Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. März 2015,  Teil 3

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „Isch glaab's net“, was da auf der Leinwand läuft. Dabei kennen wir doch von unseren Klassenfahrten Berlin, es geht um West-Berlin um 1980, ganz genau und an diese Typen kann sich auch noch jeder erinnern, die mit dem Irokesenschopf auf dem Kopf, und an die Szene vom Bahnhof Zoo mit den Junkies und Christiane F. sowieso.

 

 

TOD DEN HIPPIES!! ES LEBE DER PUNK

 

Aber hier, hier gibt es im westlichen Berlin nichts anderes als Ausgeflippte, Vorsichhindämmernde, Männlein und Weiblein so richtig daneben, wie im Kino halt und nicht im richtigen Leben, wozu Polt ja das seine gesagt hat. Doch, was ist das, das richtige Leben? Das fragt sich hier gleich zu Filmbeginn der Gymnasiast Robert, den Tom Schilling mit den erstaunten Augen eines aus der Romantik herausgefallenen Helden, des Taugenichts, gibt. Das kann man gut nachvollziehen, daß einem das Aussteigersyndrom packt, wenn man mitbekommt, wie die Provinz wirklich mieft und die gesamte Schule, voran die überangepaßten Lehrer, dem Flower-Power-Leben der Hippies verfallen.

 

Da kann Robert auch sein einziger Freund, der schwule Gries– wir sind 1980!, da war das noch schwer verpönt – nicht halten, der zum Außenseiter gleich noch einen weiteren Außenseiter draufsetzt: er ist Neo-Nazi und Frederick Lau gibt ihm mit seiner Lebensmaxime „Arschficken für alle“ eine arsche, ach nein, arge Dimension. Auf nach Berlin also, dem Mekka der Aussteiger für westdeutsche Provinzler. Wir sind übrigens in der gleichen Zeit, von der heute noch nationale und internationale Größen schwärmen, wie kreativ, im guten Sinn verrückt und heimelig zugleich diese friedliche Oase im 'Feindesland' der DDR war.

 

Da kennt in Berlin auch noch jeder jeden, nämlich innerhalb der nach Berlin geflüchteten Westdeutschen. Und so nimmt auch Roberts alter Kumpan Schwarz, hier: Wilson Gonzalez Ochsenknecht, ihn auf in seinem Peepshow-Etablissement. Da nun trifft Oskar Roehler den Nagel auf den Kopf. Daran können sich alle aus den 80er Jahren erinnern, an die wie Pilze aus dem Boden wachsenden Einrichtungen, wo ganz offiziell Männer in eigenen Kabinen alle auf die selbe Frau starren, die sich ihnen möglichst aufreizend – und wie immer, dann doch furchtbar gleichgeschaltet und fade, es ist halt ein Job – darbieten, auf das das Ding in der Männer Hose nicht nur anschwillt, sondern in der gezügelten Freiheit der eigenen Hand loslegt. Das Ergebnis, damit hat nun Robert zu tun. Denn der muß die wie Fontänen an die Glasscheiben spritzenden Samenergüsse abwaschen. Das haben wir auf Hochdeutsch gesagt. Robert ist also ein Wichskabinenputzmann.

 

Das sind Szenen, die schon genial sind und uns die Zeit in Erinnerung rufen, wir wir in einer Mittagspause einer Vorstandssitzung durchs benachbarte Bahnhofsviertel gingen und genau einen männlichen Vorstand aus so einem Haus treten sahen. Dessen roten Kopf, nein, das sind unschöne Erinnerungen. Und, um das gleich zu sagen, wir haben das Bunte, das Schrille, das Laute, das Ordinäre, das Häßliche, das Sinnlose in vielen Szenen kaum ausgehalten und es schwirrte und dröhnte anschließend der Kopf, aber wir halten diesen Film für eine kulturgeschichtliche Tat des Oskar Roehler, ein Film, auf den wir uns sogar immens gefreut hatten. Das liegt an Roehlers für uns wunderbaren Film DIE QUELLEN DES LEBENS, in dem er die frühe Geschichte der Bundesrepublik anhand seiner eigenen Familiengeschichte erzählt. Ein Film, der wirklich in jedes Geschichtsmuseum gehört, und der – zu unserer Empörung – in Deutschland nicht die Aufmerksamkeit erhielt, die ihm zusteht.

 

Mag ja sein, daß das durch schrille Thema und die ebenso schrille Machart diesmal anders ist. Roehler wünschen wir es. Wir müssen fortfahren, denn wir sind ja immer noch am Anfang. Robert arbeitet also mit Lappen und Putzeimer und Brechreiz und abends amüsiert er sich in der Kultkneipe „Risiko“. Die wird vom Frontmann der Einstürzenden Neubauten geführt, Blixa Bargeld – kein Mensch kümmert sich heute noch um den eigentlichen Baargeld, den er als Pseudonym verwandt, und Nick Cape, dessen Band Bargeld mitgründete und mit der Gitarre bearbeitete, ist auch dabei. Es geht dort nicht zu, wie bei Hempels auf dem Sofa. Aber wie dort schlägt auch hier die Liebe zu. Robert verguckt sich mit allen Sinnen in Sanja, eine amerikanische Stripperin, der er eigentlich nur zu essen bringen soll und die, schön und gefährdet, nun seine Lebensaufgabe wird.

 

Aber für Lebensaufgaben braucht man Geld. Und hier wieder ein Blick ins Leben des Oskar Roehler, von dem wir alle wissen, daß seine Mutter die exzentrische Schriftstellerin Gisela Elsner und sein Vater der Schriftsteller Klaus Roehler waren, an denen sich der Sohn abarbeiten muß, was man verstehen kann. Hier hat die Mutter mit Hannelore Hoger eine glaubwürdige Verkörperung erfahren, die ihren Sohn ablehnt, ja haßt, ihn aber gerne zum Mord am eigenen Bruder instrumentalisieren will. Das alles ist derart überzogen, daß es schon wieder richtig gut ist, denn man spürt, daß hinter der Karikatur das Leben lauert.

 

Von der Mutter ist nichts zu holen, überraschend aber vom Vater Klaus, dem Alt-68er, bei dem man sich freut, Samuel Finzi mal in einer ganz anderen Rolle zu sehen. Hier muß er viel trinken, dummes Zeug sagen, gescheite Gedanken 'mal gehabt haben, voll des roten Weines sein und wie Alberich in Wagners Ring hütet er den goldenen Schatz,der eigentlich anderen gehört. Aus Gold wird Geld und zwar das der RAF, das von dieser beim Banküberfall erbeutet wurde, und das – ohne es anzurühren – Vater Klaus nun versteckt.

 

Gefundenes Fressen für die Robert, den Schwarz erst auf die Idee gebracht hat und..., nein, alles wollen wir jetzt nicht erzählen.