Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. Februar 2025, Teil 10
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Noch nie hatte ich von der tschechischen Fotografin Libuše Jarcovjáková, geb. 1952, gehört und sehe dann in einem kleinen Mac mittels eines Sichtungslinks einen am Donnerstag in den Kinos angelaufenen Film über sie, der mich aufgrund von rasenden Filmsequenzen, die ich erst einmal für Fehler halte, gekoppelt mit immer wieder schwarzem Bildschirm so interessiert, so daß ich immer wieder zurück...spule hätte man bei einem Tonband gesagt, also den Zeitanzeiger zurückschiebe, manchmal auch, weil ich den Text nicht rechtzeitig las, denn das ist ein Film, der wie in einer Dia-Show die Fotografien hintereinander abbildet, mal im rasenden Wechsel, manchmal verweilend und bei letzteren immer wieder Textpassagen einblendet, die aus den Tausenden von Tagebuchseiten der Fotografin stammen.
Die tschechische Regisseurin Klára Tasovská hat einen sehr ungewöhnlichen Film gestaltet und das über eine ungewöhnliche Fotografin, der jegliche Camouflage fremd ist und das bezieht sich jetzt nicht nur auf Schminke und äußere Verschönerungen mittels Kleidung, sondern daß diese den lateinischen Spruch carpe diem derart abgewandelt hat, daß sie den Augenblick, die Zehntelsekunde für die Ewigkeit festhält, irgendeinen Augenblick, ungeschönt, zufällig, oft verwischt, verwackelt, also weder einen ‚richtigen‘ Bildausschnitt wählt noch Bildschärfe zum Ziel hat. Dadurch geht von den Fotos eine derartige Authentizität aus, die oft gekoppelt ist mit Häßlichkeit, auf jeden Fall ungeschönt, so daß man unwillkürlich ein Gefühl von Wahrheit empfindet. Sicher auch deshalb, weil wir ja gerade in Zeiten leben, wo der Fotografie als Werbeträger, also der gestylten und mit Beleuchtung und Kleidung atmosphärisch aufgebrezelten Inszenierung mittels fotografischem ‚Beweis‘ eine derart große Bedeutung zukommt.
Der Film zeichnet chronologisch die Fotografien und ihre Entstehung nach. Das bedeutet von Anfang an, die Verschränkung von Leben und Fotografieren, die erst einmal aus Leidenschaft geschieht, denn es wird für die junge Libuše Jarcovjáková, die seit der Jugendzeit fotografiert, später nicht einfach, das Fotografieren auch offiziell erlernen zu dürfen. Ihre Eltern, beide Maler, gelten der kommunistischen Tschechoslowakei als eher systemfeindlich verdächtig und das junge Mädchen, die junge Frau wird sich von Anfang an in den Zwischenräumen aufhalten, in den verschwiegenen und verstiegenen Clubs und Kneipen im Schwulenmilieu, zu dem wir heute LFBT-Szene sagen, wo sie unaufhörlich knipst, genauso wie auf der Straße. Und weil in einer ein Mord geschieht, die Polizei die Fotos sehen will und sie zur Mitarbeit, d.h. Spitzeldienst auffordert, wird sie dort das Fotografieren lassen.
Und später wird sie beauftragt, die ausländischen Arbeiter zu fotografieren, die aus Vietnam in die Tschechoslowakei gekommen sind. Minderheiten gilt zuvörderst ihr fotografischer Blick. Eigentlich hat sie die Kamera immer vor dem Auge, denkt man, wenn man die Tausenden Bilder sieht, die ja lange, lange im traditionellen Verfahren aufs Papier gebracht wurden: in der Dunkelkammer muß der belichtete Film, also die Negative mit dem Vergrößerer auf Fotopapier projiziert werden, dieses dann im chemischen Entwicklerbad zum eigentlichen Foto erscheinen, was fixiert werden muß. Erst studiert Libuše Jarcovjáková Grafik, bis sie 1977 endlich zum Fotografikstudium zugelassen wird, das sie 1982 abschließt.
Doch dies wird im Film nur erwähnt, denn er entwickelt sich entlang den Freundschaften und Reisen, die aus diesen entstehen. So lernt sie eine Frau kennen, die in Japan verheiratet ist und sie 1979 einlädt, wo sie erst begeistert durch viele Wohnungen weitergereicht wird, dann aber nach Monaten aus Einsamkeit zurückwill. Japan wird für sie ein Sehnsuchtsort bleiben und 1986 hat sie dort mit rasanten Modefotografien eine richtige Fotografenkarriere. Doch ist das nicht das, was sie will. Sie war in Berlin, wohin sie wieder geht und dort auch den Fall der Mauer erlebt, was in der Folge auch bedeutet, daß sie in ihre nun freie Heimat zurückkehren wird, wo sie bleibt und nach und nach als Fotografin reüssiert, anerkannt und mit professoraler Würde.
Doch das interessiert den Film nicht mehr, der ihr Werden und ihre Aufmerksamkeit für Randgruppen der Gesellschaft in Verbindung mit ihrer Fotografietechnik und ihrem Leben, denen das Fotografieren folgt, zum Thema hat.
Zwei Dinge sind noch unbedingt anzumerken! Von Anfang an ist sie ihr bevorzugtes Objekt vor der Linse. Wie sie das macht, wird nicht hinterfragt. Es gibt genug sehr gute Maler, die genauso verfahren, sich selber porträtierten, nicht aus Geltungssucht, sondern weil sie an ihnen selbst einfach mehr erproben können. Aber seltsam ist, daß der Film das an keiner Stelle thematisiert.
Das andere ist eher komisch, aber dann doch aussagekräftig. In dem, was man in den Äußerungen zum film hervorgehoben hat und was auch die Regisseurin in ihrem Interview anmerkt, ist die besondere Art des Tons, der Musik, des Zusammenhangs von ton und bild das Außerordentliche dieses Films. Mag sein, ich mußte, da die Tonspur im Gerät ausgefallen war, dies in völliger Stille anschauen. Filme ohne Ton sind seltsam, weshalb einst beim Stummfilm lebendige Musik gemacht wurde. Wenn aber der Film schon so gefiel und auffiel, wie muß er erst mit Ton wirken!
Das kann man in einigen Kinos der Republik überprüfen, siehe unten.
Foto:
©Verleih
Info:
Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte
ein Film von Klára Tasovská
Tschechien/Slowakei/Österreich 2024, 90 Minuten, tschechische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Kinostart: 27. Februar 2025
FSK: 16
Stab
Regie Klára Tasovská
Drehbuch. Klára Tasovská & Alexander Kashcheev
Fotos & Tagebücher. Libuše Jarcovjáková
Schnitt. Alexander Kashcheev
Musik. Oliver Torr, Prokob Korb (badfocus) & Adam Matej
Sound Design. Alexander Kashcheev, Michaela Patríková
Tonmischung. Michaela Patríková
Dramaturgie. Viera Čákanyová & Eva Dvořáková
Koproduzenten. Jakub Viktorín & Ralph Wieser
Produzent:innen. Lukáš Kokeš, Klára Tasovská
KINOSTART AM 27. FEBRUAR
Bamberg
Odeon
Samstag, 1. März & Sonntag, 2. März um 14:00 Uhr
Berlin
fsk Kino
am Dienstag, 25. Februar um 20:00 Uhr in Anwesenheit der Fotografin Libuše Jarcovjáková & der Regisseurin Klára Tasovská / ab Donnerstag, 27. Februar täglich um 18:00 Uhr
Kino Krokodil
am Freitag, 28. Februar um 18:30 Uhr in Anwesenheit der Fotografin Libuše Jarcovjáková / Donnerstag, 27. Februar um 19:30 Uhr / Samstag, 1. März um 19:00 Uhr / Sonntag, 2. März, Montag, 3. März & Dienstag, 4. März um 19:15 Uhr / Mittwoch, 5. März um 18:00 Uhr
KLICK Kino
ab Samstag, 1. März
Lichtblick Kino
Donnerstag, 27. Februar um 18:00 Uhr / Samstag, 1. März um 17:30 Uhr / Sonntag, 2. März um 16:45 Uhr / Montag, 3. März um 22:30 Uhr / Mittwoch, 5. März um 18:15 Uhr / Montag, 10. März um 18:15 Uhr / Dienstag, 11. März um 21:45 Uhr / Mittwoch, 12. März um 21:45 Uhr / Montag, 17. März um 21:30 Uhr / Dienstag, 18. März um 18:30 Uhr / Mittwoch, 19. März um 18:30 Uhr
Tilsiter Lichtspiele
ab Donnerstag, 27. Februar täglich um 17:50 Uhr / ab Donnerstag, 6. März täglich 16:15 Uhr (außer Samstag, 8. März & Sonntag, 9. März um 14:00 Uhr) / ab Donnerstag, 13. März täglich 16:00 Uhr (außer Samstag, 8. März & Sonntag, 9. März um 14:00 Uhr)
Darmstadt
Rex
am Montag, 30. Juni
Dresden
Zentralkino
Freitag, 28. Februar um 13:15 Uhr / Sonntag, 2. März um 17:00 Uhr / Dienstag, 4. März um 15:00 Uhr / Mittwoch, 5. März um 18:45 Uhr
Düsseldorf
Metropol
Donnerstag, 27. Februar bis Sonntag, 2. März um 14:30 Uhr
Frankfurt am Main
Mal Seh'n Kino
Sonntag, 2. März, Sonntag, 9. März, Sonntag, 16. März & Sonntag, 23. März um 14:00 Uhr
Görlitz
Camillo Kino
am Montag, 3. März um 20:00 Uhr
Halle (Saale)
Zazie Kino & Bar
Montag, 10. März bis Mittwoch, 12. März um 18:00 Uhr
Hamburg
3001 Kino
Preview am Dienstag, 25. Februar um 19:00 Uhr / Samstag, 1. März um 16:00 Uhr / Sonntag, 2. März & Montag, 3. März um 16:30 Uhr / Mittwoch, 5. März um 17:00 Uhr
Abaton Kino
Donnerstag, 27. Februar um 17:10 Uhr / Samstag, 1. März um 13:30 Uhr / Montag, 3. März um 17:20 Uhr / Mittwoch, 5. März um 15:00 Uhr
Studio Kino
Samstag, 1. März & Sonntag, 2. März um 14:30 Uhr / Montag, 3. März um 17:00 Uhr
Hannover
Kino am Raschplatz
Samstag, 1. März & Sonntag, 2. März um 11:45 Uhr / Samstag, 8. März & Sonntag, 9. März
Heidelberg
Karlstorkino
Donnerstag, 6. März um 19:00 Uhr / Sonntag, 16. März um 20:00 Uhr / Montag, 17. März um 19:00 Uhr
Karlsruhe
Kinemathek
Freitag, 7. März um 19:00 Uhr / Samstag, 8. März & Sonntag, 9. März um 17:15 Uhr / Samstag, 15. März & Samstag, 22. März um 15:00 Uhr / Donnerstag, 27. März um 17:00 Uhr
Leipzig
Cineding
Freitag, 7. März & Samstag, 8. März um 21:30 Uhr
Cinémathèque
Donnerstag, 27. Februar um 19:30 Uhr / Samstag, 1. März um 21:00 Uhr / Dienstag, 4. März, Mittwoch, 5. März & Donnerstag, 6. März um 19:00 Uhr
Kinobar Prager Frühling
am Samstag, 8. März um 17:45 Uhr
München
Theatiner
Sonntag, 2. März um 11:45 Uhr / Dienstag, 4. März um 18:00 Uhr / Mittwoch, 5. März um 20:00 Uhr
Münster (Westfalen)
Cinema
Donnerstag, 27. Februar & Mittwoch, 5. März um 17:40 Uhr / Sonntag, 2. März um 10:45 Uhr
Nürnberg
Filmhaus
ab Donnerstag, 27. Februar täglich um 20:00 Uhr (Sonntag, 2. März zusätzlich um 11:00 Uhr) / Donnerstag, 6. März & Freitag, 7. März um 20:00 Uhr
Oldenburg
Cine k
am Montag, 10. März um 18:00 Uhr
Regensburg
Wintergarten
ab Donnerstag, 27. Februar täglich um 15:30 Uhr