Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Februar 2015
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Mit ihrer schicken Pelzkappe sieht sie eigentlich gar nicht aus wie eine Frau vom Lande, doch ist sich Brigitte (Isabelle Huppert) nicht zu fein, durch den Schlamm zu waten oder bei der Geburt eines Kälbchens anzupacken.
Nach all den Jahren, die ihr Mann Xavier (Jean-Pierre Darroussin) nun schon Rinder züchtet, ist sie ihrer Existenz auf einem Bauernhof in der Normandie gleichwohl ein wenig überdrüssig geworden. Brigitte belastet die alltägliche Routine, so sehr, dass ihr Körper schon allergisch darauf reagiert: Ein Hautausschlag über der Brust breitet sich mehr und mehr aus.
Vergeblich rät Xavier ihr, einen Arzt aufzusuchen. Aber als sie eines Abends zufällig auf einer Party einen jungen Mann aus der Hauptstadt (Pio Marmaï) kennenlernt, der ihr unverhohlen Avancen macht, fühlt sie sich geschmeichelt. Plötzlich regt sich der unbändige Wunsch, einmal kurz auszubrechen aus dem vermaledeiten Landleben und der Ehe, die ein wenig fad geworden ist.
Mittlerweile 61 Jahre alt ist Isabelle Huppert, die sonst so kühle Intellektuelle, die sich diesmal ungewohnt in hohen Gummistiefeln im Kuhstall zeigt. „Sehnsucht nach Paris“ zählt zwar nicht zu ganz großen Werken ihrer reichen Filmografie, beschert aber mit allerhand überraschenden Wendungen und Pointen allemal gute und mitnichten seichte Unterhaltung.
Schon einmal stand die Französin für Fitoussi für „Copacabana“ (2010) vor der Kamera, einen Film mit einer ganz ähnlichen Handschrift. Auch da spielte sie eine vom Leben und Enttäuschungen gezeichnete Frau, die nicht daran denkt, zu resignieren, die noch etwas vom Leben haben und sich ein wenig treiben lassen will, ohne dabei einem nahestehenden Menschen weh zu tun.
Jetzt verkörpert Isabelle Huppert abermals präzise und mit minimalen Gesten eine Frau in der Midlife-Crisis in einer seltenen Mischung aus Witz und rebellierender Sehnsucht. Perfekt inszeniert Fitoussi die Chabrol-Muse in diesem prickelnden Abenteuer auf Zeit mit berührenden Zwischentönen.
Nun muss es allerdings bei einem Ausbruchs- oder Fluchtversuch nicht immer so dramatisch zugehen wie in den erdenschweren Dramen eines Ingmar Bergmann. Der Reiz von Fitoussis Komödie liegt gerade in einer gewissen Leichtigkeit.
Die Heldin belügt zwar ihren Ehemann, lässt sich in Paris nacheinander auch auf zwei Flirts mit einem jüngeren und einem älteren Mann (Michael Nyquist) ein, aber es steht außer Frage, dass sie zu ihrem Ehemann zurückkehren wird.
Ebenso ist auch Xavier kein nachtragender Mensch. Noch während seine Frau mit sich ringt, ob sie sich auf ein amouröses Abenteuer einlassen soll, ist auch er in Paris und erkennt, dass seine Frau mit ihrem Leben offensichtlich nicht wirklich zufrieden ist. Nicht, dass ihn die Untreue nicht schmerzen würde, aber er kann den kleinen Seitensprung verzeihen. Schließlich geht es um nicht mehr und nicht weniger als etwas Frische auf den eingefahrenen Wegen des Lebens.
Am Ende werden sich zwei Menschen wieder aneinander angenähert haben, bei denen die Magie von früher einer kleinen Flucht bedurfte. In den Wassern des Toten Meeres schweben sie dann, zuerst einander gegenüber, dann nebeneinander, in vollkommener Harmonie, die Augen geschlossen, einander vertrauend und gelöst.