Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. August 2015, Teil 5

 

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) – Wenn schon, denn schon. Denn mit Film und Roman taucht man wirklich rund 30 Jahre zurück. Und wenn die Autorin Karen Duve gut begründen konnte, warum sie – die das alles selbst erlebt hatte – ein Buch der Achtziger schreibt, dann erklärt das noch lange nicht, warum Kerstin Ahlrichs das unbedingt verfilmen wollte.

 

Kerstin Ahlrich kommt aus Niedersachsen und schloß 2006 ihr Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin ab., hat verschiedentlich Fernsehfilme gemcht und diverse Kurz- und Dokumentarfilme. Auch diese Fragen entnehmen wir dem sorgfältigen und informativen Presseheft.

 

FRAGEN AN DIE REGISSEURIN

 

Wie kam es zu der Idee, den Roman von Karen Duve zu verfilmen?

 

Ich hatte einen früheren Roman von Karen Duve gelesen, der mich so begeisterte, daß ich umgehend mit ihr Kontakt aufnahm. Sie schrieb zu der Zeit an ihrem Roman „Taxi“ und im Ideenaustausch über den Roman, haben wir schnell festgestellt, daß wir gut zusammen arbeiten können, eine verwandte Sicht auf die Welt haben. Ich habe ihr dann ein Kreativkonzept für eine mögliche Verfilmung von TAXI vorgestellt, das ihr gefallen hat.

 

 

Alex ist eine typische Frau der 80er Jahre. Manchen erscheint sie als eine ungewöhnlich sperrige Figur, was können sie zu ihrer Hauptfigur sagen.

 

Ich fand es sehr reizvoll, diese ungewöhnliche Frauenfigur zu inszenieren. Diese eigensinnige weibliche Version des „angry young man“ die sich allen klassischen Erwartungen verweigert. Alex muß besonders tough sein, wenn sie als einzige Frau zwischen all den Asphalt-Cowboys bestehen will. Sie weiß, was sie nicht will, hat aber keine Ahnung, was sie will. Auf der Flucht vor sich selbst kommen ihr die unverbindlichen Begegnungen im Taxi und das coole Getue mit ihren Taxikollegen entgegen. Sie glaubt, das Pulsieren des Lebens zu spüren, wenn sie schräge Gestalten aus dem „Dschungel“ oder einer Rotlichtbar einsammelt.

 

Bis eines Nachts Marc in ihrem Wagen sitzt. Der lässt sich von ihrer Attraktivität und ihrem ruppigen Auftreten nicht einschüchtern. Diese Liebesgeschichte zwischen zwei – auf den ersten Blick sehr konträren – Außenseitern, die sich gegenseitig herausfordern, fand ich spannend.

 

 

Jede einzelne Rolle ist wunderbar besetzt. War es besonders schwierig den Cast zu finden?

 

Besetzung ist eine Leidenschaft von mir, deshalb hatten wir auch keine Casterin, wie sonst meist üblich. Es macht mir großen Spaß für eine Figur, die bisher nur im Drehbuch existiert, das richtige Gesicht zu finden und sie zum Leben zu erwecken. Ich habe alle Schauspieler/innen ausgewählt und auch getroffen, um die Rollen zu besprechen. Letztlich war es nicht schwer eine gute Besetzung zu finden, da das Drehbuch von Karen Duve mit seinen ungewöhnlichen Figuren und Dialogen Schauspieler/innen natürlich reizt.

 

 

Wie kam es zu dem Clou, Peter Dinklage – der Dank GAME OF THRONES ja eine riesige Fangemeinde hat – für den Dreh zu gewinnen?

 

Karen Duve und ich, wir kannten ihn schon aus seinen früheren Filmen. Er war immer unsere Wunschbesetzung, wobei nicht klar war, ob das tatsächlich klappen könnte.

 

Nachdem Peter Dinklage das Drehbuch gelesen und Interesse signalisiert hatte, sind Rosalie Thomass und ich nach New York geflogen und haben uns mit ihm in einem New Yorker Vorort in einem Studentencafé getroffen. Bei Salat und Tee haben wir uns über das Projekt unterhalten und ich merkte schnell, dass die Chemie zwischen uns dreien stimmte. Peter gefiel das Drehbuch und seine Rolle darin. Ihn reizte, nicht wie sonst den kühlen Intellektuellen sondern eine physischere Rolle zu spielen. Während der Vorbereitungszeit von TAXI ist er dann durch den Erfolg von Game Of Thrones immer bekannter geworden, was uns einerseits natürlich gefreut hat und andererseits die Frage aufwarf, ob sein Interesse an dem Projekt bestehen bleiben würde und ob seine Gagenvorstellungen für uns machbar blieben. Zum Glück hat alles geklappt.

 

 

Es fällt auf, dass der Film durch sein wunderbares 80er Jahre Setting besticht – das auch beim Licht, dem Schnitt, der Kameraeinstellung durchgezogen wurde. Können Sie dazu ein paar Worte sagen?

 

Für TAXI – NACH DEM ROMAN VON KAREN DUVE haben wir versucht das Hamburg der 80er Jahre wieder auferstehen zu lassen, was gar nicht so einfach war. Für alle kreativen Abteilungen war das eine spannende Herausforderung. Besonders für die Ausstattung (Motive, Autos, Einrichtung), Kamera (Licht, etc.) Kostüm und Maske. Die Kamerafrau Sonja Rom und ich, wir haben uns in der Vorbereitung Filme aus den 80ern angesehen und einen passenden Look für TAXI – NACH DEM ROMAN VON KAREN DUVE entwickelt. Wir entschlossen uns viel mit farbigem Licht zu arbeiten und die Fahrten im Studio zu drehen. Die vorher aufgenommenen Hintergründe – die sogenannten Plates – wurden dann später digital mit den Studiobildern zusammengeführt. Das ist aufwendig, ermöglicht beim Dreh aber eine größere Freiheit für die Schauspieler/innen und für die Kameraarbeit.

 

 

Karen Duve hat das Drehbuch selbst geschrieben. Wie weit ging ihre Mitarbeit beim Dreh?

 

Karen Duve ist 14 Jahre nachts in Hamburg Taxi gefahren, die Geschichte bezieht sich in vielen Teilen auf ihre damaligen Erlebnisse. Deshalb war es gut, sie von Beginn an eng in die Arbeit an TAXI – NACH DEM ROMAN VON KAREN DUVE einzubeziehen und ihr hat es großen Spaß gemacht sich einzubringen. Sie hat auch Rosalie Thomass vor den Dreharbeiten kennen gelernt und war zu meiner Freude gleich begeistert.

Karen hat uns in vielerlei Hinsicht unterstützt. So hat sie uns ihre Wohnung in Hamburg für die Dreharbeiten für Alex´ und Dietrichs Loft zur Verfügung gestellt, original Requisiten geliehen und uns sogar originale Kleidung für Rosalie Thomass von ihrem Dachboden geholt. Selbst ihre Bulldogge Bauzi hat einen kleinen Auftritt im Taxi. An den Vorproben mit Rosalie und Peter hat sie teilgenommen, so konnten wir etwaige Änderungen gleich besprechen und ins Drehbuch einarbeiten. An einzelnen Drehtagen war sie als Gast am Set, aber in den knapp durchgetakteten Drehabläufen ist kaum noch Zeit für Gespräche. Die haben wir im Vorfeld geführt.

 

 

Was die Regisseurin zum fertigen Film meint

 

TAXI – NACH DEM ROMAN VON KAREN DUVE ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Karen Duve und erzählt von jungen Menschen, die sich in der vordigitalen Zeit als Taxifahrer durchschlagen. Sie halten sich für eine intellektuelle Avantgarde und beteuern sich gegenseitig, dass noch etwas Besseres kommt, irgendwie, irgendwo, irgendwann. Bis es soweit ist, philosophieren sie über die Welt und fahren zwischen Elbe und Alster Menschen durch die Nacht, die ihnen der Zufall auf die Rückbank spült. Begleitet vom Kassettenradio geben sie sich dem fragilen Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit hin.

 

Kostüm und Ausstattung des Films zeigen mit viel Liebe fürs Detail die gegensätzlichen Trends der 80er: Neon-Farben wetteifern mit Pastelltönen, Lederjacken und Cowboystiefel stehen neben Bundfaltenhosen und Schulterpolster, Punk-Kaschemmen sind ebenso präsent wie Vorstadt-Jugendzimmer oder coole Lofts. Wir haben das große Glück, dass Karen Duve nicht nur das Drehbuch zu dem Film selbst verfasst hat, sondern uns auch bei der Ausstattung tatkräftig aus ihrem eigenen Fundus unterstützt hat. So trägt Rosalie Thomass sogar ihre Kleider, die original aus den 80ern stammen, und wir konnten auch in der alten Wohnung von Karen Duve drehen.

 

Die 80er markieren auch das letzte Jahrzehnt vor Beginn des Zeitalters von Computern und Political Correctness. Aktien und Piloten-Spiele gelten als vielversprechende Geldanlagen, Schallplatten werden nass abgespielt, Männer erklären Frauen, warum sie grundsätzlich unterlegen sind und dabei wird ununterbrochen geraucht. Nicht nur Zigaretten.

 

In TAXI – NACH DEM ROMAN VON KAREN DUVE wird die klassische Reise eines Helden zu sich selbst erzählt, nur dass es sich diesmal um eine Heldin handelt. Am Steuer ihres Taxis versucht Alex ihre piefige Vergangenheit hinter sich zu lassen, muss aber feststellen, dass sie doch nur im Kreis fährt. Alex verweigert sich allen Rollenerwartungen. Sie weiß sehr genau, was sie nicht will, hat aber keine Ahnung, was sie will. Erst als sie eine Liebesbeziehung mit dem kleinwüchsigen Marc beginnt, der als einziger die Souveränität besitzt, hinter Alex’ attraktive und ruppige Fassade zu schauen, findet sie Wärme und Verständnis. Sie wehrt sich gegen ihre Gefühle und bringt Marc ihrerseits mit ihrer mitleidlosen Direktheit immer wieder an seine Grenzen. Und so endet die Liebesgeschichte zwischen den beiden Außenseitern, die sich gegenseitig herausfordern und verletzen, auch beinahe in einer Katastrophe.

 

Foto: Kerstin Ahlrichs(c) Steven Mahner

 

Info:

TAXI, der Film

Regie    Kerstin Ahlrichs
Darsteller    Peter Dinklage, Rosalie Thomass, Antoine Monot Jr., Robert Stadlober, Stipe Erceg, Armin R..
Genre    Komödie
FSK    6
Land    Deutschland
Jahr    2014
Verleih    farbfilm verleih
Webseite    http://taxi-film.de/

 

TAXI, der Roman von Karen Duve im Goldmann Verlag, 2015

Goldmann hat den damaligen Spiegel-Bestseller jetzt als Sonderausgabe zum Film neu herausgebracht. Die Erstausgabe war 2003 erschienen und zwar im Eichborn Verlag, der seine Eigenständigkeit leider eingebüßt hat, was man hier wieder einmal bedauernd zur Kenntnis nimmt.