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Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Das Konzept des Bruttonationalglücks lehnt sich an den Begriff des Bruttonationaleinkommens an. Anders als dieser quantitätsorientierte Indikator zielt das Bruttonationalglück darauf ab, die Qualität des Lebensstandards zu definieren. Es dient als Messwert für das Wohlergehen eines gesamten Volkes.

In der Geschichte Bhutans tauchte der Glücksbegriff schon sehr früh auf, bereits im Rechtskodex aus dem Jahr 1629 heißt es: „Wenn die Regierung kein Glück für ihr Volk schaffen kann, dann gibt es keinen Grund für die Existenz der Regierung." Der Begriff des Bruttonationalglücks wurde erstmals 1979 durch Jigme Singye Wangchuck erwähnt, den vierten König Bhutans. Der zu dieser Zeit noch junge Monarch stellte das vorherrschende System in Frage, das davon ausging, dass allein das Bruttoinlandsprodukt einer Gesellschaft Glück und Wohlstand bringen könne. Die Erwähnung im Rahmen eines Interviews war jedoch zunächst eine spontane Reaktion des Königs und mehr als Wortspiel denn als richtiggehendes Konzept zu verstehen. So führte der Begriff zunächst 20 Jahre einen Dornröschenschlaf, bis er schließlich 1997 im Rahmen eines Fünfjahresplans Erwähnung fand. Ein Jahr später konkretisierte Premierminister Jigme Thinley den Begriff, indem er eine Definition der vier Säulen des Bruttonationalglücks vorlegte. 2008 verkündete der König die Einführung einer Verfassung mit dem Ziel, Bhutan zu einer demokratischkonstitutionellen Monarchie zu machen. Diese stellte in Artikel 9 auch die Einbeziehung und Kontinuität der Werte des Bruttonationalglücks sicher. In Folge wurde von der bhutanischen Regierung eine Kommission für das Bruttonationalglück eingesetzt. Diese wurde im Oktober 2022 aufgelöst und ihre Aufgabengebiete in das Regierungskabinett und in das Finanzministerium eingegliedert.


Die vier Säulen des Bruttonationalglücks sind:
- Die Förderung einer sozial gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung: Familie, Freizeit und Erholung sind wichtige Faktoren für das Glück.
- Die Bewahrung und Förderung kultureller Werte: Die Erhaltung der bhutanischen Kultur trägt zum Glück bei. Hier spielt die Entwicklung kultureller Resilienz eine Rolle, die als die Fähigkeit einer Kultur verstanden wird, ihre kulturelle Identität, ihr Wissen und ihre kulturellen Praktiken zu bewahren und weiterzuentwickeln.
- Der Schutz der Umwelt: Umweltschutz wird als wichtiger Beitrag zum Bruttonationalglück angesehen, zum Wohle der jetzigen und zukünftigen Generationen. Denn die Natur befriedigt nicht nur Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wasser und Energie, sondern verschafft dem Menschen auch Erholung und Heilung.
- Gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen: Die Politik setzt die Regeln fest, die das Leben der Einwohner Bhutans bestimmen.


Das Ziel des Bruttonationalglücks ist es, nicht nur die materielle, sondern auch die kulturelle und spirituelle Entwicklung der Gesellschaft zu fördern und die Lebensbedingungen der weniger glücklichen Gesellschaftsmitglieder zu verbessern. Das Konzept des Bruttonationalglücks wird heute als multidimensionaler Entwicklungsansatz definiert, der ein harmonisches Gleichgewicht zwischen materiellem Wohlstand und den spirituellen, emotionalen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft anstrebt.

Im Laufe der Jahre hat sich das Bruttonationalglück von einem hehren Ziel zu einem quantifizierbaren Instrument entwickelt. Es sollte messbar werden, um die angestrebte Entwicklung als erklärtes Ziel der Regierung zu verwirklichen. So erdachte das Zentrum für Bhutanstudien im Jahr 2005 verschiedene Indikatoren, die in einen Fragebogen einflossen. 2008 fand die erste offiziell durchgeführte Bruttonationalglück-Befragung der Bevölkerung Bhutans unter 950 Teilnehmern statt, der Fragebogen enthielt 750 Fragen, die sowohl subjektiver als auch objektiver und offener Art waren. Dies führte zur Erstellung eines ersten Index, der aufgrund der geringen Teilnehmerzahl jedoch nicht als valide galt.

Der Fragebogen umfasst neun Themengebiete, die sich aus den genannten vier Säulen des Bruttonationalglücks ergeben. Diese wiederum werden in 33 Indikatoren untergliedert, die sowohl die objektiven als auch die subjektiven Dimensionen des Lebens erfassen. Die Befragung der Bevölkerung verläuft nach dem Zufallsprinzip, wobei das Mindestalter für die Beantwortung 15 Jahre beträgt. 

Die neun Themengebiete des Fragebogens sind:
- Das psychische Wohlbefinden mit den Indikatoren Lebenszufriedenheit, positiven und negativen Emotionen sowie Spiritualität.
- Gesundheit mit dem selbstbeschriebenen Gesundheitszustand, Langzeit-Behinderungen und mentale Gesundheit.
- Zeitnutzung mit den Aspekten Arbeit und Schlaf.
- Bildung im Hinblick auf Ausbildungsqualifikationen, Wissen und Werte.
- Kulturelle Vielfalt und Resilienz im Hinblick auf die Sprache, kunsthandwerkliche Fähigkeiten, soziokulturelle Partizipation und den offiziellen Kodex für Kleidung und Benehmen.
- Gute Regierungsführung im Hinblick auf politische Partizipation, politische Freiheit, Dienstleistungserbringung und Leistungen der Regierung.
- Lebendigkeit der Gemeinschaft mit Fokus auf sozialer Unterstützung, Verhältnis zur Gemeinschaft, Familie und Opfer von Kriminalität.
- Ökologische Vielfalt und Resilienz mit Fokus auf Umweltverschmutzung, Verantwortung für die Umwelt und städtische Probleme.
- Lebensstandards mit den Aspekten Kapital, Unterkunft und Pro-Kopf-Einkommen des Haushalts.

Die Auswertung der Befragung erfolgt durch Gewichtungen und Schwellen. Den objektiven Indikatoren der Befragung kommt dabei ein stärkeres Gewicht zu als den subjektiven (wie etwa dem selbstbeschriebenen Gesundheitszustand). Die Auswertung liefert einen Index zwischen 0 und 1 und definiert zwei Gruppen: die der „glücklichen“ und die der „noch-nicht glücklichen“ Menschen. Für letztere wird zudem berechnet, wie viele Punkte ihnen noch fehlen, bis sie als „glücklich“ gelten.


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Quellen / weitere Informationen: https://www.gnhcentrebhutan.org/ https://de.wikipedia.org/wiki/Bruttonationalgl%C3%BCck