d3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos 17. Oktober 2024,  Teil 11

Redaktion 

Berlin (Weltexpresso)Für den Erfolg von THE APPRENTICE – THE TRUMP STORY war es unabdingbar, die richtigen Schauspieler für Donald und Roy zu besetzen. Gabriel Shermans Drehbuch hatte sie nicht als abstoßende Monster gezeichnet, sondern als mit Fehlern behaftete Menschen, die neben Macht und Reichtum auch Anerkennung, ja, sogar Liebe suchen. Schon sehr früh hatte Abbasi das Gefühl, seinen jungen Trump in einem Schauspieler gefunden zu haben: Sebastian Stan.


Stan war zwar damals wohl vor allem für seine Rollen in diversen Marvel- Blockbustern bekannt, hatte daneben aber auch eine ansehnliche Erfolgsbilanz mit von der Kritik gefeierten Filmen mit kleinerem Budget. Er hatte mit Autor und Regisseur Steven Soderbergh in der schrägen Komödie Logan Lucky zusammengearbeitet und in Craig Gillespies Oscar®-prämiertem Film I, Tonya eine der Hauptrollen übernommen. Stan spielt dort Jeff Gillooly, den Ehemann der Olympia-Hoffnung der 1990er-Jahre Tonya Harding, der einen Anschlag auf Nancy Kerrigan, die Hauptkonkurrentin seiner Frau angezettelt hatte.

Zunächst kontaktierte Carmen Cuba, Casting-Direktorin von THE APPRENTICE – THE TRUMP STORY , Stan und fragte, ob er Trump spielen wolle, und der Schauspieler wollte gern mehr darüber von Abbasi selbst erfahren. Die beiden führten 2019 ein zweistündiges Gespräch per Zoom. Danach war für Abbasi klar, dass Stan die Rolle sicher hatte. „Das eine sind natürlich seine Fähigkeiten, sein Talent und all das, aber ich hatte das Gefühl, dass derjenige, der das machen will, ein persönliches Engagement mitbringen muss, das über das Professionelle hinausgeht. Diese Person war Sebastian, er stand zu mir, er stand zu dem Projekt und der Rolle“, sagt Abbasi.

Baer stand voll hinter dieser Entscheidung: „Wir wussten, dass wir einen Schauspieler finden mussten, der keine Scheu hatte, sich mit der berühmtesten – und berüchtigtsten – Person unserer Zeit anzulegen. Sebastian ist ein mutiger Künstler und ein Chamäleon. Er ist unberechenbar und dreist. Außerdem sah Trump in seiner Jugend gut aus, und das trifft definitiv auch auf Sebastian zu. Aber vor allem ist Sebastian unheimlich sympathisch. Er findet in jeder kontroversen Figur, die er spielt, etwas, was sie dem Publikum näher bringt. Das ist hier die geheime Zutat für Trumps Entwicklung.“

Stans Spiel musste sich im Laufe des Films wandeln: V on einem etwas nervösen Außenseiter mit großen Ambitionen hin zu der zunehmend aufgeblasenen, in der Öffentlichkeit unglaublich präsenten Figur, die wir heute alle kennen.

Um das klarzustellen: Stan sagt, er habe durchaus Manschetten davor gehabt, diese hochkarätige Rolle zu übernehmen, habe sich aber von seiner Furcht nicht davon abhalten lassen, den Part zu spielen. „Ich hatte große Angst davor, aber es gab Elemente darin, an die ich ständig denken musste“, sagt Stan. „Für mich ist Angst immer irgendwie ein Zeichen. Ich sagte mir: ‚Gut, aus irgendeinem Grund kommt das jetzt auf mich zu, und ich werde einfach mal sehen, wohin die Reise geht.’ Zu Ali hatte ich sofort einen Draht, und ich respektiere ihn als Künstler. Ich vertraute seiner Vision und dem, was er mit dem Film ausloten wollte. Er bezog sich dabei auf Filme wie Barry Lyndon oder Asphalt Cowboy, ja, sogar Boogie Nights. Das gab mir eine V orstellung davon, in welche Richtung ich mit der Figur gehen sollte.“

Mit diesen Anhaltspunkten im Hinterkopf stürzte sich Stan sofort in intensive Recherchen, um Trumps Psychologie als junger Mann besser zu verstehen. „Ich durchforstete das Internet und las alles, was ich finden konnte: Interviews, die er dem New Yorker, dem New York Magazine und der New York Times in den späten 70ern und frühen 80ern gegeben hatte, also ungefähr in der Zeit, in der der Film spielt. Ich sah mir alles an, was ich an Filmmaterial finden konnte, aber mein Fokus lag auf den späten 70ern und 80ern. Da gibt es Wesenszüge, die erkennbar sind, aber es gibt auch einige Dinge, die sich deutlich vom heutigen Bild von Trump unterscheiden.“

Stan arbeitete immer wieder an der Rolle, bevor die Dreharbeiten endlich losgingen, und erhielt noch in den Jahren dazwischen eine Emmy®-Nominierung für seine Darstellung in Pam & Tommy – einer ebenfalls von Begebenheiten aus dem Leben prominenter Personen inspirierte Miniserie. Darin spielte Stan den Mötley- Crüe-Schlagzeuger Tommy Lee, der mit seiner schlaksigen, stark tätowierten Figur Welten entfernt war von den leicht rundlichen Formen und den Designeranzügen, die der junge Donald Trump bevorzugte. Doch aus Sicht eines Schauspielers, so Stan, gibt es durchaus Gemeinsamkeiten.

„Wenn man reale Personen spielt, gibt es einen technischen Aspekt, der unverzichtbar ist: Im Grunde taucht man permanent in die Sache ein“, sagt Stan. „Wann immer ich im Auto saß, wenn ich spazieren oder einkaufen ging, wenn ich mit meiner Familie oder Freunden zusammen war oder sonst was tat, hörte ich hörte und beobachtete ich ihn ununterbrochen. Immer und immer wieder spielte ich Filmmaterial ab. Nur so kann ich erreichen, dass es mir in Fleisch und Blut übergeht und mich jede Minute begleitet.“

Nachdem Stan sich verpflichtet hatte, Trump zu spielen, machten sich die Filmemacher auf die Suche nach ihrem Roy Cohn. Emmy®-Preisträger Jeremy Strong, der in dem weithin gepriesenen HBO- Drama Succession den ständig schikanierten Kendall Roy gespielt hatte, galt schon bald als einer der Top-Anwärter. Strong hatte Abbasi 2022 auf dem Telluride Film Festival kennengelernt. Im darauffolgenden Sommer setzten er und der Regisseur sich zusammen, um über eine Zusammenarbeit bei THE APPRENTICE - THE TRUMP STORY zu sprechen.

„Ich hörte von dem Film und war verblüfft, dass er dieses Thema angehen wollte. Ich war sofort bereit [Roy zu spielen]“, so Strong. „Ich fand das Drehbuch handwerklich sehr gut gemacht, präzise und unglaublich lebendig, und ich wusste, dass durch die Kombination von Gabriels wahrheitsgetreuem, genauem und gründlich recherchiertem Drehbuch und Alis Punkrock-Sensibilität etwas Radikales entstehen würde.“

Auch Strong machte sich nun an intensive Recherchen. Er studierte Videos von Cohn, um seine einzigartige Stimme einzufangen, und sprach mit dem Autor Ken Auletta, der den Anwalt für Esquire porträtiert hatte, um ein besseres Verständnis von Cohns Psyche zu bekommen. „Roy liebte es, den Leuten zu erzählen, dass Donald sein ‘bester Freund’ sei“, so Strong. „Und ja – Roy war boshaft, skrupellos und grausam, und viele glaubten, er sei ein Monster, das keine Reue kannte. Aber ... er war das Produkt einer lieblosen Ehe und verbrachte sein ganzes Leben damit, seine innere Leere mit dem unersättlichen Verlangen zu überdecken, Einfluss und Macht anzuhäufen, um sich vor seinem Selbsthass und seiner Scham ob seiner Homosexualität zu schützen. Er war kompliziert und mag mit unverbesserlichen Fehlern behaftet gewesen sein, doch wie alle Menschen wollte er geliebt werden. Und ich glaube, das hat er in seiner Beziehung zu Donald Trump gefunden und später verloren.“

Sicher, Cohn tritt in THE APPRENTICE – THE TRUMP STORY nicht zum ersten Mal, als zentrale Figur in einer fiktionalisierten Erzählung in Erscheinung. Cohn, ein heimlich schwuler Mann, der an den Folgen von AIDS starb, spielt eine zentrale Rolle in Tony Kushners mit dem Tony Award und dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Theaterstück Angels in America über die Auswirkungen der tödlichen Krankheit in den 1980er-Jahren. In der mit dem Emmy Award® ausgezeichneten HBO-Adaption aus dem Jahr 2003 spielte Al Pacino, eines von Strongs beruflichen Idolen, die Rolle des Cohn.

Auf die Frage, ob er versucht habe, seine Darstellung von Cohn von den vorherigen abzuheben, erklärt Strong: „Ich habe mir nicht bewusst vorgenommen, irgendetwas zu tun – ich folgte lediglich dem schummrigen Pfad der Intuition in Kombination mit einer äußerst umfangreichen Recherche. Natürlich ist Pacinos Cohn unbestreitbar brillant ... ebenso wie Tonys umfassendes, beißendes Porträt von Cohn in Angels. Dieser Cohn lebt eher in einer Lynch’schen höllenartigen Landschaft, es ist ein Porträt der amerikanischen Psyche vom Typ Francis- Bacon-trifft-auf-grelles-Vaudeville.“


Foto:

©Verleih


Info:

Besetzung
Donald Trump.    SEBASTIAN STAN 
Roy Cohn.          JEREMY STRONG 
Ivana Trump        MARIA BAKALOVA 
Fred Trump.        MARTIN DONOVAN 
Mary Anne Trump.    CATHERINE MCNALLY 
Freddy Trump.      CHARLIE CARRICK
Russell Eldridge.    BEN SULLIVAN
Roger Stone.       MARK RANDALL

Stab
Regie                 ALI ABBASI 
Drehbuch          GABRIEL SHERMAN