Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Mai 2015, Teil 6
Romana Reich
Berlin(Weltexpresso) – Es paßt wie die Pünktchen aufs i, daß MEIN HERZ TANZT heute anläuft, denn die im Film angesprochene Problematik konnte man heute auf den Titel- und politischen Seiten nachlesen: Das unterschiedliche Leben, das jüdische und palästinensische Israelis erleben. Hier am Gott sei Dank aufgegebenen Projekt, für Palästinenser eigene Busse in Israel vorzusehen, also die eh schon vorhandene Apartheid auch im öffentlichen Verkehr zu zementieren.
Ohne diesen aktuellen Hintergrund hatten wir uns gar nicht viel versprochen, von diesem Film, den man als Pressevorführung ja Wochen oder Monate zuvor sieht und aus dem wir dann beglückt, wenngleich nachdenklich hinausgingen. Dabei hätte man vorher wissen können, daß der israelische Regisseur Eran Riklis, dem wir DIE SYRISCHE BRAUT und LEMON TREE verdanken, wieder etwas Berührendes schafft. Und wie man nachlesen kann, hat er sich die Geschichte nicht selbst ausgedacht: das Drehbuch beruht auf einem halb-autobiographischen Roman des in die USA ausgewanderten Haaretz-Kolumnisten Sayed Kashua, den in Israel jedes Kind als arabisch-israelischen Schriftsteller kennt. Das ist natürlich kein gutes Zeichen, wenn die Figur, die uns im Film Hoffnung auf ein erträgliches Leben für einen Palästinenser macht, im wirklichen Leben nicht mehr darauf warten wollte und emigrierte. Aber auch der Film läßt den jungen Eyad (Tawfeek Barhom) in die Fremde gehen, nach Berlin nämlich, zum Studieren, und wir müssen akzeptieren, daß die Identitätslösung zu der sich die Mutter seines Freundes und er entschließen, ihm auch in Berlin ein besseres Leben garantiert, als es sein alter Status getan hätte.
So sind wir schon am Ende des Films angelangt, der ohne den Anfang und den Verlauf nicht zu verstehen ist. Wir erleben den Knaben Eyad in einer arabischen Kleinstadt in Israel, über den seine Mutter die schützende Hand hält, denn er ist ein kleiner Intellektueller, der viel zu klug ist, als daß sich die anderen Männer der Familie an ihm messen könnten. Auch der Vater nicht. Mit dem haben wir einen, der zu Hause großspurig den Helden spielt, den arbeitslosen Helden, und der gesellschaftlich erledigt, sprich gar nicht vorhanden ist. Allein die Einblicke in diese Familienstruktur machen Laune, weil sich das Pittoreske mit dem verbindet, wie Männer und Frauen überall ihre Familienspiele spielen. Auf jeden Fall gibt diese Familie Eyad Wärme, aber zu wenig kognitiven Hintergrund.
Deshalb wird das hochbegabte Kind zu einer Prüfung der Eliteschule mit Teilinternat nach Jerusalem geschickt und besteht sie als erster Palästinenser. Diese Szenen, die zwischen normalem Jungensleben und der besonderen Situation changieren, gefallen alle, auch wenn man noch überhaupt nicht weiß, wohin einen der Film führt. Das glaubt man zu spüren, als ihm Yonatan (Michael Moshonov) über den Weg läuft. Über den Fuß fährt, muß man eher sagen, denn dieser leicht Ältere hat dramatischen Muskelschwund und sitzt im Rollstuhl. Zwei Außenseiter, die sich gegenseitig Interesse und Schutz geben.
Daran kann auch die aufkeimende Jungmädchenliebe zwischen Naomi (Danielle Kitzis) und Eyad nichts ändern. Nur die Zeit wird knapper. Und Naomi schwankt. Denn ihre bornierte Familie – was heißt borniert, in Israel ist das die hochprozentige Meinung – darf von ihrer Freundschaft mit einem Palästinenser nichts wissen. Weder hält er auf Dauer diese Verschwiegenheit und Demütigung aus, noch sie die Lügereien und Tricksereien. Aber als sie das offen leben möchte, erlebt sie an sich selber, daß sie das Leben gegen die Mehrheit nicht aushält und zieht sich zurück.
Das ist jetzt brav erzählt, dabei kommt das wirkliche Ereignis im Film erst jetzt. Zwischen der Mutter des todkranken Yonatan, die Yael Abecassis als Edna unter die Haut gehend spielt, und Eyad - oben beide im Bild - hat sich ein tiefes Vertrauensverhältnis entwickelt, eigentlich hält er sie aufrecht, wie dieser Junge überhaupt für alle der ruhende Pol wird. Es gibt übrigens solche Menschen wirklich, die für alle anderen etwas abstrahlen. Dabei ist seine Position, außer, daß er am Leben bleibt, die unsicherste von allen. Und als sein Freund dann sterben muß, kommt es zu einer Entwicklung, die wir mit offenem Mund erst bestaunen, dann akzeptieren können, auch wenn sie all dem ins Gesicht schlägt, die da behaupten, auch ein Palästinenser könne gleichberechtigt in Israel und der westlichen Welt leben.
Und damit sind wir wieder am Anfang und wundern uns, wieso gerade heute beim Anlaufen dieses Films in Deutschland Rassismus und Ausgrenzung über das Thema des gemeinsamen Busfahrens von Israelis und Palästinensern den politischen Teil der Tageszeitungen ausmacht, während in den Feuilletons und Kulturseiten wohl alle von diesem Film schwärmen, der zeigt, wie einfach doch ein gemeinsames Leben in Israel sein könnte, wenn sich alle so verhalten könnten wie Eyad und Yonatan und ihre beiden Mütter.