Redaktion
Berlin(Weltexpresso) – Was hat Sie an dem Projekt überzeugt und wie verlief die Produktion?
Das Drehbuch zu EIN KLEINES STÜCK VOM KUCHEN hatte eine große Kraft, weil diese kleine, sanfte Liebesgeschichte sehr persönlich ist und zugleich die politische Situation im Iran repräsentiert und den sozialen Druck der Gesellschaft, insbesondere auf Frauen, in sich trägt – und das anhand der Erzählung einer Frau, die ganz einfach nicht mehr einsam sein möchte und ihr Leben wieder in die Hand nehmen will. Aufgrund seiner Thematik wurde der Film hauptsächlich aus Europa finanziert, zusammen mit Ètienne de Ricaud von Caractères aus Frankreich und Peter Krupenin von Hobab aus Schweden. Wir schickten Fördergelder u.a. vom World Cinema Fund in den Iran, die Produktion beruhte also auf sehr viel gegenseitigem Vertrauen. Außerdem gab es große Risiken, so hätten die Dreharbeiten jederzeit gestoppt werden können. Die Parkszene beispielsweise wurde in Teheran während der Proteste gefilmt, einer der heikelsten Drehtage. Die Gefahr, dass die echte Sittenpolizei kommt und alles stoppt, war sehr hoch. Glücklicherweise ist das nicht passiert.
Wo sind die Regisseur:innen Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha jetzt?
Sie befinden sich in Teheran. Nach den Dreharbeiten sind Informationen an die iranischen Behörden gelangt, es gab eine Hausdurchsuchung beim Editor und das Material wurde konfisziert. Aber es gab in Europa bereits eine Kopie des Materials. Als Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha im September 2023 nach Paris ausreisen wollten, wurden ihnen am Flughafen in Iran die Pässe abgenommen. Sie mussten den Film aus der Ferne mit uns fertigstellen. Seitdem werden sie immer wieder verhört, durften auch nicht zu ihrer Premiere auf der Berlinale reisen – das Verfahren ist jetzt, im Mai 2024, immer noch in der Schwebe. Dass der Film ohne Zustimmung des Staates auf der Berlinale gezeigt wurde, wird den beiden und dem iranischen Produzenten Gholamreza Mousavi ebenfalls vorgeworfen. Auch die Schauspieler:innen wurden unter Druck gesetzt.
Was wünschen Sie sich für den Film?
Ich wünsche mir erstmal, dass die Filmemacher:innen nicht weiterhin in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Und dass sie den Film international präsentieren können. Diese Geschichte zeigt, dass es im Iran einen ganz normalen Alltag gibt, normale Menschen mit Gefühlen und Wünschen, die vom repressiven Staat unterdrückt werden. Es ist wichtig, diesem Land und seinen Menschen Aufmerksamkeit zu widmen. In Kultur steckt schließlich immer die Chance zur Verständigung und Veränderung.
Hinter der Kamera
Maryam Moghaddam & Behtash Sanaeeha,
Regie & Drehbuch
Maryam Moghaddam stammt aus Teheran. Sie ist Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Nach einer Ausbildung auf der Performing Arts School in Göteborg trat sie in verschiedenen schwedischen Theatern auf und spielte in iranischen Filmen wie Jafar Panahi und Kambuzia Partovis CLOSED CURTAIN (2013), der bei der 63. Berlinale einen Silbernen Bären gewann.
Behtash Sanaeeha wurde in Shiraz geboren. Nach Abschluss seines Architekturstudiums begann er, Drehbücher zu schreiben und bei Kurzfilmen, Dokumentationen und Werbespots Regie zu führen. Sein erster Spielfilm RISK OF ACID RAIN (2015) wurde auf mehr als dreißig internationalen Festivals gezeigt.
Behtash und Maryam begannen ihre Zusammenarbeit mit dem gemeinsamen Schreiben des Spielfilms RISK OF ACID RAIN (2015). Ihr Film BALLADE VON DER WEISSEN KUH wurde im Wettbewerb der Berlinale 2021 uraufgeführt. Der Film wurde von TOTEM FILMS an mehr als 40 Verleiher verkauft und auf hochkarätigen Festivals auf der ganzen Welt gezeigt.
Foto:
©
Info:
Besetzung
Mahin. Lily Farhadpour
Faramarz Esmail Mehrabi
Stab
Regie. Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha
Drehbuch. Behtash Sanaeeha, Maryam Moghaddam
Kamera. Mohammad Haddadi
Abdruck aus dem Presseheft