4c11deb88165c1b45ddae6ce64af490fSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Januar 2025, Teil 5 

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Was inspiriert Sie an der Geschichte des Grafen von Monte Christo?

BB: Dumas‘ Roman ist das absolute Vorbild für unersättliche Rache und logischerweise ist der Film von Alexandre und Matthieu in meinen Augen in jeder Hinsicht ein Revenge Movie. Dennoch ist die Figur des Grafen von Monte Christo völlig ambivalent. Unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit ist er zu extremer Grausamkeit fähig, wobei er bei allen aneckt und Leichen seinen Weg pflastern.

PM: „Der Graf von Monte Christo“ ist für mich ein Kultbuch über Ungerechtigkeit und deren Bestrafung. Um sein Ziel zu erreichen, wird Edmond Dantès fast zu Gott. Als ich den Roman zur Vorbereitung auf meine Rolle noch einmal las, wurde mir bewusst, wie außerordentlich dicht er ist und wie gut die Adaption von Alexandre und Matthieu war: Sie haben alle wichtigen Aspekte des Buches beibehalten, sie aber auf spezifisch filmische Weise behandelt, elliptischer, schneller. Es ist ein unschätzbares Glück, dass Filme wie DER GRAF VON MONTE CHRISTO existieren können. Ich hoffe, immer mehr davon zu sehen, denn ich finde es wunderbar große populäre Filme aus Monumenten unseres literarischen Erbes zu machen. Unerhörte Romane, unerhörte Filme: Das Publikum sehnt sich danach!

LL: Ich habe DER GRAF VON MONTE CHRISTO immer als eine einfache Rachegeschichte gesehen, mit dem Unterhaltungsfaktor, den solche Filme haben können. Was der Film aber außerdem zum Ausdruck bringt, ist die Unzufriedenheit, die mit der Rache einhergeht. Obwohl Monte Christos perfekt ausgeklügelter Racheplan etwas Extravagantes an sich hat, ist seine Umsetzung niederschmetternd, weil er tief in seinem Inneren weiß, dass dadurch nichts wiedergutgemacht wird. Er lebt diese Rache fast wie eine Schwäche und geht bis zum Ende dieser Schwäche. Letztlich ist für ihn nichts mehr von Bedeutung. Ich fand diese durch den Film angestoßene Reflexion über die Nichtigkeit von Rache im Vergleich zur Gerechtigkeit sehr interessant.


Wie würden Sie Ihre jeweiligen Filmfiguren beschreiben?

BB: Wie alle „Schurken“ im Film hütet Fernand de Morcerf ein beschämendes Geheimnis, das ihn quält: Er hat in seiner Zeit beim Militär einen Mann verraten und dafür eine Auszeichnung erhalten. Er leidet auch an den Wunden, die er sich im Kampf zugezogen hat und die ihn in die Opiumsucht gebracht haben. Er hat körperlich abgebaut. Seine Ehe mit Mercédès ist auf einem bitteren Geheimnis aufgebaut, von dem sie nichts weiß, nämlich dass er seinen Freund Edmond Dantès verurteilen ließ, um sie heiraten zu können. Dieser Verrat lastet schwer auf Fernand. Seine körperlichen und seelischen Leiden haben Dostojewski-Charakter. Für einen Schauspieler ist es eine großartige Gelegenheit, eine solche Rolle zu spielen.

PM: Anders als im Roman ist Danglars im Film ein echter Seemann. Er ist ehrgeizig, verliert aber das Kommando über das Schiff Le Pharaon an Edmond Dantès. Er hat also allen Grund, neidisch auf ihn zu sein. Ich habe versucht, diese neue Dimension von Danglars hervorzuheben. Die eines Mannes, dessen Leben sich um das Meer dreht. Er hat sogar Tätowierungen auf seinen Händen, die ihn für immer an seine Herkunft erinnern, selbst wenn er Baron und Bankier geworden ist, genau wie ein ehemaliger Gefangener, der sein ganzes Leben lang Spuren seiner gewalttätigen Vergangenheit in sich trägt. Meine Inspiration fand ich bei Loup Larsen, dem grobschlächtigen Kapitän von Jack Londons „Der Seewolf“, und bei der Figur aus dem biblischen Buch der Prediger. Aber da Danglars von Geld besessen ist, was es ihm ermöglichte, sich gesellschaftlich zu rächen, dachte ich auch an die Figur Gordon Gekko, gespielt von Michael Douglas in WALL STREET (1987).

LL: Gérard de Villefort verkörpert die Macht der Institution. Er ist jemand, der seine Macht nicht demonstrieren muss, weil es sich um die Macht des Gesetzes handelt. Vor ihm haben alle Respekt, sogar die Mächtigen und Reichen. Anders als Bastien, dessen Figur Fernand aufgrund seiner Verletzung und Opiumabhängigkeit körperlich leidet, und Patrick, der als Parvenü einen extravaganten Danglars spielt, habe ich versucht, Villefort so gelassen wie möglich zu interpretieren. Ich habe eine eisige, fast reptilienartige Figur geschaffen, einen Mann, den niemand im Griff hat, weil seine Macht nicht auf Geld oder sozialem Status basiert, sondern auf dem Gesetz und der Art und Weise, wie er es zu seinem Vorteil nutzt. Erst in der Verhandlungsszene bricht er zusammen. Dort wendet sich die Lüge, die er erfunden hat, gegen
ihn und er muss sich dem Urteil der Gesellschaft stellen. Das Gespann, das Sie bilden, ähnelt Balzacs „menschlicher Komödie“ …

PM: Tatsächlich ist Danglars wie ein Cousin des Bankiers Du Tillet, der César Birotteau verrät. Der Film lässt uns in die Geschichten von sozialen Emporkömmlingen aus dem 19. Jahrhundert eintauchen, die sich durch ihren Reichtum einen Namen gemacht haben. Aber um einen glaubwürdigen Bösewicht zu spielen, muss man erklären, warum er so geworden ist. Es geht nicht darum, ihn zu verteidigen oder ihm eine vollendete Bosheit anzulasten. Seine Dunkelheit muss irgendeinen Ursprung haben. Im Fall von Danglars ist es das Gefühl der Herabwürdigung, das ihn antreibt und das er als Ungerechtigkeit empfindet. Wie die Figuren in Balzacs Werken werden diese drei Verräter zu Marionetten eines großen Manipulators, der hier Monte Christo ist. 

BB: Spiel und Fassade stehen im Mittelpunkt des Films. Ich liebe Bösewichte, aber für einen Schauspieler ist es viel interessanter, sie zu vermenschlichen und von einem ihrer Fehler, einem Riss, auszugehen, um ihre Komplexität zu verdeutlichen. Unser Glück war, dass im Gegensatz zu vielen anderen Filmen, in denen es den Nebenrollen an Seele mangelt, die Rollen in DER GRAF VON MONTE CHRISTO so ausgearbeitet waren, dass jeder Schauspieler seiner Figur Leben einhauchen konnte. Auch kleinere Rollen wie Dantès‘ Vater oder Abbé Faria bekommen genug Raum, um sich zu entfalten.

LL: Dumas‘ Roman und der Film von Alexandre und Matthieu zeichnen ein Bild der Julimonarchie, wunderbar veranschaulicht durch unser „Trio infernale“: Danglars ist ein Neureicher, Morcerf ein korrupter Offizier und Politiker, Villefort ein unehrlicher Richter. Ihre jeweiligen Positionen basieren auf einer großen gemeinsamen Verschwörung – der Verurteilung des unschuldigen Dantès – und auf ihren individuellen Lügen und Geheimnissen. Für Villefort ist es der Kindsmord, den er begangen hat. So düster sie auch sein mögen, diese drei laufen nie Gefahr, Karikaturen ihrer selbst zu werden, weil wir nie wissen, welche Entscheidung sie als nächstes treffen werden.


Wie war die Arbeit unter der Regie von Alexandre und Matthieu?

BB: Ich hatte sofort das Gefühl, dass die Regisseure uns großes Vertrauen entgegenbrachten, was für Schauspieler ein befreiendes Gefühl ist. Trotz des großen Budgets waren wir nie in einer Maschinerie steckengeblieben. Es gab eine enorme Energie von allen Beteiligten, die es dem Film ermöglichte, seine Spontanität zu bewahren. Wir drehten nach amerikanischem Vorbild: Die Schauspielerinnen und Schauspieler kamen, nachdem sie gelernt hatten und ihre Rolle kannten, und dann ging es nur darum, sich zu entfalten. Vor allem kommt es darauf an, dass man als Schauspieler weiß, was man zu tun hat. Uns haben der natürliche Look der Kostüme und die Qualität des Drehbuchs sehr dabei geholfen. Je besser ein Drehbuch geschrieben ist, desto einfacher ist es damit zu arbeiten. Ich bin eher körperlich, deswegen war für mich auch das Fechttraining ein wichtiger Teil. Es dauerte zwei volle Tage, um das letzte Duell mit Pierre zu drehen. Wir konnten nicht riskieren, uns den Knöchel zu verstauchen.

PM: Für Schauspieler gibt es nichts Schlimmeres als schwierige Dialoge. Wenn man sie nicht sagen kann, gibt es ein Problem! In diesem Fall waren die Dialoge, wie Bastien sagt, hervorragend geschrieben. Ob von Dumas übernommen oder von Alexandre und Matthieu erfunden, es ist die gleiche kraftvolle Sprache. Das Drehbuch bot eine gute Grundlage für die Verkörperung unserer Figuren. Wir mussten sie einfach zum Leben erwecken. Alexandre und Matthieu hatten eine ziemlich genaue Vorstellung von Danglars. Sie sahen in ihm einen im Grunde unberechenbaren Mann, eine Art gefährliches Tier, rasiermesserscharf, während ich ihn mir aufgrund seiner Karriere eher bürgerlich und bodenständig vorstellte. Sie hatten Recht: Auch als wohlhabender Geschäftsmann bleibt er gefährlich, als ob er stets auf der Hut vor allem ist, von dem eine Gefahr für sein Vermögen ausgeht.

LL: Der eher zurückhaltende Villefort, den ich Alexandre und Matthieu vorschlug, gefiel ihnen gut. Sie baten mich nur, gelegentlich etwas von seinen Gefühlen durchblicken zu lassen und an manchen Stellen die Maske der Gelassenheit zu durchbrechen, die ich gewählt hatte. Am Set gab es nicht viele Takes. Es mussten so viele Aufnahmen gedreht werden, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler immer auf „Action!“ vorbereitet sein mussten. Die Regisseure wussten jedoch, wie sie sich die Zeit einteilen mussten, damit am Ende das herauskam, was sie wollten. Der monumentale Charakter des Films war offensichtlich, aber seltsamerweise war er nicht lähmend. Es war ziemlich anregend für französische Schauspieler, denen sich selten die Gelegenheit bietet, an Projekten dieser Größenordnung zu arbeiten. Es ist das Schöne am Kino, zu sehen, wie eine riesige Maschinerie in Gang gesetzt wird, um eine Geschichte zu erzählen.


Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit der jüngeren Schauspielgeneration, deren Figuren in gewissem Sinne ihr umgekehrtes Spiegelbild sind?

PM: Ich habe sie bewundert, denn es ist nicht unbedingt einfach, einen so wichtigen Dreh neben erfahrenen Schauspielerinnen und Schauspielern zu meistern. Ich fand es schön, sie im Team zu haben, denn sie brachten so eine Heiterkeit mit. Gemeinsam bildeten wir eine richtige Truppe, von der auch ein sehr starker Gleichklang ausging: Jeder spielte seine Rolle mit unterschiedlichen Tönen, aber am Ende war es dieselbe Melodie, die von Dumas.

BB: Ich glaube, die „ältere“ Generation Schauspielerinnen und Schauspieler wollte das Vorurteil ihrer Distanz gegenüber der jüngeren Generation durchbrechen. Die Atmosphäre war also unkompliziert und freundlich. Es gab nicht das Team der „Älteren“ und das Team der „Jüngeren“. Es ist ein großes Glück unseres Berufs, Kolleginnen und Kollegen jeden Alters zu haben. Ich kann mit einem Teenager arbeiten, ohne zu ihm die gleiche Beziehung wie zu meinem Sohn zu haben. Das gesamte Team fühlte sich von einer Mission erfüllt, und alle hatten den Wunsch, sich voll auf den Film einzulassen, um Dumas und dieser wunderbaren Adaption gerecht zu werden.

LL: Ich war beeindruckt von der Leistung der jüngeren Generation am Set. Das Liebespaar, das Vassili und Anamaria bilden, ist wunderbar, und die Szene, in der er sie von Monte Christo wegholt, ist außerordentlich bewegend. Auch Julien strahlt trotz seines jungen Alters eine große Intensität aus. In der Gerichtsszene, in der er meine Figur entlarvt, gelingt ihm eine sehr zurückhaltende Emotionalität und er vergießt Tränen der kalten Wut, die sehr beeindruckend sind. Was Monte Christo nicht voraussehen konnte, ist, dass sich der Rachewunsch bei André anders äußert. Er ist jünger und hat einen anderen Weg hinter sich. Er hat nicht die gleiche Abhärtung erfahren. Seine Rache ist viel radikaler. Sie geht bis zum Dolchstoß. Auch hat Monte Christo nicht mit der Liebe gerechnet. Er warnt Haydée vor ihren Gefühlen für Albert und denkt, dass diese Warnung ausreicht, da er vergessen hat, wie man liebt. Welch ein Irrtum! Es hat mich bewegt zu sehen, wie diese wichtige romantische Komponente von einer neuen Schauspielgeneration vermittelt wird.