Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Darauf müssen wir noch zurückkommen, daß zufällig die meisten Filme vom diesjährigen VERSO SUD von Frauen gedreht wurden, aber nicht die beiden Eröffnungsfilme, deren zweiter die Reihe der neuesten italienischen Filme eröffnete: UN MONDO A PARTE (Eine Welt für sich), der in diesem Jahr in Italien zum beliebtesten, meistbesuchten italienischen Film wurde, aber nicht zum Auslandsoscar vorgeschlagen wurde, was mit VERMIGLIO von Maura Delpero geschah, der aber in der diesjährigen Auswahl gar nicht dabei ist. Müssen wir nachfragen, warum, was wir tun werden.
Hätte Regisseur Riccardo Milani (im Foto rechts) gewußt, daß der Sinnspruch „DAS MACHEN DIE BERGE“ eine solche Karriere hinlegt, dann hätte er den Film gleich so genannt, der unter diesem Titel hierzulande im Februar 2025 sogar in deutsche Kinos kommt! Aber der Hype mit dem Spruch kam ja erst, nachdem sieben Millionen Zuschauern diesen dahingeworfenen Satz und im Film immer wieder wiederholten Spruch aufnahmen und ihn ihrerseits überall wiederholten. „Auch am Strand“, wie eine Besucherin am Samstag nach dem Film über ihren Italienurlaub mitteilte. Und je länger man darüber nachdenkt, um so eindringlicher wird dieser Sinnspruch, denn er paßt für fast alles! Erst wird damit erklärt, wieso einer etwas langsam im Hirn und in den Bewegungen ist, dann aber auch, weil ein anderer besonders helle ist. Wenn Hauptfigur Grundschullehrer Michele Cortese (Antonio Albanese) anders tickt, als von ihm erwartet, paßt dieser Spruch auch, und wenn die Leute aus den Bergdörfern wegziehen, weil keine Arbeitsmöglichkeiten mehr da sind, heißt es ebenfalls: DAS MACHEN DIE BERGE. Andererseits ist der Spruch genauso passend, wenn am Wochenende die Touristen in die Einsamkeit der Bergbewohner einbrechen und über ihr Wohlsein dort glücklich sind. Die Ruhe, die Stille, die Schönheit, die Natur, der Schnee, die Wölfe, alles das machen die Berge, aber die Arbeitslosigkeit auch und in der Folge die Vereinsamung der Bevölkerung, von der man vom Regisseur hört, daß die Hälfte der italienischen Bevölkerung in den Bergen lebe.
Ausgiebig antwortete der gutgelaunte Regisseur auf die Fragen von Franco Montini (im Foto links) aus Rom zum Film, denn er hat ja nicht nur die Zuschauer in Italien auf seiner Seite, sondern hat am Anfang des Films im Frankfurter Kino mitverfolgt, wie die Leute genau an den Stellen lachten, wie er es vorgesehen hatte und wie es auch in Italien funktioniert. Er wolle immer das Ernste mit dem Komischen koppeln, war seine Grundaussage zu seinen Filmen. Und generell wird ihm attestiert, daß er schwere Themen mit Leichtigkeit auf der Leinwand paart und so erreicht, daß seine Filme Publikumserfolge werden.
Im übrigen konnte er bei fast allen Fragen antworten: "Das entspricht der Wahrheit!" Dann nämlich, wenn es um die Schließung von kleinen Dorfschulen oben im Gebirge geht oder auch darum, daß in einer öffentlichen Schule in Rom der Lehrer der Schlagdrauf für die betuchten Schüler ist. Denn kaum reagiert dieser Michele Cortese als Lehrer und nimmt einem Schüler das exzessiv betriebene Handy im Unterricht weg, schlendert dieser kleine, unschuldig aussehende Junge nach vorne, greift sich sein Handy und sagt nonchalant Richtung Lehrer und so, daß es alle anderen Schüler mitbekommen, ob er denn wolle, daß sein Vater mit dem Politiker X,Y,Z und der Schulaufsicht rede.
Nach dieser Eingangssequenz braucht der Regisseur keine Erklärungen mehr, warum sein Grundschullehrer sich bis zum Ende des Schuljahres auf eine freie Stelle in Rupe (in Wirklichkeit Opi in der Nähe von Pescasseroli) im „Herzen des Nationalparks der Abruzzen bewirbt und glücklich ist, als er zur eigenen Überraschung genommen, also versetzt wird. Und alles, was folgt, folgt dem wirklichen Geschehen der letzten Jahre, ja Jahrzehnte. Darauf kam Milani, als er im dicksten Winter, also mit viel Schnee und Frost so eine aufgelassene Schule in den Bergen vorfand. Traurig wurde ihm angesichts der Gebrauchsspuren, die aufgestapelten Tische und Stühle, die Bücher, die Kreide und Tafeln. Alles verwaist. Von gestern. In dem Moment sei dieser Film in ihm entstanden, habe er nach und nach das Drehbuch geschrieben. Motiviert habe ihn die Haltung der von ihm geschaffenen Personen, die nicht den vorgegebenen Anweisungen in Gehorsam und Resignation gehorchen, sondern mitdenken und den Wert des Lebens im Dorf und dem Blühen der Dorfschule erkennend sich gegen die Weisungen von oben richten und intelligent die ministeriellen Möglichkeiten ausschöpfen und auf diese Weise eine zum Tod verurteilte Zwergschule in einem kleinen Dorf doch noch am Leben erhalten, indem sie, naja die Bestimmungen der Bürokratie zum Erhalt einer Schule ein bißchen sehr phantasievoll auslegen und so die Schule für die Kinder des Dorfes erretten.
Wie noch im Film selbst erklärt und analysiertt wird, sind die Einfälle der Dorfbewohner, wie sie die Schule am Ort erhalten können, nicht neu. Denn solche Dorfschulschließungen gab es schon einmal. Das war, als als Rettung „die Albaner kamen“, das war die Flüchtlingsbewegung aus Albanien 1991 und dann nochmal 1997 und war wirklich eine Flüchtlingsinvasion. Diese Flüchtlinge wurden mit ihren zahlriechen Kindern in die Berge geholt, so daß sie die benötigten Schülerzahlen brachten. Und wenn es dann noch Probleme gab, zählte man die über 65jährigen, die nicht lesen und schreiben konnten, mit und sofort waren die Schulen mit ausreichend viel Schülern bestückt. Die Großeltern neben den Enkeln.
So etwas nennt man Schule machen!
Fortsetzung folgt.
Fotos:
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Info:
13. Februar 2025 Im Kino | 1 Std. 53 Min. | Tragikomödie
Regie: Riccardo Milani |
Drehbuch: Riccardo Milani
Besetzung: Antonio Albanese, Virginia Raffaele, Elisa di Eusanio
Originaltitel: Io sono in un mondo a parte