Lecture & Film: Film- und Vortragsreihe vom Donnerstag, 11., bis Samstag, 27. Juni
Helga Faber
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In der Vortragsreihe setzen sich internationale Experten mit Filmen Pier Paolo Pasolinis auseinander, die die politischen und gesellschaftlichen Missstände im Italien der 1960er- und 1970er-Jahre kritisierten.
Die fehlende Aufarbeitung des Faschismus, soziale Verwerfungen im Subproletariat und die Arroganz des Bürgertums thematisierte Pasolini in seinen Filmen, die häufig Skandale auslösten. Werke, die sich mit Pasolini befassen und den Fokus auf sein Schaffen erweitern sollen, begleiten die Vorträge.
Donnerstag, 11. Juni 2015, um 20:15 Uhr
„ACCATTONE, BETTLER DES LEBENS“
Lecture von Hervé Joubert-Laurencin in französischer Sprache mit deutscher Simultanübersetzung
Dante sagte von sich selbst, dass er auf der Suche nach der Sprache des Volkes sei, „umherwandernd, fast wie ein Bettler, in all den Gefilden, wo sich die Sprache ausbreitet, die wir die unsere nennen“. Walter Benjamin spürte bei Baudelaire die Figur des Lumpensammlers auf, dessen Alkoholrausch sein mediokres Schicksal als kümmerlicher Einsammler von Abfällen in ein glanzvolles Abenteuer verwandelt. Das macht hellhörig, denn ACCATTONE bedeutet „Bettler“, obwohl der Titelheld von Pasolinis Film ein Zuhälter ist.
Der Regisseur macht aus dem alltäglichen Schicksal Accattones eine antike Tragödie. Pasolini ist selbst ein Pilger, der die dunklen und rauschhaften Seiten des Lebens erkundet – eines Lebens, das mit dem Verschwinden der Glühwürmchen in den 1960er Jahren aus den Hügeln der römischen Vorstädte verschwindet.
Hervé Joubert-Laurencin ist Professor für Filmwissenschaft an der Universität Paris Ouest Nanterre La Défense.
Filmbeginn: ca. 21:15 Uhr
ACCATTONE Accattone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß
Italien 1961. R: Pier Paolo Pisolini. D: Franco Citti, Franca Pasut, Silvana Corsini. 120 Min. 35mm. OmeU
„Accattone“ ist der Spitzname eines jungen Mannes aus der römischen Vorstadt, der, ohne selbst irgendetwas zu tun, auf Kosten der Prostitutierten Maddalena lebt. Als die junge Frau im Gefängnis landet, findet sich auch Accattone in einer üblen Lage wieder. Pasolini besetzte seinen Debütfilm mit Laiendarstellern aus römischen Vororten.
Mittwoch, 03. Juni 2015, um 18 Uhr
PASOLINI’S LAST WORDS Pasolinis letzte Worte
USA/Italien 2012. R: Cathy Lee Crane. D: Lee Delong, Bochay Drum, Amanda Setton. 61 Min. Digital. OF
In ihrem elegischen Essayfilm kombiniert Cathy Lee Crane Archivaufnahmen Pasolinis aus den Monaten vor seiner Ermordung mit inszenierten Reenactment-Passagen, lyrischen Zitaten aus Pasolinis Romanen und poetischen Bildern. Pasolinis letztes Romanwerk Petrolio über das italienische Ölgeschäft, erst 1992 fragmentarisch veröffentlicht, steht im Zentrum des Films. PASOLINI’S LAST WORDS wirft neue Fragen auf, anstatt bekannte Antworten zu geben. Jörg Gerle vom Film-Dienst urteilte:
„Wundersam in ihren Analogien, spröde und mysteriös in ihren Aussagen, gelingt der Regisseurin keine Annäherung, sondern ein Kunstwerk über einen Künstler.“
Samstag, 13. Juni 2015, um 18 Uhr; Mittwoch, 24. Juni 2015, um 18 Uhr
PASOLINI L’ENRAGÉ Pasolini, der Zornige
Frankreich 1966. R: Jean-André Fieschi. Dokumentarfilm. 65 Min. BetaSP. OmU
(TV-Film aus der Reihe „Cinéastes de notre temps“)
Drei Jungen entdecken das einsam gelegene Haus eines alten, exzentrischen Mannes. In der bizarren Hoffnung, im Falle seines Todes als Erste die Leiche zu entdecken, spionieren sie ihn aus. Doch bald freunden sie sich mit dem störrischen Einsiedler an und beginnen sogar, seinen überwucherten Garten herzurichten. Als sie von dem Grund seiner Verbitterung erfahren, fassen die drei einen Plan.
Mittwoch, 10. Juni 2015, um 18 Uhr; Samstag, 27. Juni 2015, um 18 Uhr
DOUBLE-FEATURE
WIE DE WAARHEID ZEGT MOET DOOD Whoever says the truth shall die
Niederlande 1981. R: Philo Bregstein. Dokumentarfilm. 60 Min. DigiBeta. OmeU
Im Mittelpunkt dieses vielschichtigen biografischen Porträts über Pasolini, das auch seine familiäre Herkunft beleuchtet, stehen die ungeklärten Umstände seines gewaltsamen Todes. Hat der 17-jährige Stricher Pino Pelosi den Starregisseur tatsächlich getötet?
DIE AKTE PASOLINI
Deutschland 2013. R: Andreas Pichler. Dokumentarfilm. 52 Min. Blu-ray
(TV-Film aus der Reihe: „Die Kulturakte“)
DIE AKTE PASOLINI beschäftigt sich mit neuesten Erkenntnissen zur Ermordung Pasolinis: Der Prozess wurde 2010 wieder aufgenommen, nachdem Pino Pelosi sein Geständnis zurückgezogen hatte.
INFO:
ACCATONE, Bettler des Lebens, Lecture
Donnerstag, 11. Juni, um 20:30 Uhr
ACCATONE Accatone, Filmbeginn ca. 21:15 Uhr
PASOLINI’S LAST WORDS
Mittwoch, 03. Juni, um 18 Uhr
PASOLINI L’ENRAGÈ
Samstag, 13. Juni, um 18 Uhr und
Mittwoch, 24. Juni, um 18 Uhr
WIE DE WAARHEID ZEGT MOET
DOOD
Mittwoch, 10. Juni, um 18 Uhr und
Samstag, 27. Juni, um 18 Uhr
Website: www.pier-paolo-pasolini.de