prima1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. Juli 2025, Teil 7

Redaktion 

Berlin (Weltexpresso) - Was hat Sie persönlich dazu bewegt, einen Dokumentarfilm über die Welt der Oper und insbesondere über diese drei Sängerinnen zu drehen?
Musik begleitet mich, seit ich denken kann. Ich bin mit Konzerten aufgewachsen, habe selbst Geige gespielt und früh erlebt, wie sehr über das Geschehen auf der Bühne geurteilt wird - besonders über
Sängerinnen. Mit Primadonna or Nothing wollte ich hinter die Fassade einer Kunstform blicken, die nach außen makellos wirkt, im Inneren aber von extremem Erwartungsdruck geprägt ist. Mich hat
interessiert, was es wirklich bedeutet, mit dem eigenen Körper als Instrument auf der Bühne zu stehen - und welchen Preis das hat. Ich wollte nicht nur eine individuelle Geschichte erzählen, sondern mit
drei Frauen, die sich an ganz unterschiedlichen Punkten ihres Lebens und ihrer Karriere befinden, etwas Grundsätzlicheres zeigen: dass alle im selben Boot sitzen. Was die eine erlebt hat, steht der anderen noch bevor.


Die drei Protagonistinnen befinden sich in sehr unterschiedlichen Phasen ihrer Karrieren. Wie haben Sie die Auswahl getroffen, und was hat Sie an genau diesen Frauen besonders interessiert?

Ich habe mit vielen Sängerinnen gesprochen - und in Valerie, Angel und Renata drei Frauen gefunden, die bereit waren, sich wirklich zu öffnen. Nicht nur über ihren Beruf, sondern auch über innere Zweifel,
Konflikte, Hoffnungen. Ich wollte nicht nach Ruhm oder Status auswählen, sondern nach Menschen, die uns mitnehmen in ihre Welt. Mich hat fasziniert, wie sich ihre Geschichten spiegeln - obwohl sie in
völlig verschiedenen Generationen verankert sind. Die Fragen, die sie sich stellen, ähneln sich: Was will ich im Leben erreichen? Und was bin ich bereit, dafür zu geben? Wo endet Selbsterfüllung - und wo
beginnt Selbstaufgabe?


In Ihrem Film geht es um mehr als Musik - es geht um Identität, Selbstwert und persönlichen Druck. Welche Erkenntnisse haben Sie während der Dreharbeiten über die Opernwelt gewonnen, die Sie vorher nicht hatten?

Ich habe verstanden, dass die Frage „Wie viel will ich geben?“ nicht abstrakt ist, sondern etwas zutiefst Aktives. Jede Entscheidung, weiterzumachen, auf Tour zu gehen, eine Rolle erneut zu singen - sie
wird ganz bewusst getroffen. Gleichzeitig agieren die Künstlerinnen in einem System, das nicht unbedingt auf das Individuum ausgelegt ist.
Die Opernwelt will Leistung, Präsenz, Ausdauer - sie will Talent, nicht zwingend den Menschen dahinter. Ich habe vor allem gelernt, wie schwer es ist, sich darin nicht selbst zu verlieren.



Der Titel „PRIMADONNA OR NOTHING“ klingt fast wie ein existenzielles Statement. Welche Bedeutung steckt für Sie hinter diesem Titel?

Für viele Sängerinnen ist das kein leerer Spruch, sondern eine Haltung: entweder ganz nach oben - oder gar nicht. Ich glaube, dass dieser Druck oft von innen kommt, aber auch durch ein System befeuert wird, das kaum Platz für Mittelwege kennt. Renata Scotto selbst hat mal gesagt: „If you want to be a singer, you must be prepared to give everything. Otherwise, don’t bother. ” Genau darum geht es in unserem Titel: um das Entweder-Oder, das viele Künstlerinnen empfinden - und darum, was es emotional und menschlich bedeutet, sich auf genau dieses Entweder-Oder einzulassen.



Der Film zeigt die Schattenseiten des Erfolgs - wie Leistungsdruck, Einsamkeit und Selbstzweifel. Haben Sie das Gefühl, dass die Opernwelt sich in dieser Hinsicht verändert oder modernisiert?

In meinen Gesprächen hatte ich nicht das Gefühl, dass jemand die Probleme beschönigt. Viele sprechen sehr offen darüber, wie hart dieser Beruf ist - fast wie ein offenes Geheimnis. Gleichzeitig machen
alle irgendwie mit. Vielleicht ist das auch das Wesen kreativer Arbeit: dass man sich entscheidet, in etwas hineinzubegeben, das größer ist als man selbst. Ich würde den Druck weniger der Opernwelt allein zuschreiben, sondern mehr der Frage, wie viel man selbst bereit ist zu geben - und wann man eine Grenze zieht.



Die verstorbene Renata Scotto ist eine Legende. Wie haben Sie den Dreh mit ihr erlebt, und was ist Ihnen aus Ihrer Begegnung mit ihr besonders in Erinnerung geblieben?

Der Dreh mit Renata war etwas Besonderes. Sie war sehr präsent, sehr neugierig auf uns als Team - und ganz in ihrem Element, wenn sie mit dem Tonmann flirtete oder uns die besten Restaurants von
Savona empfahl. Über die Vergangenheit wollte sie gar nicht mehr so viel reden. Viel lieber erzählte sie, wo es die beste Farinata gibt oder wo in Ligurien der beste Wein wächst. Trotzdem genoss sie die
Aufmerksamkeit - und sie war stolz, dass wir da waren. Besonders eindrücklich war für mich, wie sehr sie in ihrer Heimat noch verehrt wird. Nach ihrem Tod im Sommer 2023 wurde der Platz vor dem Teatro
Chiabrera in Savona nach ihr benannt, ein Museum ist in Planung. Die Menschen dort lieben sie wirklich. Ihre Tochter Laura, mit der ich bis heute in engem Austausch bin, arbeitet mit mir an einem eigenen Film über Renatas Leben - und die Wahrheit hinter einer Karriere, die im Schatten Maria Callas' begann.



Gab es während der Produktion Überraschungen oder Wendepunkte, die den Film in eine andere Richtung gelenkt haben, als Sie ursprünglich geplant hatten?

Der größte Einschnitt war sicher die Corona-Pandemie. Kaum hatten wir mit den Dreharbeiten begonnen, musste alles unterbrochen werden - viele Opernhäuser waren geschlossen, Reisen unmöglich. Auch später war das Arbeiten oft kompliziert. In vielen Häusern war genau vorgegeben, wo wir drehen dürfen - meist nur an bestimmten Tagen, oft nicht dort, wo die Intimität eigentlich entsteht: hinter der Bühne, in der Garderobe, in der Pause. Für einen Dokumentarfilm, der nah an Menschen sein will, war das eine echte Herausforderung. Und nicht zuletzt hat Renatas Tod dem Film eine emotionale Klammer gegeben, die wir nicht geplant hatten.



Was wünschen Sie sich, dass das Publikum nach dem Abspann Ihres Films mitnimmt - sowohl über die Oper als auch über das Leben allgemein?

Ich hoffe, dass man erkennt, wie viel Mut es braucht, sich einem Traum ganz hinzugeben. Und dass Kunst immer auch etwas Verletzliches ist - nicht nur schön, sondern auch widersprüchlich, fordernd,
existenziell. Primadonna or Nothing ist kein Film nur über Oper. Es ist ein Film über Entscheidungen. Und darüber, was wir bereit sind aufzugeben, um ganz wir selbst zu sein.

Foto:
©Verleih

Info:
Titel:   Primadonna Or Nothing
Länge:  94 Minuten
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr:   2025
Regie:  Juliane Sauter
DOP: Sebastian Ganschow
Editor:   Tim Plaster
 
Abdruck aus dem Presseheft