8. LICHTER Filmfest Frankfurt International vom 17. bis 22. März, Teil 21
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Allerhand mit einem Film das LICHTER FILMFEST zu beschließen, der im israelischen Original MITA TOVA heißt und als THE FAREWELL PARTY zum Inhalt hat, wie man sich - im Kopf noch rüstig - rechtzeitig aus seinem eigenen Leben davonstiehlt. Einfach, weil das Leben gut war und jetzt genug ist.
Karl Baumgartner, dem in diesem Jahr verstorbenen Frankfurter Produzenten, war dieser Film gewidmet, nein, nicht ihm, die Aufführung galt seiner letzten Produktion, die nun zufällig auch Todesfälle zum Inhalt hat. Aber wie. Der 100 Minuten lange Film rief Lachstürme hervor und man kann in Worten kaum wiedergeben, wie sich das mit Sterben, Selbstmord, Sterbehilfe verbinden kann. Es kann! Dazu muß man allerdings über den hintergründigen Humor verfügen, den die Insassen dieses BETREUTES WOHNEN PROJEKTS besitzen, mit denen wir nun zum Abschluß des Festivals den Lebensabend derer verbringen, die nicht mehr wollen und in Yehezkel ihren würdigen Beschließer finden.
Das Programmheft hatte uns den Film so angekündigt: Yehezkel, Bewohner einer Jerusalemer Seniorenresidenz, hat ein Problem: Sein unheilbar kranker Freund Max will seinem Leiden ein Ende setzen. Für Levana, Yehezkels demenzkranke Frau, ein Sakrileg. Nach anfänglichem Zögern bastelt der pensionierte Erfinder mit Unterstützung seiner Freunde eine (illegale) Sterbehilfe-Maschine, mit der Max sein Leben auf Knopfdruck selbst beenden kann. Der einmalige Ausnahmefall entwickelt sich bald zum Dilemma, als immer mehr Menschen hilfesuchend an Yehezkels Tür klopfen und Levanas Zustand sich plötzlich verschlechtert.
Pointierte Dialoge und eine gehörige Portion schwarzer Humor – der selbst viel zu früh verstorbene Frankfurter Produzent Karl Baumgartner hinterlässt mit dieser „Abschieds party“ ein Werk, das warmherzig und schonungslos zugleich authentische Schicksale hinter dem Tabuthema Sterbehilfe zeigt. Ein mutiger Film über Freundschaft und die Frage, was Würde tatsächlich bedeutet.
Regie /Buch: Sharon Maymon, Tal Granit,
Kamera: Tobias Hochstein,
Produktion:Karl Baumgartner, Thanassis Karathanos, Haim Mecklberg u.a.
Mit: Ze’ev Revah, Levana Finkelsthein, Aliza Rosen, Ilan Dar, Rafael Tabor
So kann man den Inhalt beschreiben, kann damit aber nicht annähernd die Dimensionen der Humanität ausdrücken, die Grundlage dieser Geschichte sind, die ums Sterben geht und doch vom Leben redet. Lieber sterben, wenn man richtig gelebt hat, ist auch so eine Weisheit, die einem der Film vermittelt, der ja nicht zur Sterbehilfe anregt, sondern zur Diskussion, wie man am besten leben sollte. Auf jeden Fall in Freundschaft, verspricht dieser Film und – wenn es geht – auch in einer Liebesbeziehung. Tatsächlich ist dieser Film von tiefer Liebe und Respekt vor der Würde des Lebens der anderen durchzogen.
Und er ist lustig, nicht nur, wenn er schwarzen Humor ausdrückt, sondern auch in so harmlosen Szenen am Anfang, wo man nur eine alte Frau sieht, die wackelig den Telefonhörer aufnimmt und fragt: Wer da? Und zur Antwort erhält: Gott! Dabei sehen wir dann Yehezkel in seinem ersten Auftritt, der als Gott nun der alten und kranken und sterbenswilligen Frau erklärt, daß sie auf Erden noch ein bißchen durchzuhalten habe, weil im Moment im Himmel, in den sie sicherlich käme, kein Platz frei sei. Dies unter dem schmunzelnden Beifall seiner Frau, mit deren beginnender und dazwischen galoppierender Demenz wir uns den ganzen Film über beschäftigen. Von der Komik des sich als schwul entpuppenden Arztes, dem das Wichtigste ist, daß seine Frau und seine Familie davon nichts mitbekommt, gar nicht zu sprechen. Es ist eine Ansammlung von ganz normalen Leuten, die mit ganz normalen Verrücktheiten die geläufige Norm, wie man zu leben und zu sterben hat, verrücken.
Es geht rund in diesem prallen Film vom Leben und Sterben. Obwohl es draußen schon zur Party ging, hielt dieser Film das Publikum drinnen gefangen. Übrigens:Mit 12.000 Besuchern blicken die Veranstalter 2015 auf ein Rekordjahr zurück. „Wir hatten über 30 Premieren im Programm, konnten zahlreiche Filme zeigen, die sonst kaum ihren Weg auf die große Leinwand finden und haben uns über ausverkaufte Kinosäle gefreut. Wir haben Filmschaffende mit Experten und Publikum ins Gespräch gebracht und in viele zufriedene Gesichter geblickt“, resümierte Festivaldirektor Gregor Maria Schubert, dem wir das letzte Wort geben wollten.