Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos seit Mittwoch 24. Juli 2024, Teil 5
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) – Wie kamen Sie auf die Idee, einen Film über den „Schatz von Halberstadt“ zu machen?
Ich habe zu einem anderen Thema recherchiert und fand in einem Buch von Peter Ensikat einen Satz, der lautete: „Das Papiergeld der DDR wurde in einem Stollen eingelagert.“ An diesem Satz bin ich hängen geblieben. Da hat es, und das passiert bei mir nicht allzu oft, Klick gemacht und ich dachte: DAS IST KINO! Das ist ein Heist-Movie. Ich habe dazu recherchiert, bin nach Halberstadt gefahren, hab mir den Stollen angesehen – er ist 300 Meter lang und 8 Meter hoch – und habe mit vielen Leuten geredet. Und dann war da so eine unglaubliche Geschichte, und alles Realität! Das Geld wurde dort versteckt, um zu verrotten. Es wurde eingebrochen, aber bis heute weiß man nicht, wie viel eigentlich weggekommen ist. Und mir war sofort klar, die Geschichte dieser Einbrecher muss man erzählen.
ZWEI ZU EINS ist eine Komödie, aber gleichzeitig auch Abenteuerfilm, Liebesgeschichte, Thriller ...
Ja, eine leichte Sommerkomödie, dazu ein wenig von der Postraub-Geschichte oder von LANG LEBE NED DIVINE, wo das ganze Dorf einen Lottogewinn aufteilt und die Versicherung austricksen will. Darin stecken archaische Grund-Erzählmuster, nochmal neu aufgegriffen für diese Zeit damals, die ich so wunderbar spannend finde: 1990 – ein Jahr, als keiner so richtig wusste, wo’s langgeht.
1990 war ein ganz besonderer Sommer – die letzten Monate der DDR. Wie sehen Sie diese Zeit im Rückblick?
Ein bisschen chaotisch war es damals, ganz oft aber auch auf eine positive Art. Vieles war absurd, die alten Regeln galten nicht mehr, die neuen waren noch nicht da. Ein Jahr lang war vieles möglich. Es gab auch viel Hoffnung, die ja später enttäuscht wurde, viele Ängste, aber auch viele Chancen. Ich habe eine ganze Menge Leute getroffen, die mir gesagt haben: Das war die beste Zeit meines Lebens. Ich habe mir gewünscht, dass der Film auch dieses Sommergefühl transportiert, diese Atmosphäre der Leichtigkeit und der Möglichkeiten. „Geile Zeit“, sagt Yannek, Marens Sohn dazu. Und er hat recht. 1990 war ein unglaubliches Jahr, nicht nur für ihn, ein Jahr der Abenteuer.
ZWEI ZU EINS ist eine Komödie über Geld. Was meinen Sie: Macht Geld glücklich?
Ich habe die Fotos gesehen von den Leuten, die in dem Stollen zum ersten Mal das Geld sehen. Sie wirken sehr glücklich. Wahrscheinlich wird man beim Anblick eines solchen Geldhaufens wieder zum Kind. Diese Mengen an Geld lösen einfach Glücksgefühle aus. Mir ging es da ähnlich, als ich zur Recherche bei der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau = Rechtsnachfolge der Staatsbank Berlin) war. Der Tresor wurde für mich aufgeschlossen und ich sollte die Geldscheine in die Hand nehmen. Das war schon merkwürdig. Es gibt sogar Untersuchungen, bei denen nachgewiesen wurde, dass Geld eine rauschhafte Wirkung hat, ähnlich wie eine Droge. Und es löst Gier aus – das sieht man ja auch im Film. Geld ist ja eigentlich etwas ganz Normales, aber es ist eben auch mit unglaublich paradoxen Gefühlen behaftet.
In Deutschland wird allgemein nicht viel über Geld gesprochen, finde ich, weniger als in anderen Ländern. Auf der einen Seite ist es ein Tabu-Thema, man spricht hier nicht darüber, was man verdient. Auf der anderen Seite hat es aber eine starke emotionale Wirkung. Geld beruhigt auch, es gibt Sicherheit.
Ich glaube eigentlich: Die Realität ist, dass Geld schon bis zu einem gewissen Grad glücklich macht. Wenn jemand, der arbeitet, sich trotzdem jeden Tag Gedanken darüber machen muss, ob das Geld dafür reicht, das Essen und die Miete zu bezahlen, dann kann Geld schon große Glücksgefühle auslösen, weil man dadurch eine gewisse Grundlage hat, eine Sicherheit. „Geld ist gedruckte Freiheit.“ Dieses Zitat von Fjodor Dostojewski steht am Schluss des Films.
Der Film ist aber auch eine Liebesgeschichte. Da gibt es das Dreieck Maren, Robert und Volker ...
Ich finde, jeder Film braucht eine Liebesgeschichte. Dringend! Die Drei sind für mich sehr inspirierende Figuren: Freunde seit der 3. Klasse, sie kennen sich gut. Beide Männer verehren Maren vollkommen zu Recht. Und sie ist eigentlich eine Nummer zu groß für sie. Tatsächlich ist Maren wirklich mutig, eine echte Abenteurerin, eine Revoluzzerin. Sie ist wie ein Schmetterling, und die beiden Männer haben Glück, dass sie ihnen noch nicht weggeflogen ist.
Dabei ist Maren ein sozialer Mensch, der immer aufs Ganze schaut: Lasst uns was zusammen machen, das ist ihre Devise. Am Anfang, auf dem Arbeitsamt, sagen sie: „Wir lassen uns doch nicht unterkriegen!“ – „Nee, auf keinen Fall.“
Robert ist ihr ein bisschen ähnlich. Er ist ein Gemeinschaftsmensch. Er und Volker sind wie zwei unterschiedliche Pole. Volker ist anders als Robert. Er hat Halberstadt und Maren verlassen, ist in den Westen gegangen, ohne ihr Bescheid zu sagen, und nun kommt er wieder zurück, weil er dort nicht zuhause sein kann. Und weil er Maren vermisst. Das Verhältnis zwischen Maren, Robert und Volker ist für mich die klassische Dreiecksbeziehung. Ein bisschen wie in JULES UND JIM.
Und vielleicht will auch keiner aussteigen?
Da gibt es eine Szene, in der schließlich alle zusammen im Bett liegen, die ganze Familie, mit den Kindern. Und Maren sagt: So könnte es immer weitergehen. Wenn alle zusammen sind, das ist für sie wichtig. Sie hat sowas angenehm Pragmatisches, und ich finde solche Menschen sehr interessant.
Hatten Sie schon beim Schreiben die Besetzung mit Sandra Hüller, Max Riemelt und Ronald Zehrfeld im Kopf?
Beim Schreiben bin ich am liebsten ganz frei. Außer bei ALLES IN BESTER ORDNUNG, da wusste ich, das kann nur Corinna (Harfouch) spielen. Aber ansonsten denke ich, dass es mich einschränken würde, mich schon vorher festzulegen. Ich schreibe zuerst, dann wird besetzt, und dann wird auch der Film nochmal anders. Wenn reale Menschen die Figuren verkörpern, ist das ein sehr spannender Prozess, denn mit jedem Menschen, der dazukommt, verändert sich der Film.
Das Erstaunliche bei ZWEI ZU EINS war: Die Drei haben sofort Ja gesagt! Sie haben das Buch gelesen und zugesagt. Es war für mich ein unglaubliches Vergnügen und eine unglaubliche Ehre, mit den Dreien zu arbeiten. Diese Arbeit war so sehr mit Leichtigkeit erfüllt, weil sie so viel mitbringen und sich auch so gut miteinander verstanden haben. Diese sommerliche, angenehme Stimmung kommt im Film auch gut rüber.
Da haben wir mit Sandra, Max und Ronald nicht nur die tollsten Darsteller an Bord, sondern es funktioniert auch noch so gut zwischen ihnen! Es war wirklich ein großes Glück, mit den Dreien zu arbeiten – so wie auch mit allen anderen, das sind alles ganz tolle Menschen: Ursula Werner, Peter Kurth, Martin Brambach ... Mir sind auch die kleineren Rollen immer wichtig. Das liegt vielleicht daran, dass ich selbst vom Schauspiel komme. Ich nehme jede Rolle ernst und jeden einzelnen Menschen, der sie spielt. Jede einzelne Rolle bei mir hat einen Anfang, eine Mitte und einen Schluss. Das finde ich ganz wichtig, denn nur so entsteht ein authentischer Charakter.
Ich wollte einen Sommerfilm erzählen, und wir waren alle miteinander sehr glücklich in diesem Sommer 2023 in Gera. Wir waren wirklich so wie die Hausgemeinschaft im Film, alle im Team. Und die Menschen, die wir vor Ort gecastet haben, die haben sich da so richtig schön eingefädelt. Das war eine sehr friedliche, freundliche Atmosphäre. Es ist mir sehr wichtig, dass sich alle ernst genommen fühlen. Vielleicht bin ich da ein bisschen wie Maren:
Ich möchte, dass wir alle zusammen gut durch diese Zeit kommen. Und damit meine ich wirklich alle, vor der Kamera und hinter der Kamera. Das haben wir gut hingekriegt. Wenn alle am Set gut zusammenarbeiten, dann entsteht ein ganz bestimmter Zauber. Den habe ich oft gespürt.
Was hat Sie bei den Vorarbeiten und bei den Dreharbeiten am meisten gefreut und überrascht?
Gera hat uns mit vielen guten Drehorten und Motiven beschenkt, das ist wirklich eine tolle Stadt, und alle, die wir dort getroffen haben, nicht nur die Motivgeber, waren sehr freundlich und hilfsbereit. Das Wichtigste war für uns, dieses Haus zu finden. So ein Hausmotiv ist so etwas wie ein eigener Protagonist, und wir haben überallhin Leute geschickt, die gesucht haben, und alle gefragt. Und dann war es da. Genau das, was wir gesucht hatten: ein teilweise leerstehendes Gebäude in Gera-Lusan, einem Stadtteil in Gera, das mal eine Jugendherberge war. Unten im Haus gab es eine ehemalige HO-Gaststätte und gleich angrenzender Garagenlandschaft.
Ich hätte gern in der Original-Stollenanlage von Halberstadt gedreht, in der das Geld ursprünglich eingelagert war. Doch dieses Komplexlager 12 war inzwischen vollständig leergeräumt, nicht nur aufgrund von Einbrüchen, sondern auch, weil es mittlerweile mehrfach den Eigentümer gewechselt hat und alles ausgebaut worden war. Wir hätten alles neu einbauen müssen. Stattdessen haben wir im Komplexlager 22 in Rothenstein bei Jena gedreht. Uns wurde aufgeschlossen – und alles war da! Genau, wie wir es gebraucht haben. Toll!
Was war Ihr Konzept für die visuelle Gestaltung des Films, wie z. B. für die Kostüme?
Ich wollte keine Klischees bedienen, auch visuell nicht, sondern ich wollte die Auseinandersetzung mit der Authentizität. Wir haben ausschließlich Kleidung aus der damaligen Zeit genutzt, und für die Dreharbeiten haben wir festgelegt: Keine Witze über Klamotten! Wir wollten niemanden lächerlich machen und vermeiden, dass sich irgendjemand über jemand anderen lustig macht, nur weil er was Bestimmtes anhat. Und das hat sehr gut funktioniert. Alle sehen in dem, was sie tragen, gut aus, denn sie sind unsere Helden. Und im Film ist ziemlich viel Hellblau zu sehen – das steht für mich ebenfalls für Leichtigkeit.
Martin Langer, unser Kameramann, hat mit anamorphotischen Objektiven gearbeitet und dadurch sind auch hier und da Lens Flares entstanden, die den Eindruck von Hitze noch verstärken. Es war ja tatsächlich warm, aber wir wollten auch, dass es so aussieht. Wir haben den Film sozusagen bei einer gedachten Außentemperatur von 36 Grad gedreht und uns viele Gedanken darüber gemacht, was die sommerliche Atmosphäre ausmacht.
Ich glaube, es ist ein Film geworden, aus dem ich gut gelaunt aus dem Kino hinausgehe und trotzdem was mitnehme. Dabei hat uns auch die tolle Musik unserer Komponistin Hannah von Hübbenet geholfen. Wir hatten uns entschieden, keine Musik aus der damaligen Zeit zu verwenden. Ich wollte den Film nicht musikalisch an eine Zeit binden. Für mich hat ZWEI ZU EINS etwas archaisch Zeitloses, und das sollte auch in der Musik rüberkommen. So ist der Soundtrack entstanden, der ein bisschen countrymäßig leichtfüßig daherkommt, aber auch einen guten Anteil skandinavische Tiefe mitbringt.
Wie geht es weiter? Was sind Ihre nächsten Pläne?
Ich sitze schon am nächsten Film, aber das ist alles noch nicht spruchreif. Ich mag es einfach, Kinogeschichten zu erzählen. Kino ist für mich Abenteuer für die Seele. Man geht anderthalb Stunden mit, und wenn der Film gut ist, dann wächst die Seele daran, und der Eindruck bleibt erhalten. Ich selbst denke, dass ich eher französisch angehaucht bin, diese Leichtigkeit mag ich sehr. Aber mir ist auch der englische Humor sehr nahe, das Understatement und der trockene Witz, der von hinten um die Ecke kommt.
Was bedeutet es für Sie, Regie zu führen?
Früher habe ich gedacht, Regie führen heißt, alles zu wissen. Dann habe ich aber festgestellt, Regie führen heißt, gute Leute mit ins Boot zu holen und ihnen einen guten Platz zu bieten. Ich muss nicht wissen, wie der fertige Film aussieht, aber ich muss für alle die Freiräume schaffen, damit sie ihr Bestes geben können. Der gesamte Prozess, einen Film herzustellen, taugt mir sehr. Er besteht aus vielen kleinteiligen Tätigkeiten. Immer wieder wird alles zerschnippelt, neu wieder zusammengesetzt und wieder auseinandergenommen, und dann – im Schneideraum – wird er endgültig zusammengesetzt.
Film ist Teamarbeit, es geht um Chaos und Ordnung, und ich sehe mich vor allem in einer ordnenden Funktion. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, soll Karl Valentin gesagt haben. Und das stimmt. Einem fertigen Film ist nicht anzusehen, wie viel Kraft er gekostet hat und wie viel Arbeit darin steckt. Und das ist auch gut so. Bei mir kommen öfters kleine Überraschungen dazu, wie bei einer Wundertüte. Immer noch mal eine neue Wendung, ein neuer Twist ... solche Filme sehe ich einfach auch selbst am liebsten. Aber das Wichtigste ist die gemeinsame Arbeit. Am Anfang sitzt man allein in einem Boot, es kommen Leute dazu. Irgendwann setzt das Boot die Segel, noch mehr Leute kommen dazu. Und dann wird das Boot ein Dampfer, der von alleine fährt.
Foto:
©Verleih
Info:
Besetzung
MAREN. SANDRA HÜLLER
ROBERT. MAX RIEMELT
VOLKER. RONALD ZEHRFELD
KÄTE. URSULA WERNER
MARKOWSKI. PETER KURTH
LUNKEWITZ. MARTIN BRAMBACH
JANETTE. KATHRIN WEHLISCH
JANNEK. ANSELM HADERER
DINI. LOTTE SHIRIN KEILING
NACHBAR ROBERT HÖLLER
JOACHIM MEIER. OLLI DITTRICH
GENOSSE ABV. TOM KEUNE
DIETER KULITZKA. UWE PREUSS
HERBERT BAHLOW. YORCK DIPPE
WACHHABENDE. TILLA KRATOCHWIL
HANS-DIETRICH GENSCHER. HILMAR EICHHORN
NVA SOLDAT. DAVID BREDIN
WERKLEITER SIEGL. CHRISTOPH MÜLLER
Stab
REGIE. NATJA BRUNCKHORST
DREHBUCH NATJA BRUNCKHORST
Abdruck aus dem Presseheft