Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Februar 2025, Teil 2
Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sidse Babett Knudsen spielt fantastisch und viele Wendungen der Geschichte lassen sich an ihren extrem ausdrucksstarken Gesichtszügen ablesen. Dennoch bleibt sie auch stets etwas verschlossen. Wie haben Sie das während des Drehs mit ihr besprochen?
Zunächst haben Sidse und ich sehr lange über das Drehbuch gesprochen, da sie sehr früh zu unserem Projekt hinzu kam. Wir haben sehr viele Ideen ausgetauscht über die Vergangenheit ihrer
Figur, ihre Gefühle und wer sie außerhalb des Gefängnisses ist. Dennoch haben wir das Drehbuch
an vielen Stellen vage gehalten. Sidses Spiel ist so subtil und nuanciert, dass es dem Publikum
genug Raum lässt, seine eigenen Emotionen auf sie zu projizieren. Als sie beispielsweise
gewalttätig gegenüber Mikkel wird, sehen wir eine Frau die aufgebracht aber auch verängstigt ist,
sie ist stolz und beschämt zugleich von ihrer Tat. Das spielt sie großartig. Meine Aufgabe als
Regisseur war es, ihr den Platz zu geben, um das zu tun und mich um die Szene im Ganzen zu
kümmern.
Wie verlief der Casting-Prozess für Sebastian Bull, der Mikkel spielt. Wie war die Zusammenarbeit?
Ich wollte jemanden, der zugleich kindlich als auch gefährlich wirkt. Eva hatte ich vom ersten Tag an für Sidse Babett Knudsen geschrieben, bei Mikkel haben wir länger suchen müssen. Ich glaube,
wir haben so ziemlich jeden dänischen Schauspieler zwischen 20 und 35 vorsprechen lassen.
Dann kam Sebastian Bull mit seiner gleichermaßen kindlichen wie gewalttätigen Energie. Er war
genau was ich suchte, sowohl vom Aussehen als auch Verhalten. Er hat darüber hinaus diese
leicht irre Präsenz und eine natürliche Ausstrahlung. Die Arbeit mit Sebastian drehte sich um die
Vergangenheit seines Charakters und vor allem um die physische Ebene der Darstellung. Woher
kommt dessen Wut, was macht das Gefangensein mit deinem Körper und deiner Körpersprache.
Am Set ging es vor allem darum, ihm eine passende Atmosphäre zu schaffen und ich denke, er hat
einen tollen Job gemacht.
Haben die beiden Hauptdarsteller viel mit einander geprobt? Haben sie sich schon vor den Dreharbeiten kennengelernt?
Nur in der Schlussphase kurz vor Drehbeginn. Zuvor haben die beiden kaum zusammen geprobt.
Ich wollte, dass es sich authentisch anfühlt, dass sie sich zum ersten Mal sehen und nicht eingeübt.
Das ist ohnehin meine Herangehensweise, aber es ergab auch im Kontext der Handlung Sinn. Die
beiden Figuren kennen sich nicht und beide Schauspieler sollten sehr unterschiedliche
Stimmungen ans Set bringen, die wir verloren hätten, wenn alles vorher einstudiert gewesen wäre.
Wo wurde der Film gedreht?
Wir haben fast alles im Vridsløselille gedreht, einem Gefängnis am Rande von Kopenhagen, das
2018 geschlossen wurde. Wir haben dann ein paar andere Schauplätze ergänzt, zum Beispiel
einen unterirdischen Gang eines Krankenhauses, eine Kapelle aus Beton und eine verlassene
Fabrik. So wollten wir dem Gefängnis eine größere Dimension geben und ein fast labyrinthisches
Erscheinungsbild. Die Set-Designerin Kristina Kovacs hat fantastische Arbeit geleistet, all diese
unterschiedlichen Räume als Teil eines Komplexes wirken zu lassen.
Sie finden sehr interessante Wege dieses besondere Setting zu stilisieren und weiter zu entwickeln. Wie verlief die Zusammenarbeit mit dem Kameramann?
Meine Set-Designerin Kristina, Kameramann Jasper Spanning und ich arbeiteten fast von Beginn
des Projekts an zusammen. Wir sprachen über die visuellen Ideen, das Licht und die
Handlungsorte noch währen das Drehbuch geschrieben wurde. Später haben Jasper und ich
begonnen, das Skript in Szenen zu unterteilen und zu überlegen, wo jeweils die Kamera stehen
sollte. Wir haben in den letzten Jahren oft zusammengearbeitet und der Ausgangspunkt war stets
derselbe. Der Zustand des Hauptcharakters entscheidet, wie wir eine Szene oder Sequenz drehen.
Das haben wir bei DIE WÄRTERIN genauso gemacht, aber wir wollten die Grenzen ein wenig
verschieben im Vergleich zu früheren Projekten. So verändert sich beispielsweise die Ausleuchtung
passend zu Evas Gemütszustand innerhalb einer Szene und es gibt ein paar surreale Momente.
Wieso haben Sie sich für das 4:3-Format entschieden?
Das Format eignet sich perfekt, um lange enge Gänge darzustellen… und davon haben wir jede
Menge im Film. Wir haben ein paar Testaufnahmen mit Sidse in verschiedenen Formaten gemacht
und das „Academy“-Seitenverhältnis fühlte sich einfach richtig an. Das enge Bild in Verbindung mit
dem sehr breiten Dolby Atmos-Sound fängt das Gefühl innerhalb eines Gefängnisses sehr gut ein.
Es ist ein klaustrophobisches Unbehagen bei dem man nicht weiß, was hinter der nächsten Ecke
auf einen wartet. Das enge Format und der umfassende Ton sorgen außerdem dafür, dass man
sich auf Eva fokussiert, deren Umgebung nur angedeutet wird.
Ihr Vorgängerfilm THE GUILTY ließ die meiste Action außerhalb des Gezeigten passieren. DIE WÄRTERIN hat hingegen einige ziemlich grafische Gewaltdarstellungen. Was
interessiert sie an dieser Herangehensweise?
Ich habe per se kein Interesse an Gewaltdarstellungen, aber dieser Film spielt in einer sehr
brutalen Umgebung und viel von Evas Charakterentwicklung ist eng verbunden mit dieser Gewalt.
Sie hat einen spürbaren Effekt auf Eva, die Brutalität verändert sie auch physisch. Sie verschiebt
ihre Grenzen und Moralvorstellungen und wird schließlich Teil ihrer Veränderung als Person. In
diesen entscheidenden Momenten möchte ich nicht wegschauen oder verharmlosen, ich möchte
das Publikum in Evas Lage versetzen.
Foto:
©Verleih
Info:
- Darsteller -
Eva Sidse Babett Knudsen
Mikkel Sebastian Bull
Rami Dar Salim
Helle Marina Bouras
Gefängnisdirektor Olaf Johannessen
Priester Jacob Lohmann
- Stab -
Regie Gustav Möller
Drehbuch Gustav Möller, Emil
Nygaard Albertsen
Kamera Jasper J. Spanning