Vor der Berlinale 2025 (4)

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Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Kurzfilme, da denkt man doch zunächst daran, dass manche Werke so dürftig oder langweilig sind, dass man sie eigentlich straffen könnte. Oder die Teile der heutzutage so beliebten Serien kommen einem oft nur so vor, wie aufgeblasene, in die Länge gezogene Kurzfilme. 

 

Aber heute ging es um Filmkunst mit ihrer enormen Bandbreite. Einen ganzen Tag lang erzählten realistische oder animierte Shorts für Kinder oder Erwachsene die unterschiedlichsten Geschichten: Vom holländischen Marienkäfer, der seine Flügel verbummelte oder dem katalanischen Mädchen, das seine Beine nicht rasieren durfte. Dem ostgrönländischen Jungen, der seinen Schlittenhund suchte oder indonesischen Kindern, die einen eigenen Horrorfilm drehen.  

Diese Kurzfilme liefen heute in der Sektion Generation, die geteilt ist für Kinder, Kplus ab etwa acht Jahren und 14 Plusfür Kids im Teenageralter. In der Sektion Shorts, wie dort die kurzen Streifen heißen, ging es nachmittags gleich weiter mit kleinen mexikanischen Kindern, die damit leben müssen, dass Ihre Väter zwei Familien haben. Aber es gab auch echte Erwachsenenfilme über eine Frau, welche die serbischen Massaker in Srebrenica vor 30 Jahren überlebte und der Zeit danach erzählte. Oder einen großartig surrealen, aber eigentlich völlig unverständlichen Streifen, der helfende Menschen pries.

202516209 1 RWD 2400Diese Filme mit einer riesigen thematischen und cineastischen Bandbreite führten uns nicht nur durch die ganze Welt, auch zu vielen indigenen Völkern. Sondern sie werden auf der Berlinale immer in der Originalsprache gezeigt, meist mit englischen Untertiteln. Synchronisierte Streifen sind auf allen großen Festivals, auch in Cannes oder Venedig untersagt. 


Im großen Wettbewerb der Berlinale sind die Filme  jedoch immer auch auf Deutsch untertitelt. Jedes Jahr staune ich, wie schnell ich es wieder schaffe, die gehörte und gelesene Sprache zu verknüpfen. Manchmal habe ich schon gedacht, wieso sprechen die denn Deutsch… Diesen Prozess kann man lernen und beim Festival spüre ich ihn nur noch sehr selten – etwa dann, wenn unheimlich viel geredet wird und man wirklich ständig mitlesen muss. Aber Filme leben ja von ihren Bildern oder sollten es zumindest!

Natürlich musste ich mich wieder entscheiden, denn die Sektionen GenerationShorts und auch noch das Forumliefen parallel. Das einst als Gegenfestival gegründete Forum, mit seinen hochanspruchsvollen Arbeiten, ist seit 55 Jahren in die Berlinale integriert. Darüber werde ich noch schreiben, diese Sektion hat sich von Anfang an dem Wettbewerb verweigert und organisiert Gespräche und Auseinandersetzungen.

Die beiden anderen Sektionen sind offizieller Teil des Wettbewerbs, in der Generation werden gläserne Bären als Auszeichnung verliehen, für die Shorts Gold- und Silberbären.

Zum Schluss noch ein Zitat der langjährigen Leiterin der Sektion Shorts Maike Mia Höhne:
Der Kurzfilm ist radikal und frei. Manchmal auch kontrovers, aufrührerisch, an die Grenzen des Erträglichen, aber immer auch ans Herz gehend. Er ist so vielschichtig, wie die Bedingungen seiner Produktion, er kann sich als offene Frage präsentieren, als kühne These, als flüchtiger Gedanke oder als sorgfältig inszeniertes Drama. Ein Kurzfilm versenkt sich in die Welt, reißt dich atemlos von einem Abenteuer zum nächsten. Manchmal ist es eine Verbeugung vor dem Spielfilm, manchmal eine Suche nach einer einzigartigen Energie und Form“ 

(zitiert nach Peter Cowie, „Die Berlinale",  Berlin 2010)

Fotos:
Oben: Aus "Mothers child" © Naomi Noir
Unten: Aus "Akababuru" © Laura Rave Escalante, José Ramírez Hernández