Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. November 2024, Teil 2
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - Der von Krankheit gezeichnete Kaiser Tiberius sucht einen Nachfolger, daher holt er seinen Adoptivenkel Caligula in seinen Palast. Der nach Macht und Einfluss strebende Caligula wittert die Chance seines Lebens. Er tötet Tiberius, bemächtigt sich des kaiserlichen Siegelrings und lässt sich zum neuen Imperator erklären. Umringt von treuen Gefährten wie seiner Schwester und Geliebten Drusilla und seiner Frau Caesonia führt er ein hartes Regiment. Caligula schreckt auch nicht davor zurück, Roms Ressourcen für seine persönlichen Spielereien zu plündern. Allen geltenden Regeln zum Trotz herrschen auf sein Geheiß hin von nun an Dekadenz und Ausschweifungen am Kaiserlichen Hof. Dabei riskiert er den Ruf und die Zukunft Roms. Als sich Caligula, zunehmend dem Wahnsinn verfallen, zum Gott ernennt, formiert sich endlich Widerstand gegen den Tyrannen.
„Caligula“ zeigt die korrumpierende Wirkung der Macht und ist eine erschütternde Reise der Verdorbenheit, des Wahnsinns und der Zerstörung.
40 Jahre nach der Erstveröffentlichung eines der kontroversesten Filme aller Zeiten präsentiert Penthouse Films International eine völlig neue Fassung. Eine beispiellose Menge an noch nie gezeigtem Filmmaterial lassen den noch immer schockierenden Kultklassiker in neuem Licht erscheinen. Der notorisch dekadente und skandalöse Film wird endlich so präsentiert, wie er immer gesehen werden sollte.
In den Hauptrollen: Malcolm McDowell, Peter O'Toole, John Gielgud und Helen Mirren.
CALIGULA – Über das Original
Italien hat eine lange Tradition epischer Sandalenfilme. Doch als Tinto Brass 1976 mit den Dreharbeiten zu “Caligula” begann, gab es nichts Vergleichbares. Nie zuvor war ein Film von solch einem Umfang und mit solch einem Thema erdacht worden. Es war ein übertriebener, extravaganter, mutiger, subversiver und anstößiger Film, der sich für alle Beteiligten, ob vor oder hinter der Kamera, als sehr problematisch herausstellen sollte.
Ein dreiköpfiges Projekt
Es gibt viele Geschichten darüber, wie kontrovers die Entstehung, die Produktion und der Schnitt von „Caligula“ waren, und zum Beweis dafür gereichen die vielen Streitigkeiten, die während des Drehs auftauchten.
Finanziert wurde „Caligula“ von „Penthouse“-Gründer Bob Guccione, einem reichen amerikanischen Geschäftsmann, der in den 60ern und 70ern die Erotikmagazin-Branche in den USA zum Beben brachte. Bereits in den frühen 1970ern investierte er in Filmproduktionen. So finanzierte er beispielsweise Roman Polanskis Klassiker „Chinatown“ (1974). Mit „Caligula“ wählte er einen Film, der besser zu seinem Magazin passte: Ein Porno-Blockbuster, der weit davon entfernt war, was bisher in dem Genre geboten wurde.
Das Drehbuch stammte von Gore Vidal, einer Schlüsselfigur der amerikanischen Literatur der 1950er und 1960er, der hin und wieder auch für Film und Fernsehen tätig war.
Den Regiestuhl besetze der Italiener Tinto Brass. Zwar für seine Erotikfilme bekannt, sprang Brass doch immer wieder zwischen den Genres hin- und her: vom Western, über romantische Komödien, bis hin zu Dramen. Die Regie zu „Caligula“ wurde ihm aufgrund seines vorangegangenen Films, dem kontroversen Erotik-Kriegsfilm „Salon Kitty“ (1975), angeboten.
Guccione, Vidal und Brass waren drei willensstarke Männer, die nur wenig gemeinsam hatten und vollkommen unterschiedliche Vorstellungen hatten. Guccione war ein Playboy, der das Leben in vollen Zügen genoss. Vidal wiederrum ein politisch engagierter, linker Intellektueller. Tinto Brass war ein subversiver, grenzüberschreitender Filmemacher mit anarchistischer Ader. Und obwohl sie am selben Projekt arbeiteten, hatten diese drei Männer jeweils einen völlig anderen „Caligula“ im Sinn. Zudem hatten sie unterschiedliche, teils gegensätzliche Pläne, in welche Richtung sich der Film bewegen sollte.
Eine schwierige Entwicklungsphase
Guccione hatte hohe Erwartungen an den Film und wollte bekannte Schauspieler besetzen. Bald kamen drei Ikonen zum Projekt hinzu: Malcolm McDowell übernahm die Hauptrolle, und ihm zur Seite standen der gefeierte Veteran John Gielgund sowie Peter O’Toole.
Zwar hatte man Brass dazu geholt, um Vidals Drehbuch zu adaptieren, dieser hatte jedoch völlig andere Vorstellungen. Ihm gefiel die Arbeit des Autors nicht, ebenso ging es Malcolm McDowell, und so begann der Hauptdarsteller damit, Vidals Drehbuch komplett umzuschreiben.
Dabei war ihnen Gucciones Unterstützung sicher, da er auf einige Entscheidungen des Autors verzichten wollte. Einerseits war für ihn das Thema Homosexualität zu sichtbar, andererseits wollte er Brass „Honig ums Mauls schmieren“, um einen problemlosen Dreh zu gewährleisten. Brass jedoch hatte keinesfalls die Art Pornografie im Sinn, die Guccione in seinen Magazinen präsentierte. Er wollte etwas Gröberes, Emotionaleres und Subversiveres.
Doch als Brass ersten Änderungen im Drehbuch vorschlug, wollte Vidal nichts davon wissen. Er weigerte sich, auch nur ein Wort abzuändern. Beide sprachen kein Wort mehr miteinander und kommunizierten nur noch sporadisch über die Medien, in denen sie sich beide gegenseitig auf das Heftigste beschuldigten.
Guccione hingegen übte Druck auf die Filmemacher aus und die Vorproduktion begann. Ein Termin für den Drehbeginn wurde gefunden, der Brass, dessen Assistenten, dem Produktionsteam sowie den Kostümbildnern gerade einmal anderthalb Monate zur Vorbereitung ließ. Anderthalb Monate, um eine Crew zu finden, die Kulissen und Kostüme anzufertigen, für die Anproben und die Aufnahmeproben. So wurden einige männliche Komparsen anhand ihrer Penisgröße eingestellt – je größer, desto größer die Chance auf eine Rolle. Brass musste aus hunderten Penisfotos auswählen.
Zwar hatte der Dreh noch nicht begonnen, doch längst bestimmte „Caligula“ die Schlagzeilen in Rom. Guccione verbot Journalisten und jedem, der nicht am Film arbeitete, jeglichen Zugang zum Set, was die wildesten Gerüchte befeuerte. Bald musste ein PR-Agent angeheuert werden, um der Presse zu erklären, dass keine Sexszene mit einem Pferd aufgenommen wurde.
Chaotische Dreharbeiten
Die eigentlichen Dreharbeiten begannen Anfang August 1976 in den römischen Dear Studios, wo Brass schon „Salon Kitty“ gedreht hatte. Aus finanziellen Gründen wurde der „Monsterharem“ jedoch außerhalb Roms erbaut. Aus demselben Grund wurde die Suburra-Szene in den Bädern von Caracalla gedreht. Brass benutze für all seine Aufnahmen drei Kameras und so wurden insgesamt rund 200 Kilometer Film belichtet. Die Crew bestand aus mehr als 300 Mitarbeitern und 16 Wochen waren für die Dreharbeiten eingeplant. Drehschluss sollte Ende November sein. Schlussendlich dauerte es acht Wochen länger.
Die Kamera übernahm Silvano Ippoliti, der an allen Filmen von Brass beteiligt war.
Verantwortlich für das Szenenbild war Danilo Donati, der bereits bei Federico Fellinis „Roma“ (1972) und „Amarcord“ (1973) spektakuläre, bombastische Kulissen gebaut hatte. Zu den bekannten Crewmitgliedern gehörte auch der Chefkoch und Schauspieler Giuseppe Maffioli, der auch den Koch in “Das große Fressen“ verkörperte. Er kümmerte sich um das Gelage im Film, wenngleich er auch nur kurz im Film selbst zu sehen war.
Aufgrund der knappen Zeit für die Vorproduktion waren die Kulissen bei Drehbeginn noch nicht fertiggestellt. Das Art Departement arbeitete unter ständigem Druck, während Brass und seine Crew beim Dreh versuchten, keine unfertigen Kulissen zu zeigen. Trotzdem blieben Donatis Kulissen eindrucksvoll und wunderschön. Sie sahen sogar so gut aus, dass sich Guccione auf die Suche nach einem Museum machte, dass bereit wäre, Donatis Arbeiten auszustellen. Zwar erklärte sich niemand bereit, es inspirierte ihn jedoch dazu, einen weiteren Film in diesen Kulissen zu drehen.
Am ersten Drehtag wurde eine Komparsin von einem neapolitanischen Mastiff angegriffen, einer Rasse, die für den Kampf mit Löwen in der Arena gezüchtet worden ist. Mit blutendem Arm wurde sie ins Krankenhaus gebracht. Brass jedoch war lediglich wütend, dass kein Kameramann auf die Idee gekommen war, den Angriff zu filmen. Es war der erste von vielen Unfällen, die sich beim Dreh ereignen sollten. So erlitt in der Szene, in der eine Wache ausgeweidet wird, der Schauspieler tatsächlich eine Stichwunde. Während der ersten Versuche hatte Peter O’Toole Schwierigkeiten, den Eingeweidesack, den der Schauspieler trug, mit dem Schwert zu treffen. Ein Sack, gefüllt mit Innereien und Käse, die die Eingeweide darstellen sollten. So stieß er im letzten Take derart fest zu, dass sein Schwert seinen Kollegen unterhalb einer Rippe durchbohrte. Die Schmerzlaute des Soldaten wirken in dieser Szene also deshalb so echt, weil sie es sind. Und Brass war immer auf der Suche nach echten Reaktionen. Falls Brass eine Orgienszene nicht gefiel, ließ er es sich nicht nehmen, Oralsex mit seinen „Penthaus-Mäuschen“ zu haben, um zu demonstrieren, um welche Art der Darstellung es ihm ging.
Es dauerte jedoch nicht lange und der Produktion ging das Geld aus. So erhielten einige Crewmitglieder und Komparsen weit weniger Bezahlung als vereinbart – oder gar keine.
Nach über einem Monat ohne Gage und nach zahllosen unbezahlten Überstunden, entschied sich die Crew zum Streik. Um dem entgegenzuwirken, wandte sich Produzent Franco Rossellini einen Tag, nachdem der Streik begonnen hatte, schriftlich an die Zeitung Il Tempo und beschwerte sich über das Verhalten der Crew.
Nach drei Streiktagen erhielt die Crew schließlich einen Teil ihrer Bezahlung, jedoch nicht die volle Summe. Stuntleute und Komparsen gingen leer aus. Viele Versprechungen wurden der Crew gemacht, keine davon wurde jedoch eingehalten und die Stimmung am Set wurde immer angespannter. Es ging sogar soweit, dass dem ersten Regieassistenten zwei Leibwächter zur Seite gestellt werden mussten. Besonders die Hunderten von Komparsen wurden zu einem Problem, da sie großen Einfluss auf den Dreh hatten. Viele von ihnen verdienten mit dem Job ihren Lebensunterhalt und hatten sich auf mehrere Monate regelmäßiges Einkommen verlassen. So war man gezwungen, einige von ihnen fest einzustellen, auch wenn man der Ansicht war, dass man sie für den Dreh nicht unbedingt benötigte.
Gegen Ende des Drehs wurden selbst die Hauptdarsteller nicht mehr bezahlt. Hier ging es um sehr hohe Beträge, da man sich auf einen 16-wöchigen Dreh geeinigt hatte und Überstunden geleistet werden mussten.
Aufgrund der Komplexität einiger Szenen waren Verzögerungen an der Tagesordnung, was den Druck auf Brass noch erhöhte. Zudem verließ Maria Schneider – die Caligulas Schwester spielte – nach einem Streit mit dem Regisseur während der Proben unerwartet das Set. Sie sollte ein seitlich geschlitztes Kleid tragen, das ihren nackten Körper zeigte, bat jedoch eine Kostümbildnerin darum, es zuzunähen, weil sie nicht nackt vor die Kamera treten wollte. Brass wurde wütend und bedrohte die Kostümbildnerin. Daraufhin wurde Schneider umgehend gegen Teresa Ann Savoy ausgetauscht, mit der Brass bereits bei „Salon Kitty“ gearbeitet hatte.
Durch die steigende Zahl der Probleme und den Druck am Set erlitt der Regisseur schließlich abends auf dem Nachhauseweg einen Herzinfarkt, wobei sein Hang zu teuren Zigarren und Alkohol sicher das Übrige tat. Seine Frau konnte ihn per Herz-Lungen-Massage wiederbeleben und am nächsten Tag stand er wieder am Set. Es sollte nicht der einzige Infarkt bleiben. Drei Monate nach Drehbeginn traf es zunächst Effektspezialist Franco Celli. Auch Mario Basili, der unter anderem für die Bezahlung der Komparsen zuständig war, erlitt einen Herzanfall in seinem Büro. Dem zweiten Regieassistenten Giovanni Michelagnoli gingen irgendwann die Nerven durch und er kündigte Anfang November.
Um das Budget nicht erneut zu sprengen, wurden Mitarbeiter, die nicht in der Gewerkschaft waren, kurzerhand gefeuert, was der übriggebliebenen Crew bei ihrem überladenen Zeitplan nicht wirklich half. So mussten im Laufe des Drehs viele Änderungen durchgeführt werden: die Gefängnisszene beispielsweise sollte in einer eigens gebauten Kulisse gedreht werden. Knappe Zeit und das fehlende Geld führten jedoch dazu, dass die Szene vor Ort in den Bädern von Caracalla gedreht wurde.
Der Dreh zog sich bis in den Dezember, was dazu führte, dass die Schauspieler, die lediglich Togen trugen oder nur leicht bekleidet waren, schrecklich froren. Am 31. Dezember 1976 war Drehschluss.
Das Ende?
Der Drehschluss sollte eigentlich das Ende der Produktion von „Caligula“ markieren, nichts dergleichen geschah jedoch. Verschiedene Probleme beim Schnitt führten dazu, dass sich die Veröffentlichung des Films um weitere zwei Jahre verzögerte.
Im Januar 1977 kehrten Bob Guccione und Crewmitglied Giancarlo Lui in die Dear Studios zurück, um zusätzliche nicht-jugendfreie Szenen mit einigen „Penthouse-Mäuschen“ zu drehen. Im selben Monat flog Tinto nach London, wo die Tagesaufnahmen geschnitten werden sollten. Als Tinto nach drei Monaten Arbeit eines Morgens ins Studio kam, verwehrte man ihm den Zugang zum Schneideraum. Guccione hatte ihn gefeuert, um seine eigene Schnittfassung zu erstellen.
Brass verklagte Guccione in Italien, um nicht die Kontrolle über die finale Fassung des Films zu verlieren. Zwar gewann er 1977 vor Gericht, der Produzent machte jedoch einfach weiter.
Gore Vidal und Guccione trafen eine Einigung, und Vidal verschwand aus dem Abspann. Lediglich der Hinweis „Nach dem Original-Drehbuch von Gore Vidal“ blieb übrig. Zwei Jahre später musste sich Brass mit Penthouse einigen und wurde fortan nur noch mit dem Eintrag „Dreharbeiten: Tinto Brass“ erwähnt.