Die Wettbewerbsfilme der 65. Berlinale vom 5. bis 15. Februar 2014, Film 22, a.K.
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Da kann man gar nichts sagen, in CINDERELLA hat der uns als Schauspieler (Wallander) und Shakespeare-Experte Kenneth Branagh als Regisseur nicht nur alles richtig gemacht, sondern richtig frischen Wind in die schöne alte Geschichte gebracht.
Ja, wir geben es zu. Gefürchtet hatten wir uns vor der vorletzten Wettbewerspressevorführung der diesjährige Berlinale schon. Denn wie kitschig sind in der Regel Verfilmungen, noch dazu aus dem angloamerikanischen Raum, wenn es um Prinzessinen und Feen geht. Meist sind ihr Aussehen, ihre Kleider das Wichtigste und daß sich am Schluß die Richtigen kriegen. Das ist bei Brannagh ganz anders. Da wird das uns doch allen bekannte literarische Personal aus Aschenputtel – denn es geht um das Märchen der Brüder Grimm und Brannagh und sein Team zeigten sich berührt, dies nun in der Heimat der Märchenerzähler der Welt vorstellen zu dürfen – zu zeitlosen Menschen, weil die zu allen Zeiten zwischen Menschen vorhandenen Konflikte, Eifersüchteleien und Gemeinheiten ganz direkt vorgeführt werden, so daß wir die Gefühle der einzelnen Personen in der Handlung und eben auch deren Entstehung direkt erfahren.
Es beginnt mit der glücklichen Kindheit von Ella, die zu Ende ist, als sehr schnell die Mutter stirbt. Als Ella (Lily James) so zwischen Mädchen und junger Frau ihre Identität sucht, stirbt auch der geliebte Vater. Diese Liebesbeziehung zwischen Vater und Tochter zeigt derart viel Herzlichkeit und Verständnis, zudem auch den Blick in die Zukunft, daß uns um das Mädchen nicht bang ist. Immer mutig und freundlich zu sein, solle ihr Leben bestimmen, hatte der Vater noch rechtzeitig und mehrfach gesagt. Gesagt, getan. Ella ist ein liebenswürdiger, der Natur und den Tieren zugewandter Mensch. So beginnt im Film überhaupt ihre Sonderrolle, daß sie die Sprache der Tiere verstehen lernt und beispielsweise die kleinen, wirklich niedlichen Mäuse als Referenz für die Menschheit begreift. Übrigens lustig zu erleben, wie sich diese superkritischen Filmkritiker an den wirklich sehenswerten vermenschtlichten Tieren erfreuen können.
Leider hat der einsame Vater vor dem Tode noch eine Witwe mit zwei Töchtern geheiratet. Was seine Einsamkeit verstärkte. Die führen sich im Vatershaus, das ja Ellas Elternhaus ist, wie die Prinzessinnen und Königinmutter persönlich auf und degradieren Ella zur Dienstmagd, wobei die Töchter nur dumm und peinlich sind, die Mutter (Cate Blanchett) aber bösartig und sadistisch. Brannagh liefert uns für ihr Verhalten einen kurzen filmischen Einblick. Als Vater und Tochter sich vor des Vaters Reise, auf der er stirbt, verabschieden, kommt es zur innigen Umarbung und dem Geständnis des Vaters, daß er die Mutter von Ella genauso vermisse wie es die Tochter tut. Das hört keine zweite Frau eines Mannes gerne.
Die eigentliche Geschichte entwickelt sich in CINDERELLA dann durch das zufällige Zusammentreffen des Prinzen des Landes mit der durch die Wälder reitenden Ella, die dem Mann, der sich ihr als Kit vorstellt, sogar das Versprechen abnehmen wird, den Hirsch, dessenwegen die Hofgesellschaft überhaupt in den Wäldern weilt, entkommen zu lassen, worauf er eingeht und es einhält.
Der Prinz soll heiraten, sein Vater ist bald dahin, und die Braut soll eine ausländische Prinzessin sein, um das Königreich zu stärken. Doch der Prinz sieht die Stärkung in der Verbindung mit dem Volk, weshalb das junge Mädchen, das ihm nicht aus dem Kopf geht, die Richtige wäre. Wir aber haben zu Hause bei Ella inzwischen erst einmal das volle Ausmaß ihrer Erniedrigung und Ausbeutung erlebt, zu der auch gehört, daß die Stiefmutter Ellas Kleid zerreißt, mit dem sie auf den Ball gehen will, den der Prinz für alle Töchter des Landes und die ausländischen Prinzessinnen geben wird.
Ella wird eingesperrt und jetzt erleben wir im Zusammenspiel von Tieren und der guten Fee, die Helena Bonham Carter hinreißend spielt, wie aus dem Aschenputtel die schöne junge Frau wird, die mit goldener Kutsche, zu der sich der Kürbis verwandeln ließ, mit den beiden Salamander, die zu Lakaien werden, der Gans, die zum Kutscher mutiert und den vier Mäusen, die herrliche weiße Rösser abgeben, ins königliche Schloß fahren, wo der Prinz nur noch Augen für die Schöne hat.
Das ist eben auch mit einem Augenzwinkern inszeniert, aber nicht mit einem zynischen, sondern einem humorvollen; gleichzeitig sind so viele Details in der Geschichte verändert, daß man ihr gerne aufmerksam folgt. Die Geschicht geht mit dem Schuh weiter, den Cinderella zurückläßt, als sie mit dem letzten Glockenschlag flieht, weil danach die Maskerade der kleinen Crew in sich zusammenfällt – auch die Verwandlungen und Rückverwandlungen sind hinreißen dargestellt, mitsamt solcher Kleinigkeiten, daß der zum Lakaien gewandelte Salamander dann im Vorbeifahren seine meterlange Zunge züngeln läßt und Getier erwischt.
Der vom Prinzen gefundene Schuh soll die Richtige finden, denn er paßt niemanden sonst, das hat sich schon erwiesen. Und der Prinz, der ein netter junger Mann ist, dem man seinen Willen, ein gerechter Herrscher zu sein, abnimmt, seine Verliebtheit sowieso, läßt sich auch vom Zusammenspiel seines Oberhofmeisters (Stellan Skarsgård ) mit der fiesen Stiefmutter nicht abhalten im letzten Haus des Königreiches, in dem sie nun nach der Trägerin suchen, nicht aufzugeben. Er findet die Seine, befreit sie, nimmt sie mit sich und Friede, Freude, Eierkuchen. Warum nicht, wenn sonst schon alles so schwierig und schlimm auf der Welt ist. Und Märchen haben immer starke moralische Positionen, gut, wenn das nicht moralinsäuerlich, sondern einprägsam daherkommt.
Ella hat dabei erneut starke Sprüche. Beim Weggehen, eigentlich dem Schreiten des künftigen Königspaares aus dem Haus, wendet sie sich ihrer Stiefmutter zu und sagt: „Ich verzeihe Dir“ . Es ist diese innere Größe und ihr Gutsein zu Tieren und der Natur, die aus diesem Aschenputtel eine reflektierende moderne junge Frau machen.
Aus der Pressekonferenz:
Gekommen ist die prominente Besetzung: Helena Bonham Carter, Richard Madden (Prinz), Lily James, Kenneth Branagh, Cate Blanchett,Stellan Skarsgård, der den fiesen Oberhofmeister spielt.
Da gab es Fragen, die keine Fragen waren, sondern Gefühlsäußerungen der Journalisten.
Er wollte Mut und Freundlichkeit als das Wichtigste für Aschenputtel herausarbeiten, sage der Film, worüber sie fast vor Glück geweint habe. „Sie haben mich als Erwachsene glücklich gemacht.“ Ob er aber glaube, daß Mut und Freundlichkeit wirklich diese Bedeutung haben und ob der Regisseur ebenso bei den Dreharbeiten war
.
Etwas Modernes, etwas Entspaubtes, was Frische hat, nichts Altmodisch und nicht Kitsch, habe er aus CINDERELLA machen wollen, eine DNA der Story über die breiten Emotionen, die im Stoff stecken, war die Antwort. Der Tod ist etwas entscheidend Wichtes im Leben von Kindern. Er wollte zum Kern der Geschichte vordringen, denn es geht um die Darstellung innerer Stärke. Die Spieler äußerten: Ken ist natürlich sehr freundlich, aber sehr talentiert und fordernd. Weil er selbst so ein guter Schauspieler ist, arbeitet er mit den Schauspielern anders als andere.
Die Märchenfiguren sind nicht klischeehaft, sondern individuell herausgearbeitet. Der Prinz durfte sein, wie er ist, wie er sich die Rolle selbst vorstellt. Er bekam keine Vorgaben und schildert die Regie als sehr rücksichtsvoll und aufmerksam. Was die Berlinale für Cate Blanchett bedeute: ich war Weihnachten 5-6 Wochen hier mit Familie, diese Stadt ist toll, blüht und die Wirtschaft boomt wegen des kulturellen Reichtum...die Berlinale war eines der ersten Festivals, das sie kennenlernte und schon oft da war.
Zum Film: die Folterkammer, der Raum für die Folterkammer, schmaler Grad zwischen Kitsch. Vor 65 Jahren zur ersten Berlinale gab es die Animation von Disney, deshalb hat Moderator Anatol Weber eine (Faschings-) Krone auf.
Grausamkeiten zwischen fiesen Frauen sind immer interessant, grausam und gegeneinander gerichtet. Der Stoff interessiert immer noch. Man will immer noch, daß die Widerstände überwunden werden können; wenn die Umstände nicht verändern werden können, können Menschen aber innerlich über sich hinauswachsen.
Durch die Eifersucht, wenn sie sieht, wie der Vater die Tochter liebt und seine verstorbene Frau auch, verändert sich die Stiefmutter und wird dann immer fieser, erläutert ihre Darstellerin. Allerdings hat sie im Film schon beim Ankommen im Haus des neuen Ehemannes das Mädchen, das doch ihre Stieftochter ist, systematish übersehen.
Viel gesprochen wurde über Sandy Kostüme, die in diesem Film natürlich als Ballkleider eine besondere Rolle spielen. Auf der Bühne spielte die besondere Rolle die gute Fee:
Für die liebe gute Prinzessin macht sie alles. Die gute Fee war witzig, sie ist gestreßt, sie ist 1000 Jahre alt und etwas vergeßlich, sie hat also Probleme mit den Zaubersprüchen, der Kürbis war ein Zufall, aber durch Zeitdruck hat sich das ergeben Ja, stimmt, ich bin für die ganzen Witze verantwortlich, fügte Bonham Carter hinzu.
Stellan Skarsgård :
Wo ist der Unterschied zwischen den Brüdern Grimm eund Shakespeare. Er hatte sich um verschiedene Fassungen gekümmdert. Einiges erinnert an King Lear, diese Zeile: sei mutig und freundlich, erinnere an: habe Geduld und halte durch.
„Natürlich spielen die Kleider mehr als man selbst“, sagte Cinderellas Darstellerin und sprach vom Zauber der Kostüme; aber sie waren unbequem und zwickten, auch die Fee, Bequemlichkeit stand nicht auf der Liste der Kostümherstellung, nachts wurde oft gedreht, wo es draußen schon ziemlich kalt war; der Fee Kleid war außerordentlich, wie eine wandelnde Stehlampe mit 4000 led-Lämpchen, wozu extra ein Techniker aus Belgien gkommen war, der ihr unter den Rock krabbelte: es hat mich erleuchtet, der Fee Schicksal, eine Lampe zu sein.
Bei der Szene auf dem Ball, war das blaue gezauberte Kleid voller Grazie, Kinogold, der Prinz mußte die vielen Kostüme stemmen, aber sagt zu Lily James: „Du mußtest tanzen, ich mußte nur aufpassen, Dir nicht auf die Füße zu treten.“
INFO:
R: Kenneth Branagh
USA, Großbritannien 2014
Englisch, 105'
D: Cate Blanchett, Lily James, Richard Madden, Stellan Skarsgård, Holliday Grainger, Sophie McShera, Derek Jacobi, Helena Bonham Carter
Altersfreigabe FSK 0
a.K. bedeutet außer Konkurrenz. Der Film wird zwar im Rahmen des Wettbewerbs gezeigt, aber aus unterschiedlichen Gründen – keine Uraufführung etc. - nicht mitbewertet.