MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2015 vom 5. bis 15. Februar, Tag 3

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - „Sie sind ‚ne faule Sau! Sie riskieren nichts!“, beschimpft Michael Keaton als „Birdman“ im gleichnamigen Film die Kritikerin der New York Times. Eigentlich wollte ich mit diesem Zitat eine Schelte der ewig herumnörgelnden Kollegen beginnen.

 

Aber nach der großartigen Leistung Nicole Kidmans in dem gestern von mir gesehenen Film „Queen oft the Desert“ schreibe ich doch lieber etwas über das Risiko des Filmemachens.

 

In den ersten beiden Beiträgen des Wettbewerbs gehen Juliette Binoche („Nobody wants the night“) und Kidman das große Risiko ein, jeweils den Film alleine zu tragen. Sie sind in fast jeder Szene präsent und verändern sich dramatisch in ihren Rollen. Sie verkörpern starke, eigensinnige Frauen des gehobenen Bürgertums, die zum Beginn des 20. Jahrhunderts unbeirrt das Risiko wagten, in Eis- oder Sandwüsten zu gehen. Beide Frauen haben wirklich gelebt, jedoch sind die Filme keine Dokumentationen. „Es geht eher darum, die Persönlichkeit zu erkennen und zu zeigen“, meinte Regisseur Werner Herzog gestern auf der Pressekonferenz und Kidman fügte hinzu: „Wir wollten vor allem eine glaubwürdige Geschichte erzählen.“

 

Ein wirklich großes Risiko geht der im Iran wegen „Propaganda gegen das System“ mit Berufsverbot belegte Filmemacher Jafar Panahi ein. Bereits im vorletzten Jahr zeigte er trotz des Verbots der iranischen Regierung auf der Berlinale den Film „Pardé“, der nach seinen Anweisungen von einem Ko-Regisseur gedreht wurde. Im jetzigen Wettbewerbsfilm „Taxi“ chauffiert er selbst Bekannte und Fremde durch Teheran, diskutiert, scherzt oder streitet mit ihnen vor der im Auto eingebauten Kamera. Das ist nicht nur ein enormes politisches sondern auch ein cineastisches Risiko, aber dieser Film ist erstaunlich spannend und interessant.