Die Wettbewerbsfilme der 65. Berlinale vom 5. bis 15. Februar 2014, Film 13
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Ma?gorzata Szumowska ist eine selbstbewußte polnische Filmemacherin, die in BODY zeigt, daß sie komplexe Handlungen sinnvoll verschränken kann und mit ihren Schauspielern in das Innere der Figuren eindringt.
Sie selbst sagte in der Pressekonferenz, statt BODY könnte der Film auch SEELE heißen, denn der Körper ist in diesem Film Ausdruck dessen, was innen eingesperrt ist.
Es fing ursprünglich mit Anorexie als Filmidee an, daraus wurde Bulimie und es kommt schon als merkwürdig rüber, daß die Tochter nach dem Tod der Mutter sich in Bulimie flüchtet und der Vater, der ebenfalls sehr unter dem Tod der Ehefrau leidet, von Berufs wegen tote Körper beschauen muß, denn er ist Staatsanwalt und bei den Verbrechen mit der Erste an Tatorten.
„Wenige Menschen haben ein Gleichgewicht. Körper und Seele sind gleich wert. Beide müssen im Einklang sein und weil das selten ist, gibt es viele Themen für Filme.“ , erläutert die Regisseurin ihren Ansatz. In BODY geht es einmal darum, die aufs Nebengleis verschobene Kommunikation zwischen Vater und Tochter infolge der fehlenden Mutter wieder in Gang zu setzen. Das auf jeden Fall diagnostiziert der Untersuchungsrichter, dem der in Polen verehrte Janusz Gajos sein trauriges, aber immer wieder auch entschlossenes Gesicht gibt.
Schlimmer steht es um das Mädchen. Diese ist derart aus der Bahn geworfen, wofür die Regisseurin schöne Bilder findet, wenn die Laienschauspielerin Justyna Suwala mit verknotetem Körper auf den Händen vor dem Vater läuft. Dieser hat Angst, daß sie sich etwas antut und sucht Hilfe bei der Therapeutin Anna, die von der auf der Pressekonferenz strahlend schönen dunkelhaarigen Maja Ostaszewska gespielt wird. Nein, man würde sie nicht wiedererkennen, denn im Film ist sie ungeschminkt, irgendwie mausgrau und mit Kleidern bestückt, die aus der Reformbewegung zu stammen scheinen. Aber, sie ist eine starke Nummer. Sie arbeitet mit den magersüchtigen Mädchen und versucht, die in ihnen steckende Wut durch fernöstliche Praktiken des Herausschreiens ans Licht zu bringen und damit die Seele zu entlasten.
Das macht diese Anna ausgesprochen gut, die ihr eigenes Lebenspaket mit sich herumschleppt, denn ihr Kind war den plötzlichen Kindstod gestorben und so lebt sie ihrer Arbeit und ansonsten mit einem riesengroßen Hund. Daß sie Geister beschwören kann, kommt dem Staatsanwalt Spanisch vor, aber für Anna ist das alles normal, weil sie Seele und Körper gleichermaßen gelten läßt. Wir sind mit dabei, wie die beiden Traumatisierten, Vater und Tochter, sich über Anna einander wieder annähern. Der Film läßt Wichtiges in der Schwebe und das ist gut so. Denn allein die Schlußsequenz könnte auch suggerieren, daß sich mit diesen dreien nun eine neue Familie konstituiert. Das muß aber nicht so sein, es könnte auch Anna nur das Medium sein, das die beiden brauchen, um wieder Vater und Tochter zu werden.
Aus der Pressekonferenz:
Die war ausgesprochen interessant. Laut Regisseurin sollte die soziale Klasse dem polnischen Durchschnitt angehören. Aber ein Staatsanwalt? Die Kameraarbeit sollte sich ganz in den Dienst stellen, die Seelenräume durch möglichst wenig Störendes aufscheinen zu lassen. Es gibt keine sentimentale Musik, das Geschehen sollte nicht zugedröhnt wirken. Tatsächlich hat sich das Team vor dem Drehen mit spirituellen Zirkel getroffen. Małgorzata Szumowska: “Der Film trifft kein Urteil, ich wollte mich ja nicht darüber lustig machen, mehr als die Hälfte der polnischen Bevölkerung glaubt an die Existenz von Geistern...“
Die Therapeutin Anna spielt jemanden, der sich nicht für sein Äußeres interessiert. Da die Schauspielerin entgegen der Wirklichkeit im Film gerade zu häßlich erscheint, spricht sie darüber, wie durch Details diese Veränderung inszeniert wurdet: sie hat den Gang geändert, um einiges zugenommen, dies auch deshalb, um sich von den magersüchtigen Mädchen abzuheben. Sie hat diese Rolle vom ersten Lesen an geliebt und sie wichtige genommen. "Ich mag die letzte Szene, man weiß nicht , wie es weitergeht. Für Janusz ist Anna uninteressant, wie ein Geist in der Mitte, sie ist das Medium zwischen den beiden, fungiert als Instrumen."
INFO:
R: Małgorzata Szumowska
Polen 2015
Polnisch, 90'
D: Janusz Gajos, Maja Ostaszewska, Justyna Suwała, Ewa Dałkowska, Adam Woronowicz, Tomasz Ziętek, Małgorzata Hajewska-Krzysztofik, Ewa Kolasińska, Roman Gancarczyk, Władysław Kowalski