Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. August 2015, Teil 3
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Das ist so richtig ein Film, zu dem man unterschiedliche Meinungen haben kann. Uns hat er gefallen, weil er das Lebensgefühl der 80er Jahr in der alten Bundesrepublik sehr gut wiedergibt, was natürlich nur für eine bestimmt grundsätzlich antiautoritär und antibürgerliche Schicht gilt. Gut geeignet für die, die sich erinnern wollen – genauso für die Nachgeborenen, die es nie erlebten.
Und diese jüngeren Leute werden staunen, was sich damals Jugendliche und junge Frauen und Männer herausnahmen. Beim Betrachten dieses Films kommt einem so richtig zu Bewußtsein, wie verbürgerlicht die heutige bundesdeutsche Gesellschaft ist. Aber man sieht auch, was man auch damals schon wissen konnte, daß diese Auflehnung gegen bestimmte Verhältnisse ohne Substanz geschahen – wir reden nur von TAXI, was in Hamburg spielt - , weil der Flucht aus dem Elternhaus und einem im Vorhinein überschaubaren Leben, kein eigener Lebensentwurf entgegengesetzt werden konnte.
Und jetzt die Geschichte. Alex, was von Alexandra kommt, ein hübsche und muntere junge Frau (Rosalie Thomass, sehr identisch, auch mit dem Geschminke) läßt ihren Brotberuf bei einer Versicherung sausen. Es war schon schlimm genug, daß sie die Ausbildung zur Versicherungskauffrau durchgestanden hatte. Sie, immerhin schon 25 Jahre, wohnt zu Hause, wo sie sich vor allem mit ihrem braven Bruder streitet, und weiß nur, was sie nicht will. Da kommt ihr die Anzeige eines Taxiunternehmens vor Augen. Sie bewirbt sich, erreicht den Taxischein, obwohl ihre Kenntnisse der Hamburger Straßen dürftig sind. Sie wählt sich die Nachtfahrten, weil das interessanter ist und man nicht dauernd im Stau steht. Unter ihrem Bett steht ein Karton, in dem sie das Geld hortet, das sie jetzt 'in echt' verdient.
Sie als Frau, noch dazu hübsch, ist ja nicht nur für die Kunden ein interessantes Objekt, sondern auch für ihre Kollegen, allesamt irgendwie halbverkrachte Existenzen, die hier eine Zwischenstation einlegen auf dem Weg ihres Lebens, der sie – wir ahnen es schon – als Studenten dann doch einmal auf die Chefseite führen wird.. Sehr unterschiedliche Typen, die eint, daß sie in gewissem Sinn temporäre Aussteiger sind. Das ist das eine. Das andere ist das Sammelsurium von Fahrgästen, mit denen Alex einiges erlebt, Gefährliches auch, aber auch Pittoreskes und Anrührendes.
In beiden Richtungen entwickelt sich der Film, wobei von den Kollegen her, ein schnittiger Dietrich (Stipe Erceg) ihr Gefährte wird, der belesen und künstlerisch interessiert, ach was, sich als Künstler fühlt und sie bilden und erziehen will. Sie ist also wieder da gelandet, wovon sie im Elternhaus mit ihrem Streberbruder und dessen Aufsteigerfreunden und den wohlmeinenden Eltern - „Laß wenigstens die Wäsche da!“ - davon gelaufen war. Doch dann kommt ein Fahrgast ihr nahe, was sie als spröde Person gar nicht will. Er ist Psychologe und gut im Geschäft, aber das für den Zuschauer erst einmal Ungewöhnliche ist, daß dieser Marc kleinwüchsig ist (Peter Dinklage) und sich von Alex nicht an der Nase herumführen läßt. So entwickelt sich der Film in einen Beziehungsclinch, wobei der amerikanische Schauspieler, der deutsch-irische Wurzeln hat, dem Film auf einmal Tiefe verleiht und nach dem Geplänkel echtes Leben suggeriert.
Höchste Zeit von Karen Duve, der Autorin zu sprechen, die auch das Drehbuch schrieb und von Kerstin Ahlrichs, die Regie führt. Das Buch ist nämlich tiefgründiger als der Film, der betrachtet man es vom Ende her, in lauter Einzelszenen zerfällt. Aber wir haben schon oben gesagt, daß dieser Film Ansichtssache ist. Wer eine schlüssige Handlung sucht und eine konsistent erzählte Geschichte, sollte das Anschauen bleiben lassen, wer einige gute schauspielerische Szenen, vor allem aber Nachtfahrten sowie die Achtziger Jahre liebt, hat einen Gewinn.
P.S. Schon komisch, daß so dicht hintereinander zwei Filme herauskommen, die TAXI heißen, der vom Perser Jafar Panahi und dieser nach Karen Duve. Unterschiedlicher können zwei Filme, die ums Taxi kreisen, kaum sein. Während beim iranischen Film, der auf der Berlinale 2015 zu Recht den Goldenen Bären gewann, der Taxifahrer und sein Taxi nur als Reflektionsfläche für die gesellschaftlichen Prozesse dient, die anhand der Fahrgäste uns vor Augen geführt werden, ist es in diesem Film die Taxifahrerin selbst, die durch ihr Leben, ihre Meinungen und Erfahrungen uns Einblick in die Lebensverhältnisse einer bestimmten jungen Klientel gibt. Das kann hier nicht vertieft werden, ist aber filmisch ein interessanter Aspekt.
Info:
Regie Kerstin Ahlrichs
Darsteller Peter Dinklage, Rosalie Thomass, Antoine Monot Jr., Robert Stadlober, Stipe Erceg, Armin R..
Genre Komödie
FSK 6
Land Deutschland
Jahr 2014
Verleih farbfilm verleih
Webseite http://taxi-film.de/
Der Roman von Karen Duve:
Goldmann hat den damaligen Spiegel-Bestseller jetzt als Sonderausgabe zum Film neu herausgebracht. Die Erstausgabe war erschienen 2003 und zwar im Eichborn Verlag, der seine Eigenständigkeit eingebüßt hat, was man hier wieder einmal bedauernd zur Kenntnis nimmt.