DAS RADIKAL BÖSE von Stefan Ruzowitzky im naxos.Kino Frankfurt,       Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Daß das laute und deutliche Neinsagen in Gruppen anderen Mut macht, auch nein zu sagen, hatten wir zwar auch beim erstmaligen Zuschauen empfunden, aber die Wirkung der hier für den Film nachgestellten Versuchsanordnungen, Milgram-, und Stanford-Prison- Experiment und das Konformitätsexperiment nach Asch, gab uns diesmal doch mehr als einen Funken Hoffnung, daß und wie sich dem Zwang, den so viele verspüren, sich einer Autorität oder Gruppe in seiner Meinung, Verhalten, ja Tat unterzuordnen und letztere bis zum Mord auszuführen, zu entgehen ist.

 

Beim Milgram-Experiment (Erster Versuch) versetzt die Versuchsperson als Lehrer einem Schüler (Schauspieler) elektrische Schläge, angeleitet von einem Versuchsleiter, der dem Probanden ständig die Notwendigkeit der Steigerung der Voltstärke durchaus sachlich mitteilte, wobei von 40 Probanden 26 Personen bis 450 Volt gingen, nur 14 das Experiment abbrachen. Die weiteren Experimente differenzieren die Ausgangssituation, indem mal der Schüler der ausübenden Versuchsperson bekannt war oder weitere emotionale Einflüsse die Anonymität der Handelnden störte.

 

Milgrams Lehrer, Solomon Asch, hatte 1951 in seinem Versuchsaufbau nur eine echte Versuchsperson, der vorgespiegelt wurde, die anderen – vom Versuchsleiter eingeweihten - Teilnehmer seien ebenfalls Versuchspersonen. Je größer diese Gruppen wurden, um so stärker ließ sich der echte Proband auf die - gespielte – Meinung der Gruppe ein, paßte sich der Mehrheit sogar dann bedingungslos an, wenn es um die Länge von Linien ging, die mit bloßem Auge eindeutig zu verifizieren waren, aber falsch beantwortet wurden, wenn Gruppenzwang gefühlt wurde.

 

Wenn nur einer aus dieser Gruppe gegenteilige Meinungen äußerte, trauen sich auch die Probanden, ihre eigene Meinung zu sagen. Je mehr sich zu gegenteiligen Äußerungen zusammenfanden, desto stärker haben die Probanden ihre eigene Einschätzung und Meinung angepaßt. Das sind eigentlich alte bekannte Experimente. Angewendet auf eine Erklärung für Massenmord durch „normale Männer“können sie natürlich nur eine psychologische Hilfestellung leisten, denen dann im Film der Psychiater Robert Lifton im Interview ein Fundament gibt, der 'Psychohistorie' betreibt, um mehr über Gehirnwäschen herauszubekommen, denen in einer Massenpsychose Angehörige einer Gruppe unterliegen.

 

Damit haben wir den Bereich vertieft, der in unserer ersten Besprechung zugunsten der nachgestellten Szenen im Film vernachlässigt wurde. Nach wie vor sind diese Szenen der Einsatzgruppen, der Täter, von Komparsen besetzt und die Erschießungen und Morde mit anderen Mitteln werden uns nicht gezeigt, sondern spiegeln sich beim Vorlesen der Briefe und Tagebucheinträge – wie schon ausgeführt – auf den Gesichtern der Schauspieler und hinterlassen in uns eine totale Schockstarre. Fortsetzung folgt.

Foto: Eine der erschütterndsten Szenen sind die des Versuchs und des Vollzugs einer Vergewaltigung in einem Hof, der von allen Seiten Menschen zuschauen, die nicht eingreifen. Da möchte man selbst im Kinosessel laut: "Halt!" rufen und dies unbedingt verhindern.

 

INFO:

 

Die dienstägliche derzeitige Filmreihe „überLeben“ können Sie unter www.naxos-kino.org verfolgen. Die nächste Vorstellung ist übermorgen, Dienstag, 19. August 2014 um 19.30 Uhr: MÜNCHEN 1970 – ALS DER TERROR ZU UNS KAM, ein Film von Georg M. Hafner

 

Unsere Filmbesprechung zu DAS RADIKAL BÖSE: http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/2446-das-radikal-boese