Queer1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Januar 2025, Teil 3

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der US-Amerikaner William Lee (Daniel Craig) ist zu Beginn der 1950er Jahre nach einer Drogenrazzia nach Mexiko-Stadt geflüchtet, nachdem er durch seine Opiumsucht in New Orleans in ernsthafte Schwierigkeiten geraten ist. Jetzt lebt der Kriegsveteran in Mexico City und will dort das Leben genießen und ungestraft seiner Drogensucht und seiner Homosexualität nachgehen können.


Weil er mittlerweile kein Geld mehr verdienen muss und dadurch finanziell unabhängig ist, verbringt er seine Tage stattdessen mit jeder Menge Alkohol, Drogen und der Suche nach unverbindlichem Sex. Regelmäßig sitzt er im schickem weißen Leinenanzug und einer Brille in einem der queeren Szene-Bars und hofft den einen oder anderen Typen in ein Hotel abschleppen zu können.

Eines Tages trifft er bei einem Hahnenkampf den deutlich jüngeren hübschen amerikanischen Ex-Soldaten Eugene Allerton (Drew Starkey) und verliebt sich auf der Stelle in ihn. Da Eugene auch immer wieder mit einer Frau in der Bar auftaucht, gelingt es Lee zunächst nicht, herauszufinden, ob Allerton ebenfalls Interesse an Männern hat. Sie schlafen zwar miteinander, aber selbst nach einer gemeinsamen Nacht bleibt es für Lee fraglich, ob Allerton mit ihm ins Bett gegangen ist, weil er es wirklich wollte oder nur deswegen, weil Lee ihm finanziell entgegenkommt, denn Gene lässt sich von Lee für alle Gefälligkeiten bezahlen.

Doch dann erfährt William Lee, dass es im Dschungel Ecuadors mit Ayahuasca oder Hoasca-Tee einen psychedelisch wirkenden Pflanzensud geben soll, der von südamerikanischen Ureinwohnern des Amazonasbeckens im Rahmen spiritueller Rituale zur Bewusstseinserweiterung eingesetzt wurde und der telepathische Fähigkeiten erwecken soll. Dies geschieht durch eine verstärkte Aktivierung der frontalen und der paralimbischen Areale im Gehirn, Regionen sind unter anderem für die Selbstwahrnehmung und die Steuerung von Emotionen zuständig sind.

Gemeinsam begeben sich Lee und Eugene auf einen längeren Trip nach Südamerika, um nach der Yagé oder Ayahuasca-Liane genannten Pflanze zu suchen. Im ecuadorianischen Urwald besuchen sie die US-amerikanische Botanikerin Dr. Cotter, die dort in einer einsamen Hütte zusammen mit ihrem Mann (Lisandro Alonso) lebt und Lee und Gene helfen wird, den Hoasca-Tee zu probieren.

Doch helfen die psychedelischen Trips wirklich herauszufinden, ob Eugene Allerton William Lees Gefühle wirklich erwidert?


Queer2″Queer″ ist ein Filmdrama von Regisseur Luca Guadagnino, dem als Vorlage der halbautobiografischen Roman Queer von William S. Burroughs gedient hat. Auch wenn der Roman zwischen 1951 und 1953 geschrieben wurde, wurde er erst 1985 veröffentlicht. Der Roman ist die Fortsetzung von Burroughs Roman Junkie von 1953. William S. Burroughs (1914 – 1997) ist einer der Hauptvertreters der sogenannten Beat Generation, einer Richtung der US-amerikanischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren, zu deren Mitbegründern auch Jack Kerouac und Allen Ginsberg gehörten. Über Allen Ginsberg wurde 2013 übrigens das Drama ″Kill Your Darlings – Junge Wilde″ mit Daniel Radcliffe in der Hauptrolle und Ben Foster als William S. Burroughs gedreht.

Für den Regisseur Luca Guadagnino ist ″Queer″ nach ″Call Me by Your Name″ (2017) nicht nur der zweite schwule Film, sondern auch wiederum eine Literaturverfilmung. Burroughs’ Roman wurde von Justin Kuritzkes für den Film adaptiert, mit dem Luca Guadagnino auch bereits bei ″Challengers - Rivalen″ (2024) zusammen gearbeitet hat.

Die mexikanische Hauptstadt wurde in den Filmstudios Cinecittà in Rom nachgebaut. Dort begannen auch im Mai 2023 die Dreharbeiten. Wie bereits bei Guadagninos Filmen ″Call Me by Your Name″ und ″Challengers – Rivalen″ war wiederum der Thailänder Sayombhu Mukdeeprom als Kameramann tätig. Die Filmmusik, die von Elektronik über Rock bis hin zu Pop und Indie reicht, komponierten Trent Reznor und Atticus Ross, mit denen Guadagnino ebenfalls vorher zusammen gearbeitet hat.

Das Drama ist in drei Kapitel und einen Epilog unterteilt. Das erste Kapitel lautet ″How Do You Like Mexico?″, das zweite Kapitel ist mit ″Travel Compagnions″ und das dritte mit ″Lost in the Jungle″ überschrieben. Der Epilog lautet ″Two Years Later″.

Die Hauptrolle von Burroughs Alter Ego wird von dem britischen James-Bond-Darsteller Daniel Craig gespielt. Für Craig ist es bereits der dritte Film in den letzten Jahren, in dem er nach ″Knives Out – Mord ist Familiensache″ (2019) und ″Glass Onion: A Knives Out Mystery″ (2022) einen schwulen Charakter spielt. Dabei geht der Regisseur in der körperlichen Darstellung seiner Charaktere deutlich weiter als in ″Call Me by Your Name″, das im Grunde ja ein Sommerabenteuer eines Teenagers ist, während Craigs Charakter William Lee viel älter und sexuell erfahrener ist. Deshalb kommen dieses Mal die schwulen Sexszenen deutlich handfester daher. Daneben ist die Verbindung zwischen Lee und Eugene immer etwas ambivalent und es wird auch für den Zuschauer nie deutlich, welche Intentionen Allerton eigentlich wirklich hat.

Lee dagegen wird von Daniel Craig vor allem zu Beginn der Beziehung mit einer wunderbaren Verletzlichkeit dargestellt. Er wirkt jünger und verunsicherterer, beinahe wie ein frisch verliebter Teenager. Man merkt ihm an, dass der sonst mit allem Wassern gewaschene Lee sich nicht sicher ist, wie er sich Eugene gegenüber verhalten soll.

Allerdings driftet der Film im dritten Kapitel, wenn Lee und Allerton sich dem Ayahuasca-Rausch hingeben dann leicht ins Surreale ab und endet im Epilog dann doch etwas abrupt, so als würde William Lee gerade aus einem zwei jährigen Drogenrausch aufwachen.

Daniel Craig liefert als hoffnungslos verliebter aber auch getriebener und verletzlicher William Lee möglicherweise die beste Performance seiner bisherigen Karriere ab, die zu Recht auch bei der gerade beginnenden Award Season bemerkt wird. So hat Craig jetzt schon jeweils eine Nominierung als bester Hauptdarsteller (Drama) bei den Golden Globe und den Critics Choice Awards 2025 und beim europäischen Filmpreis 2024 erhalten. Gerade hat auch das National Board of Review (NBR), eine New Yorker Organisation von Filmemachern und Filmwissenschaftlern, die jährlich wichtige Filmpreise vergeben Daniel Craig für seine Darstellung zum besten Hauptdarsteller und ″Queer″ als einer der zehn besten Filme genannt.

Queer3Neben Drew Starkey als Eugene Allerton können in kleineren Rolle auch Jason Schwartzman als Joe Guidry und vor allem eine beinahe unkenntliche Lesley Manville als im Urwald lebende Doctor Cotter überzeugen.

Insgesamt ist ″Queer″ ganz sicher ein spannender, außergewöhnlicher, drogeninduziert-surrealer, sexueller und romantischer Film über den tiefen Wunsch, mit einem anderen Menschen in Kontakt zu treten, ja sogar zu verschmelzen, der hervorragend mit phantastischen Bildern und toller Musik begeistert, wenn man sich als Zuschauer darauf einlässt.

Foto 1: Daniel Craig als William Lee © MUBI
Foto 2: Daniel Craig als William Lee und Drew Starkey als Eugene Allerton © MUBI
Foto 3: v.l.n.r.: Daniel Craig als William Lee, Drew Starkey als Eugene Allerton, Lesley Manville als Doctor Cotter und Lisandro Alonso als Mr. Cotter © MUBI

Info:
Queer (Italien, USA 2024)
Originaltitel: Queer
Genre: Drama, Romanze, Literaturverfilmung
Filmlänge: ca. 137 Min.
Regie: Luca Guadagnino
Drehbuch: Justin Kuritzkes
nach dem Roman Queer (1985) von William S. Burroughs
Darsteller: Daniel Craig, Drew Starkey, Daan de Wit, Jason Schwartzman, Andra Ursuta, Michaël Borremans, David Lowery, Henrique Zaga, Drew Droege, Colin Bates, Andrés Duprat, Lesley Manville, Lisandro Alonso u.a.
Verleih: MUBI
FSK: ab 16 Jahren
Kinostart: 02.01.2025