Bildschirmfoto 2025 02 20 um 18.49.40Die 75. Internationalen Filmfestspiele Berlin, BERLINALE 2025, Wettbewerb Teil 22

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) - Wenn Donghwa (Ha Seongguk), ein Dichter in den Dreißigern, Junhee (Choi Sunhee) mit seinem kleinen alten Auto nach Hause fährt, so kann man erst einmal dem Gespräch und dem Verhalten nicht entnehmen, daß sie seit drei Jahren befreundet, ein Liebespaar sind. Noch nie hatte sie ihn ihren Eltern vorgestellt. Sie wohnt in einem größeren Anwesen auf einem Hügel, den ihr Vater für seine Mutter gestaltet hatte, die inzwischen verstorben ist. Als er sich von der Größe und der verschwenderischen Fülle der Natur im Garten und auch der vielen Hühner überrascht und erfreut zeigt, kommt sie auf die Idee, er solle sich doch gerne umsehen. An das Haus, das er groß und feudal nennt, denkt sie dabei nicht, denn sie hat nicht vor, daß er ihre Eltern kennenlernt.

Doch da kommt ihr Vater Choi Sunhee (Cho Yunhee) daher, der sich überrascht zeigt, als er hört, daß die beiden schon drei Jahre befreundet sind und lädt den jungen Mann ein, den Tag bei ihnen zu verbringen und erst einmal zum Mittagessen in ein sehr gutes Restaurant zu fahren und zum Abendessen am Familientisch dabei zu sein, er wolle kochen. Die ältere Schwester, derzeit zu Hause, weil sie beziehungsgeschädigt eine Art von Depressionen hat, soll mit und die drei sollen den Nachmittag in der Natur verbringen und den buddhistischen Tempel am Fluß besuchen. So geschieht es. Donghwa ist enthusiasmiert, sowohl vom Essen, wie auch von dem, das was er sieht und eben auch, wie ihn die Eltern seiner Freundin aufnehmen. Er hatte schon zuvor gehört, daß Junhees Mutter ebenfalls Dichterin ist und im Wohnzimmer hat ihr Mann Gedichte von ihr gerahmt aufgehängt.

Man hat beim Zuschauen ständig das Gefühl, daß irgendetwas Schreckliches oder Größes komme, dabei verläuft alles zivilisiert, ja besonders nett. Der Vater will dem jungen Mann auf den Zahn fühlen, wickelt ihn mit Komplimenten ein, wie seinem schönen Bart etc., aber man wird das Gefühl nicht los, daß da was im Busch ist. Er nimmt ihn mit zur Spitze des Hügels, wo die Asche seiner Mutter vergraben ist und sie unterhalten sich intensiv, aber irgendwie auch künstlich oberflächlich. Aufgefallen ist, daß Donghwa seine Brille meist an seinem T-Shirt eingehakt hat und die Kamera etwas leicht Verschwommenes hat, das sich auf scharf stellt, wenn er die Brille aufsetzt. Hat das außer optischen auch ideologische Gründe, die eine Aussage zu ihm oder zum Film beinhalten? Er ist sichtlich angetan, ja regelrecht geschmeichelt und etwas eitel für wie wichtig ihn der Hausherr nimmt, wobei wir Zuschauer empfinden, daß der Hausherr dies genau aus Absicht tut, um ihn irgendwann auflaufen zu lassen.

Nach dem Mittagsausflug, wird das gemeinsame Abendessen der Hauptteil des Films. Der Tisch biegt sich, seltsamerweise ohne Tischtuch, ist das so üblich?, es ist ein Hühnereintopf, der sehr gut schmecken soll und der Donghwa so mundet, daß er nicht aufhört zu essen. Das wäre nicht das Problem, der Vater hat eine Flasche hervorgeholt, die schnell geleert ist und zu einer zweiten führt; es muß sich um Kurze handeln, die die beiden Männer auf ex herunterstürzen, während die Mutter und Tochter Rotwein trinken und die Schwester einen Saft. Man muß den Eindruck gewinnen, daß der Vater Donghwa besoffen machen will, denn er gießt unaufhörlich nach. Allerdings wäre es schon längst nicht mehr unhöflich, wenn der immer berauschter werdende Dichter die weiteren Kurzen ablehnte. Was er nicht tut. Aber auch seine Freundin, die ja seine Redseligkeit und sein Betrunkenwerden miterlebt, hält ihn nicht vom weiteren Trinken und weiteren Ausfällen ab.

Die Gespräche bei Tisch handeln von Allerlei, aber zwei Themen schälen sich als die heraus, die immer wieder von vorne beginnen. Das eine ist sein Status als Sohn eines reichen Mannes, der seinem Sohn Geld geben könnte. Aber deshalb war Donghwa ja zu Hause ausgezogen, weil er nicht abhängig sein will. Das Gespräch dreht sich darum, was man zum Leben braucht. Donghwa betont, wie wenig er braucht und wie zufrieden er mit dem Wenigen ist. Keine Rolle spielt dabei Junhee, die auch nichts dazu sagt, ob sie, aufgewachsen in diesem wohlhabenden Elternhaus, auch ohne Luxus leben will, denn die Gespräche, das ist ganz klar, legen den potentiellen Schwiegersohn auf den Sezierteller der Eltern, die – was man verstehen kann – wissen wollen, wie potent der potentielle Schwiegersohn ist. Die Fragerei ist wirklich impertinent, aber das Verhalten des Dichters unangemessen. Er wird immer betrunkener und schreit auf einmal in einem Anfall seine Unlust, sich über so etwas zu unterhalten und von seinem Vater Geld nehmen zu sollen, laut heraus. Peinlich. Und peinlich berührt sind auch die Eltern, während die beiden Schwestern schweigen.

Bei den Gesprächen über Gedichte sieht es nicht anders aus. Die Mutter bittet Donghwa etwas vorzutragen, was der derart stümperhaft und sich wiederholend von sich gibt, daß die Mutter nachher dem Vater sagen wird, seine Gedichte hätten keine Struktur, er könne nichts.

Überhaupt ist ein Höhepunkt, wenn der angetrunkene Dichter längst im Bett liegt und sich die Eltern die Nacht über trinkend und redend über ihn auslassen. Eigentlich erstaunlich, daß sie ihn nicht mehr abqualifizieren, denn es ist keine Rede davon, daß sie ihre Tochter motivieren wollen, auf diesen Donghwa zu verzichten. Entweder haben sie genug Vertrauen in ihre Tochter, daß diese die Nullnummer Donghwa selbst erkennt oder es ist auch in Korea nicht mehr möglich, daß Eltern so in den Lebensweg der Kinder eingreifen, daß sie die Freunde und potentiellen Ehemänner madig machen, wobei man weiß, daß derartiger Elternprotest der dickste Kitt zwischen dem Paar wäre.

Am nächsten Morgen fährt Donghwa nach Hause, doch unterwegs streikt sein Auto, er muß telefonisch um Reparatur ansuchen und wieder zieht er die Brille auf und ab und unser Blick wird scharf oder verschwimmt im Ungefähren. Der Film wirkt wie ein echtes Treffen, sehr natürlich und in den unterschiedlichen Interessen der Protagonisten sehr wahrhaftig. Sicher kommt diese Eindruck auch daher, daß der Regisseur Hong Sangsoo alles im Blick hat und für alles selbst zuständig war, vgl. unten der Stab. Das ist im Filmgeschäft höchst selten. 


Foto:
©Berlinale

Info:
Stab
Regie.   Hong Sangsoo
Buch.   Hong Sangsoo
Kamera.  Hong Sangsoo
Montage.  Hong Sangsoo
Musik.   Hong Sangsoo
Sound Design. Hong Sangsoo
Produzent*in  Hong Sangsoo

Mit
Ha Seongguk(Ha Donghwa)
Kwon Haehyo(Kim Oryeong)
Cho Yunhee(Choi Sunhee)
Kang Soyi(Kim Junhee)
Park Miso(Kim Neunghee)