Die Wettbewerbsfilme der 65. Berlinale vom 5. bis 15. Februar 2014, Film 21
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Was wir genau in diesem Film gesehen haben, können wir nur schlecht beschreiben, denn das Leben dieser Menschen am Fluß, was Inhalt des Films ist, ist selber wie ein Fluß, wo die Ereignisse und Schicksale ineinandergreifen. Auf jeden Fall haben wir uns wohl gefühlt, wenngleich nicht den Eindruck vom großen Kino gehabt.
Heute sagt jeder, wie schön Vietnam ist, wir sehen aber nicht die grünen Berge, sondern die sumpfigen, undurchdringlichen Dschungelwälder des Mekong, wo die Menschen in Einheit mit der Natur leben. Eine Geschiche oder mehrere gibt es auch. Hauptperson ist der Fotografiestudent Vu, dem der Vater eine neue Kamera gekauft hat und froh ist, daß der Sohn nicht Filmwissenschaft studiert, nachdem er hört, wie teuer dies Studium ist. Das nur nebenei, daß wir eine Menge über die sozialen Verhältnisse und Begebenheiten im Saigon der später Neunzigerjahre hören. Da ist noch immer eine starke Reglementierung und Angst vor demokratischen Bewegungen und deshalb Zensur.In Saigon ist Vu zum Studium gelandet und findet schnell Anschluß an Thang, der mit allen gut kann, auch mit Frau und Mann.
Es geht also auch um Geschlechtlichkeit und auch Gleichgeschlechtlichkeit, die in Vietnam verboten ist. Das wird aber nicht mit dem Holzhammer aufgedrückt, sondern Kuß- oder Liebesszenen zu zweit und auch zu Dritt, die Dritte ist ein Mädchen, laufen mit der selben Selbstverständlichkeit ab, wie auch die zahlreichen Szenen von Gewalt unter Männern; am schönsten anzuschauen allerdings ist, wie in diesem Film ständig mit solchem Genuß gegessen wird. Von jungen Leuten, die alle die traditionellen Gerichte essen, weil sich in den südostasischen Ländern das amerikanische wertlose Essen nicht durchgesetzt hat.
Welche Funktion der Tanz im Film hat, sieht man daran,wie vielfach solche Szenen wiederum vorkommen, sowohl die klassische Ausbildung, wo auf Spitzen Pirouetten gedreht werden, wie auch die nachtclubgemäße, wenn sich die schöne Van die Männer wie Stöcke greift, derer sie sich zur eigenen Stabilität bedient, dann aber zum nächsten übergeht.
Was wir sehen, ist die undramatische epische Bestandsaufnahme eines Landes.
INFO:
R: Phan Dang Di
Vietnam, Frankreich, Deutschland, Niederlande 2014
Vietnamesisch, 100'
D: Do Thi Hai Yen, Nguyen Ha Phong, Le Cong Hoang, Truong The Vinh, Mai Quoc Viet, Le Van Hoang, Nguyen Thi Kieu Trinh, Nguyen Thi Thanh Truc, Nguyen Thien Tu, Chau The Tam
Aus der Pressekonferenz:
Do Thi Hai Yen, die Tänzerin im Film und wirklich eine sehr schöne Frau, erzählt, daß die Frauen in Vietnam im Vorzug sind, denn sie gelten nur als weich und schwach; sie haben aber eine Art, die Männer fühlen zu lassen, daß sie die Herren seien, aber alles Wichtige wird von den Frauen gemacht, die letztlich tun, was sie wollen. Ein Thema des Films ist ja die Sterilisation, für deren Durchführung Geld gezahlt wird. Allerdings seien nach dem Film über das Sterilisieren zwei aus der Produktion schwanger geworden.
Es gäbe zwar Zensur, aber er mache keine Selbstzensur, stellt der Regisseur klar, weil allein die Furcht vor Zensur andere zur Zensur im Kopf führe. „Vietnams Natur ist so schön, wie wir es zeigen, nach dem Krieg ist alles zerstört worden, junge Leute sind gekommen, haben die Wälder aufgeforstet. Sexszenen macht er nicht wegen irgendeiner Förderung oder Publikumsinteresse: sie gehört einfach zum Leben. Die Gedanken dieser Menschen sind klar: sich ausziehen und Liebe machen.