Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. April 2015

 

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) – Das Wichtige an solchen Filmen ist, daß wir an etwas, was wir eigentlich alle wissen, heftig erinnert werden und auch, daß Wissen und Handeln zusammengehören. Darüber hinaus erfährt man viel Neues, wie Menschen die Erde sinnvoller nutzen und weniger ausbeuten.

 

Der Filmemacher Valentin Thurn ist kein Unbekannter. Er ist Regisseur, Bestseller-Autor und kämpft aktiv mit Worten für gesundes Essen für alle. Mit seinem Dokumentarfilm FRISCH AUF DEN MÜLL aus dem Jahr 2011 geißelte er die Wegwerfgesellschaft und zeigte geradezu lustvoll, wie diese mit Lebensmitteln umgeht und weshalb sich jemand, der aus dem angeblichen Mülle des Lebensmittelhandels ernährt, gut essen und gut trinken kann. In diesem Film geht er einen Schritt zurück und gleichzeitig nach vorne. Er packt das Übel bei den Wurzeln und erforscht die Produktion von Grünem auf der Welt, wo also was und in welcher Form wächst, was auf unseren Tellern landen soll, wobei das große Oberthema bleibt, wie beim Anwuchs der Bevölkerung noch alle satt werden können.

 

Vorneweg. Daß noch heute auf der gemeinsam bewohnten Erde Menschen an Hunger sterben, gehört zu den unglaublichen Dingen, die wir inmitten unserer funktionierenden Welt sekündlich, stündlich, täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich vergessen. Daß sich Valentin Thurn nicht nur um Pflanzen kümmert, zeigen dann die Beispiele der Hühnerproduktion aus Indien, die wirklich nichts mehr mit dem Leben von Tieren zu tun hat. Da auch die Tierzucht zum Verzehr durch den Menschen nicht abnimmt – das glaubt man dauernd, weil man immer mehr Menschen kennt, die aus ethischen Gründen kein Fleisch essen wollen, weil sie also kein Tier deshalb töten wollen, weil sie es verzehren – da also auch der Fleischverzehr nicht abnimmt, ist die Frage nach künstlichem Fleisch ebenfalls ein Untersuchungsthema im Film.

 

Das Spannende am Film, der erst einmal durch das Frage-Antwort-Spiel natürlich durchgehend einen leicht erhobenen Zeigefinger zeigt, ist, daß nicht eine Meinung vorgegeben ist, sondern sich die Fragen sowohl an die Befürworter gegenwärtiger Großkonzerne wie auch an deren Gegner richtet. Der Zuschauer sitzt wirklich wie ein kleiner Richter in seinem Kinosessel und kann abwägen – wenn er will, wenn er nicht aus ganz anderen Gründen längst eine eigene Meinung hat. Und da fühlt sich derjenige, der mit den Gebaren der Samen-Großkonzerne wie Monsanto, DuPont und Syngenta nicht einverstanden ist, wesentlich wohler.

 

Man kann über die einzelnen Themen im Film reden, man kann aber auch einige der 23 Protagonisten im Film vorstellen, was wir tun. Das beginnt mit der Bayer AG und Liam Condon dem Vorstandsvorsitzenden von CropSience, der für gentechnisch verändertes Saatgut eintritt, die gegen die Übel der Natur wie Dürre oder Versalzung gewappnet sind. Die Beispiele aus Asien – und das hat uns ungemein überzeugt – zeigen dann, daß bei großen Überschwemmungen der Genmais den Bach runtergeht, Dürre folgt, während der durch Jahrhundert dort angepflanzte Mais alles übersteht, weil er sich im Lauf der Zeit als Überlebenskünstler genetisch entwickelt hatte, was die künstlichen Gene nicht können.

 

Empört nahmen wir zur Kenntnis, was wir zuvor nicht wußten, daß der Gen-Samen der Großfirmen immer nur für eine Pflanzzeit entwickelt ist, also nicht vererbbar ist, weshalb jedes Jahr Samen nachbestellt werden muß, den man ja sonst aus den Pflanzen gewinnt.

 

Sehr geschickt nimmt der Film dann die Bälle auf, wie hier die Abhängigkeit der Bauern und Farmer von der industriellen Produktion, deren Alternative an einer Initiative aus Balasore Indien aufgezeigt wird. Dort haben die Kleinbauern eine Saatgutbank mit über 700 Reissorten aufgebaut, die von allen genutzt werden können, denn das industrielle Saatgut wachse zwar schneller und bringe etwas mehr Ertrag, aber das Heimische ist krisenfest und bringt sich aus sich selbst hervor. Ade Großkonzerne, die auch auf ihren Pestiziden und Düngemitteln sitzen bleiben.

 

Man kann unmöglich die ganze Bandbreite des Films wiedergeben. Allein die Frage der Düngung. Nicht nur das Für und Wider, sondern die Art der Düngung, da die Vorräte an Kali auf der Welt als Hauptbestandteil nur noch für 50 Jahre reichen. Oder auch den Wahnsinn, daß ein Inder die Massenhühnerhaltung in Indien erst einführte, denn Inder halten traditionell nicht so viel vom Fleisch, der Anteil der Vegetarier liegt bei 40 Prozent der Bevölkerung, jetzt aber – wo es im Westen zumindest endlich zur Diskussion über die industrielle Fertigung und Verwertung der Hühner kommt – wird gerade dies in Indien zur Mode gemacht und zur Behauptung, daß Fleischessen zum sozialen Status gehöre. Dabei – und auch das zeigt der Film – werden durch die Massen-Fleischzucht der Welt die Grünflächen entzogen, die die Menschen für Essen oder Lebensqualität brauchen.

 

INFO:

10 Milliarden – Wie werden wir alle satt

Deutschland 2015

R: Valentin Thurn

100 Minuten

FWB: besonders wertvoll.