Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. September 2014, Teil 1

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Die Verfilmung der „Schoßgebete“ von Charlotte Roche ist, anders als die ihres ersten Buches „Feuchtgebiete“, nicht besonders sehenswert. Zu sehr schleppt sich die Handlung dahin, vom Geist der Romanvorlage ist wenig zu spüren.

 

 

Bei Autoren, denen auf Anhieb ein Erfolgsroman gelingt, ist das zweite Buch oft mit hohen Erwartungen überfrachtet. Das Problem hatte Charlotte Roche nach ihrem ersten Bestseller „Feuchtgebiete“ überhaupt nicht. Die neue Geschichte ist gleichsam im fortgeschrittenen Geist der ersten geschrieben: „Schoßgebete“ ist reifer geworden, so wie die neue Heldin selbst. War Helen noch jung, naiv und voller schräger Einfälle, so ist Elisabeth „spießig, ängstlich und analfixiert“, dabei aber auch nicht schlecht mit ihren gedanklichen Eskapaden: Ihre Therapeutin lüftet vor jeder Sitzung, „damit es nicht nach Patient riecht.“ Oder es macht Elisabeth „wirklich aggressiv“, dass ihr Ex-Freund weiß, „wie ich nackt aussehe. Ich würde gerne seine Erinnerung löschen.“

 

Man müsse dieser Buchvorlage für ihre Verfilmung eine stärkere Struktur geben, meinte Produzent Oliver Berben, doch dabei blieb das bizarre Kaleidoskop der „Schoßgebete“ auf der Strecke. Aber der Reihe nach: Elisabeth (Lavinia Wilson) bereitet – ausdrücklich ihrer Mutter und Alice Schwarzer zum Trotz – mit ihrem Mann Georg Jürgen Vogel) einen gemeinsamen Bordellbesuch vor. Einerseits ist sie begierig auf ein lustvolles Abenteuer zu dritt, doch andererseits wird sie wie so oft von Ängsten überwältigt, die sie bei Therapeutin „Frau Drescher“ (Juliane Köhler) behandeln lässt: „Ich habe mehr Neurosen als andere Frauen Schuhe.“ In den therapeutischen Erzählungen werden durch Rückblenden die Vorbereitungen zur Heirat mit ihrem Ex- Lover sowie der grausige Unfall ihrer Familie auf dem Weg zur Hochzeit detailliert in Szene gesetzt. In blutspritzenden Tagträumen rächt Elisabeth sich an den Reportern einer uns allen bekannten Boulevard-Zeitung, die das Unglück brutal ausschlachteten.

Es ist ein Hinweis auf Charlotte Roches ganz persönliche Geschichte: Der Tod ihrer drei Brüder, die 2001 bei einem fürchterlichen Autounfall auf dem Weg zu Roches geplanter Hochzeit ums Leben kamen. Ihr filmisches Alter Ego durchlebt Traumata – und den Alltag. Elisabeth hockt immer mal beim Notar, um ihr Testament zu ändern, betreut fürsorglich ihr Kind, organisiert eine Wurmkur oder hat Sex mit Georg. Der wirkt zunächst ein bisschen bieder, gleicht aber einem, mit Testosteron geschwängerten „Fels in der Brandung“, so Elisabeth. Die Dialoge basieren meist auf dem Buchtext, ansonsten reflektiert die Ich-Erzählerin recht dröge die Handlung aus dem Off. Den eigenwilligen Humor und Sprachwitz von Charlotte Roche mag man den Zuschauern wohl nicht zumuten, gerade die schönsten Einfälle sind weggekürzt. So erfährt man nicht, dass Elisabeth nach dem Sex immer Action will, Georg aber in Tiefschlaf verfällt. Das läge an den Hormonen, habe sie gelesen, und meint: „Ich liebe Wissenschaft, weil die schlechtes Gewissen weg macht.“

Regisseur Sönke Wortmann („Deutschland. Ein Sommermärchen“) aber reduziert den Stoff um die assoziativen Fantasien und kühnen Ausschweifungen. Die exzellenten Sprachbilder werden nicht adäquat umgesetzt, weder verzaubert noch verstört dieser halbherzige Familienfilm. Statt ins Kino zu gehen, sollte man besser zum Buch greifen.

INFO:

Schoßgebete. Deutschland 2014. Regie Sönke Wortmann. Darsteller: Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Juliane Köhler. 93 Minuten. Ab 12 Jahre

 

Charlotte Roche, Schoßgebete, Piper Verlag 2011