images film a real pain 65735 1.v17308809358325Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Januar 2025, Teil 7


Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist ein Film über Gefühle und Erinnerung. Nicht viele verschiedene Erinnerungen, sondern die vielfache Erinnerung an den Holocaust, wie wir die Judenvernichtung, den industriellen Massenmord an den Juden, die Judenverbrennung durch die Nationalsozialisten in deutschem Namen spätestens seit Spielbergs SCHINDLERS LISTE nennen, auch wenn dieser Sprachgebrauch schon seit 1942 in England auftrat, was 1960 die USA übernahmen und ca. 1978 die Bundesrepublik Deutschland. Verlogen verharmlosend hieß es für die Nazis: Endlösung der Jugendfrage, in Israel sagt man Shoa.


Das ist aber auch ein Film über das schwierige Verhältnis zwischen den beiden Enkeln dieser jüdisch-polnischen Großmutter, die sich aus Lublin in die USA retten konnte. Die Enkel sind beide innerlich unruhig, was sich unterschiedlich zeigt. David, den Jesse Eisenberg als Regisseur und Drehbuchverfasser selber spielt, nimmt Tabletten, ist danach zurückhaltend, verhaltend grundsätzlich und Benji, der sich mit Recht nicht Benjamin nennt, so kapriziös kommt er daher, immer für einen Witz gut und ein unsicherer Kantonist dazu, der gerne mit unpassenden Bemerkungen kleinere Runden sprengt. David schämt sich immer wieder für ihn und gleichzeitig kommt Benji mit manchem besser klar als der eingekastelte David, der für sich Gott und die Welt verantwortlich fühlt, was Benji einschließt.

 

Sie treffen sich auf dem Flughafen, fliegen nach Polen, wo sie sich einer gebuchten Reisegruppe anschließen und diese dann gegen Ende verlassen, um das Haus der verstorbenen Grußmutter in Lublin aufzusuchen. Und vor diesem Haus, also gen Ende des Films, passiert mit ihnen gar nichts. Das ist sehr wahrhaftig inszeniert, das kennen wir alle. In Filmen kommt normalerweise dann der große, überaus große Gefühlsausbruch. Aber wir kennen aus unseren Leben auch das Gegenteil. Daß man glaubte, jetzt käme bei einem selber die Tränen oder ein Zusammenbruch. Doch es passiert mit einem gar nicht. So ist es hier. Da kommen in David und Benji keine großen Gefühle auf. Ein schlichtes, verwahrlostes Haus mit Haustür. Doch bis dahin sind die Gefühle der beiden während der geführten Tour durch jüdische Erinnerungsorte Achterbahn gefahren. Gerade das gefällt an diesem Film, der so manche „Erinnerungskultur“ unterläuft, deshalb in Anführungszeichen, weil Kommerzialisierung zwar zum Begriff der Kultur paßt, nicht aber das persönliche Erinnern – und um das geht es den beiden Enkeln der polnischen Jüdin.

Mittler ist der Reiseführer James, ein sehr bemühter Commonwealthmitbürger aus England, der sich sehr gut vorbereitet hat und Historisches vorträgt, aber eben nicht als Betroffener spricht, während die Teilnehmer gerade deshalb diese Tour gebucht hatten, weil jeder einen individuellen Zug zum Thema: Juden in Polen, Judenvernichtung und polnische Erinnerungsorte hat. Welche genau das sind, kommt im Verlauf der wenigen Tage der Reise wie zufällig in Szene und gibt der Geschichte von David und Benji zusätzliches Gewicht. Benji ist der, der ausbricht. Er macht Szenen, verhält sich auffällig, weil er das Gemachte spürt und wie die ganze Gruppe damit umgeht. Das kann doch nicht alles sein, ordentlich wie auf einer Kunstfahrt die Orte abzuklappern, da muß doch ein Unterschied sein, ob man sich auf einer Touristenreise mit Sehenswürdigkeiten befindet oder eine der Erinnerung an die Verbrechen der Nazis und das Leid der polnischen Juden. Letzteres muß doch wehtun!! Und Benji bringt ein gutes Beispiel, wenn er ausgerechnet bei der angenehmen Zugfahrt durch Polen ausrastet und an die Judentransporte der Deutschen Reichsbahn erinnert, wo die Menschen wie Vieh zusammengepfercht – und auch das ist schon schlimm – ohne Essen und Trinken dahinvegetierten.

Immer wieder werden im Film Fragen gestellt, auf die wir uns selbst die Antworten geben müssen. Und immer wieder erkennen wir, daß nicht weniges abhängig ist vom Standpunkt und Schicksal des jeweiligen Individuums. Doch kommt der Film nicht so hölzern und schon gar nicht besserwisserisch daher, wie das jetzt klingt. Man muß nicht gleich von Woody Allen sprechen, aber A REAL PAIN ist immer wieder witzig, selbstironisch sowieso und von einer Humanität getragen, die es leicht macht, die beiden Cousins unterwegs in Polen mit Vergnügen zu begleiten, auch wenn doch das Thema so ernst, ja traurig ist. Hauptsache man stellt sich ihm.

 

Foto:
©Verleih

Info:
Besetzung
David     Jesse Eisenberg
Benji       Kieran Culkin
James    Will Sharpe
Marsha.  Jennifer Grey
Eloge      Kurt Egyiawan
Diane.    Liza Sadovy
Mark     Daniel Oreskes
Stab
Written and Directed by Jesse Eisenberg