit dem 11. Juli 2024 Teil 6

Redaktion 

Teheran (Weltexpresso) – In Nahost-Ländern, die von religiösen Ideologien regiert werden, gelten Frauen als Bürgerinnen zweiter Klasse. Sie werden vieler ihrer Rechte beraubt und können ihre Identität nur durch die Männer in ihrem Leben behaupten. Leider fallen auch iranische Frauen in diese Kategorie. Seit Jahren kämpfen sie gegen ungerechte Gesetze wie die Hijab-Pflicht und gegen die mangelnde Gleichberechtigung.

Vor allem ihre Beziehungen zum anderen Geschlecht werden unter die Lupe genommen. Noch komplizierter wird es, wenn sich eine Frau dazu entschließt, allein zu leben – so wie unsere Protagonistin Mahin.

„In EIN KLEINES STÜCK VOM KUCHEN geht es um Frauen, Einsamkeit, Alter und die Absurdität des Lebens.“

Der Film ist die Geschichte einer Frau, die versucht, in einer traditionellen Gesellschaft unabhängig zu sein. Mahin hat keine andere Wahl, als sich mit den Ansichten und Bedrohungen ihrer religiösen und frauenfeindlichen Umgebung auseinanderzusetzen. Ihre Freiheiten werden durch misogyne Gesetze eingeschränkt. Das iranische Volk versinkt seit vielen Jahren in Kummer und Trostlosigkeit. Darum weiß es die Chance sehr zu schätzen, glücklich zu sein. Denn vielleicht ist dieser Moment die einzige Möglichkeit dazu. Unser Film ist auch eine Geschichte darüber, jenen Moment zu nutzen.

„Der Film spielt zu einer Zeit, in der iranischen Frauen für den sozialen Wandel kämpfen und versuchen, die Mauern dieser veralteten Überzeugungen einzureißen.“

Es sind diese alten Überzeugungen, die es Schriftsteller:innen, Filmemacher:innen und Geschichtenerzähler:innen verbieten, das wahre Leben iranischer Frauen hinter verschlossenen Türen darzustellen.

Die Vorproduktion unseres Films startete im Sommer, drei Monate vor Beginn der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“. Wir waren gerade am Anfang der Dreharbeiten, als Jina Mahsa Amini getötet wurde. Unser ganzes Team stand plötzlich unter einem tiefen Schock – und in dieser mentalen Verfassung war es nicht leicht, weiterzuarbeiten. Das waren schreckliche Tage. Die Dreharbeiten mussten so weit wie möglich im Verborgenen erfolgen. Wir konnten weder aufhören, noch konnten wir die Ereignisse auf den Straßen ignorieren. Obwohl wir uns abmühten, einigten wir uns darauf, den Film gemeinsam fertigzustellen. Zum Lob der Frauen, zum Lob des Lebens und zum Lob der Freiheit.

Seit Jahren drehen iranische Regisseur:innen unter der Last restriktiver Regeln Filme. Ein Verstoß gegen die Regeln kann zu einer jahrelangen Sperre oder einem Verbot führen. In dieser bedauerlichen Situation versuchen wir Filmemacher:innen dennoch, die Realität der iranischen Gesellschaft darzustellen, die meist unter verschiedenen Ebenen der Zensur verloren geht.

Die Aufhebung einiger dieser Beschränkungen ist eine Entscheidung, die wir treffen mussten, um die Probleme konkret anzugehen. Wir glauben, dass es nicht länger möglich ist, die Geschichte einer iranischen Frau zu erzählen und gleichzeitig Unterdrückung zu reproduzieren, beispielsweise mit dem obligatorischen Hijab. Noch nie durften Frauen ihr wirkliches Leben auf der Leinwand zeigen, so wie es in ihren Häusern stattfindet. Doch wir haben beschlossen, die roten Linien zu überschreiten. Wir akzeptieren die Konsequenzen dieser Wahl.

Bereits nach BALLADE VON DER WEISSEN KUH wurden wir in einen Gerichtsprozess verwickelt, der zwei Jahre dauerte. Diese Beschwerde, die die Sicherheitsbehörden wegen des Anti- Todesstrafe-/Hinrichtungsthemas gegen uns einreichten, dauerte bis vor Kurzem an und führte dazu, dass der Film verboten wurde. Sein Erfolg gab uns aber auch die Motivation, keine Angst zu haben und weiter für unsere Lieblingsfilme zu kämpfen.

Auch für die Schauspieler:innen, die in solchen Filmen mitwirken, können komplexe Konsequenzen drohen. Unsere wundervolle weibliche Hauptdarstellerin, an die wir von Anfang an gedacht hatten, ist ein großes Risiko eingegangen, um mitzuspielen. Nicht viele Schauspielerinnen im iranischen Kino würden sich für eine solche Rolle verpflichten.

„Man hat das Gefühl, im Iran werden auch unpolitische Geschichten immer politischer, weil dort alles mit der politischen Lage verbunden ist. Sogar was man isst oder was man trägt.“

Unsere Geschichte basiert auf der Realität des Alltagslebens von Frauen aus der Mittelschicht im Iran, und wirft einen genauen Blick auf die Einsamkeit einer Frau in ihren letzten Lebensjahren. Über die Lebenswirklichkeit von iranischen Frauen wurde bisher kaum berichtet. Und doch ist unser Film eine spielerische Geschichte über Hoffnung und Lebensfreude, aber auch über die Absurdität des Todes.

Foto:
©Verleih

Info:
Besetzung

Mahin.    Lily Farhadpour
Faramarz   Esmail Mehrabi

Stab
Regie. Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha 
Drehbuch.  Behtash Sanaeeha, Maryam Moghaddam 
Kamera. Mohammad Haddadi

Abdruck aus dem Presseheft