Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Juni 2015, Teil 2
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) – Eric Lomax (Colin Firth) kennt sich bestens aus mit Zügen, Strecken und Verbindungen. Er kann die Fahrpläne sogar auswendig herunterbeten. Ehemalige Kameraden belächeln ihn deswegen. Aber Patti (Nicole Kidman), seiner großen Liebe und späteren Ehefrau, kann der gelernte Funktechniker mit seinem Spezialwissen durchaus imponieren. Auf einer seiner Reisen lernt er sie 1980 kennen.
„Die Liebe seines Lebens“ ist allerdings keine Liebesgeschichte, der deutsche Titel führt etwas in die Irre. Der Film basiert vielmehr auf der Autobiografie des schottischen Veteranen Eric Lomax: „The Railway Man“.
Lomax durchlitt ein ähnliches Martyrium wie der Olympialäufer Louis Zamperini, dem unlängst Angelina Jolie mit ihrem Drama „Unbroken“ ein Denkmal gesetzt hat. In beiden Filmen geht es um die brutalen Praktiken in japanischen Kriegsgefangenenlagern während des Zweiten Weltkriegs. Während jedoch Angelina Jolie zu weit ausholt und sich verzettelt, bleibt Regisseur Jonathan Teplitzky dichter an seinem Thema dran.
Lomax wurde 1942 mit dem Fall von Singapur zum Gefangenen der Japaner. Er wurde gezwungen, an einem geradezu irrwitzigen Unternehmen mitzuarbeiten: dem Bau der Eisenbahn von Burma nach Thailand.
Teplitzky schildert das Martyrium seines Helden sehr berührend, in künstlerischer Hinsicht allerdings überzeugt „Die Liebes seines Lebens“ weniger. Zwar sind die Bilder aus dem Gefangenenlager eindrücklich inszeniert, aber so wie sich Teplitzky Rückblende für Rückblende immer tiefer in die Schrecken der Erinnerung vorarbeitet, wirkt das Werk dramaturgisch zu simpel. So gesehen ist es vor allem das Sujet selbst, das „Die Liebe seines Lebens“ zu einem sehenswerten Film macht. Zwar schilderten schon andere Produktionen wie der preisgekrönte Dokumentarfilm „Enemy, My Friend“ oder der noch ältere Spielfilm „Die Brücke am Kwai“ aus dem Jahr 1957 von David Lean die grausamen Zustände in japanischen Gefangenenlagern - gleichwohl wissen nur wenige etwas darüber.
Lomax (den jungen spielt Jeremy Irvine) wird von seinem Widersacher Takashi Nagase sogar gefoltert, mittels einer Methode, für die es erst Jahre später eine Bezeichnung geben sollte: Waterboarding.
Die Erinnerungen an diese Gräuel reißen den Bahnexperten noch Jahrzehnte später nachts aus dem Schlaf und belasten die Beziehung zu seiner Ehefrau. Die besorgte, willensstarke Patti weiß nichts von dem ungeheuren Mut ihres Mannes, in Gefangenschaft ein Radio zu bauen und den unvorstellbaren Martern, die er erleiden musste, nachdem der Transistor entdeckt worden war. Sie will ihm helfen. Patti ist eine kleine, anspruchslose Rolle, aber Kidman gibt dieser Figur Charme und Wärme, so dass die Romanze zwischen Lomax und ihr nie kitschig wirkt.
Mit viel Feingespür schildert Regisseur Teplitzky immerhin, wie Eric sich allmählich doch durchringt, seine posttraumatischen Störungen ernst zu nehmen. Colin Firth ist vielleicht noch ein wenig zu jung für diese Figur, aber darüber sieht man gerne hinweg, als Schmerzensmann überzeugt er.
Der emotionale Halt seiner Frau gibt ihm die Kraft, schließlich den Kontakt zu dem Mann zu suchen, der ihn für sein Leben gezeichnet hat. Einem Zeitungsbericht zufolge arbeitet dieser Nagase (Hiroyuki Sanada) inzwischen am River Kwai als Touristenführer, scheinbar unbelastet von seiner Vergangenheit. Lomax lässt seinen ehemaligen Folterer nicht entkommen, nimmt aber auch keine Rache an ihm. Die späte Aussöhnung von Täter und Opfer bleibt allerdings nur eine Behauptung. Sie vollzieht sich im Film zu schnell gemessen an der langen Schreckenszeit. Es stellt sich nicht das Gefühl ein, dass Nagasa als Täter tatsächlich wie er beteuert, in tiefer Reue am Boden zerstört ist. Und Lomax, das Opfer, ist kein tief religiöser Gläubiger; er fühlt sich keinen christlichen Idealen verpflichtet. Allein seine übermenschliche Güte mag die noble Geste des Eisenbahn-Freaks erklären.
Im Abspann dann beschert der Film noch einen authentischen Ausklang mit Aufnahmen von Lomax und Nagasa in trauter Eintracht. Tatsächlich waren die beiden Männer bis ins hohe Alter Freunde.