DVD-Tipp im Mai

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Dieser Thriller aus dem Jahre 1976 ist eine echte Wiederentdeckung: Die Handlung ist ungewöhnlich und auf subtile Weise hoch spannend, und die wenigen Hauptpartien sind typengerecht mit hervorragenden Schauspielern besetzt.

 

 

Was für eine blutjunge Charlotte Rampling (Unter dem Sand, Lemming) begegnet einem hier (sie war damals 30 Jahre alt), ungemein verführerisch und geheimnisvoll, und zugleich zeigt sich schon die Anlage für komplexe, undurchsichtige, zwielichtige Frauenfiguren, die sie im zunehmenden Alter immer mehr verkörpern sollte.

 

 

 

In diesem Kammerspiel von Arturo Ripstein ist sie Julia, eine ehemalige Sängerin und aparte, mondäne Schönheit. Sie begleitet ihren snobistischen Gatten, den rumänischen Grafen Liviu (Peter O’Toole) auf hoher See. Mit erlesenen Nahrungsmitteln im Gepäck bricht das Paar zu einer entlegenen, unbewohnten Insel auf, sucht dort Zuflucht vor den Unruhen des anbrechenden Zweiten Weltkriegs.

 

 

 

Ihre einzige Gesellschaft auf der einsamen Insel sind Livius´ persönlicher Diener Eusebio (Jorge Luke) sowie sein alter Freund Major Larsen (Max von Sydow). Anfänglich gestaltet sich das Beisammensein noch harmonisch, man geht baden am Strand, unternimmt Ausflüge mit dem Boot. Aber nach und nach verdüstert sich die sonnige, entspannte Atmosphäre. Das Ausbleiben des erwarteten Schiffs, das die elitäre Gesellschaft mit neuem Proviant und Arbeitern versorgen soll, der unliebsame Besuch einer früheren Geliebten von Livius und deren widerwärtige, rund um die Insel ein grausames Tiermorden begehende Begleitschaft, sind die Vorboten eines schaurigen, blutigen Dramas.

 

 

 

Anfangs sind sich die drei Männer zwar einig, dass sie in ihrer isolierten Lage aufeinander angewiesen sind, aber nach und nach brechen Konflikte auf. Major Larsen und Eusebius wollen sich den Inselbesitzern nicht länger unterordnen, sondern selbst die Führung übernehmen, zumal sie sich nach einer Frau sehnen und Julia begehren.

 

 

 

Und so ereignet sich - während in Europa nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen der Krieg wütet - in dem geradezu absurd luxuriös ausgestatteten Mikrokosmos der Insel ein Kampf um die Deutungshoheit der Beziehungen und letztlich ums Überleben.

 

 

 

Ripstein wartet zwar zum Ende hin mit sehr grausamen Bildern auf, insgesamt aber ist „FOXTROTT alles andere als ein Actionfilm. Vielmehr vermittelt sich alles Bedrohliche leise und unterschwellig ironisch mit stimmungsvoll eingesetztem sanften Jazz.

 

 

 

Und obwohl der Film schon so alt ist, wirkt er irgendwie auch sagenhaft zeitlos: Wie oft hat man sich, vergnatzt über menschliche Barbaren oder überhaupt über die Bestie Mensch schon auf eine einsame Insel gewünscht! Nach diesem Film wird man diese Sehnsucht vielleicht doch noch einmal überdenken. So gerne man oftmals doch ohne seine Mitmenschen auskommen würde, am Ende ist man wohl doch auf sie angewiesen.