Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27.August 2015, Teil 2
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - In einem weiten Tal liegen drei Königreiche, die friedlich nebeneinander existieren. Die Herrscher haben aber alle etwas gemeinsam, sie sind unglücklich und unzufrieden mit ihrer Situation.
Am Hof des Königs von Longtrellis (John C. Reilly) mögen Gaukler und Akrobaten die Hofgesellschaft amüsieren, die Königin (Selma Hayek) ist deprimiert. Sie hat nur einen Wunsch, sie will seit Jahren ein Kind bekommen. Ein Wahrsager erzählt ihr, dass sie das Herz eines (weißen) Seeungeheuers - von einer Jungfrau gekocht - verspeisen muss. Leider verunglückt ihr Mann beim Einfangen des Ungeheuers. Sie wird einen Sohn - Elias (Christian Lees) - bekommen. Auch die Jungfrau, die das Herz gekocht hat, wird einen Sohn - Jonah (Jonah Lees) - gebären. Beide Jungen haben schlohweißes Haar und gleichen sich auch als 16jährige Jugendliche wie ein Ei dem anderen. Eifersüchtig verfolgt die Königin die innige Freundschaft der beiden und schiebt ihr einen Riegel vor, indem sie Jonah und seine Mutter des Schlosses verweist. Als Elias Signale erhält, Jonah könnte etwas zugestoßen sein, bricht er gegen den ausdrücklichen Wunsch der Königin auf, den Freund zu suchen, auch wenn er sich damit in Lebensgefahr bringt.
Der König von Highhills (Toby Jones) langweilt sich beim Musizieren seiner einzigen Tochter Violet (Bebe Cave). Er findet einen Floh auf seinem Arm. Er zerquetscht das Insekt nicht, sondern erfreut sich an den Kunststücken des Tierchens, der durch die gute Fütterung des Königs bis zur Größe eines Schweins heranwächst. Als das Tier krank wird, müssen die besten Gelehrten und Ärzte des Landes versuchen, es zu retten. Doch der Riesen-Floh verendet. Zur gleichen Zeit bittet seine Tochter den König, ihr einen Gemahl zu suchen. Dieser verlangt, dass der zukünftige Bräutigam ein Rätsel lösen soll. Er soll beantworten, von welchem Tier die ausgestellte Haut (des Flohs) sei. Leider wird das Rätsel nicht von einem der schmucken Prinzen, sondern von einem hässlichen und ungeschlachten Oger beantwortet. Der König sieht keine Chance, wie er sein Versprechen umgehen kann. Violet muss dem Oger zu seiner einsamen Höhle in den Bergen folgen und dort niedrigste Arbeiten verrichten. Alle Fluchtversuche scheitern bis Violet eines Tages auf der anderen Seite der tiefen Schlucht, Menschen sieht und auf Rettung hofft
Der König von Strongcliff (Vincent Cassel) hat so ziemlich alle Frauen seines Königreiches geliebt. Als er die liebreizende Stimme von Dora (Hayley Carmichael) hört, verliebt er sich sofort in sie, ohne zu wissen, dass sie alt und hässlich ist. Nach einigem Hinhalten gibt sie sich ihm im Dunkeln hin, nachdem ihre Schwester Imma (Shirley Henderson) ihre schlaffe Haut und ihre hängenden Brüste so gut es geht getarnt hat. Da sie aber im Zimmer des Königs eingeschlafen ist, wirft der König am nächsten Morgen einen Blick auf die schlafende "Schöne", ist von ihrem Aussehen geschockt und lässt sie kurzerhand aus dem Turmfenster werfen. Durch einen glücklichen Zufall bedeutet dies aber nicht ihren Tod, sondern sie wird von einer Fee in eine schöne, junge, rothaarige Frau (Stacy Martin) verwandelt. Bei deren Anblick ist der König hingerissen und will sie auf der Stelle heiraten. Da gibt es aber noch ihre Schwester Imma, die jetzt auch gerne wieder jung werden möchte.
Das Märchen der Märchen ist Regisseur Matteo Garrones erster englischsprachiger Film. Er hat sich von der Märchensammlung "Il Racconto dei Racconti" (das Pentameron) des Barockdichters Giambattista Basile (1575 - 1632) inspirieren lassen. Folgende drei Geschichten wurden als Grundlage ausgewählt und teilweise modernisiert: "Die hinterlistige Hirschkuh" (La cerva fatata), "Der Floh" (Lo polene) und "Die geschundene Alte" (La vecchia scorticata). Alle drei gehören zu den Märchen des ersten Tages. Die einzelnen Episoden werden nicht hintereinander erzählt, sondern in Abschnitte geteilt, die gegeneinander geschnitten sind. Diese Aufteilung macht den Film etwas unausgeglichen und an vielen Stellen auch vorhersehbar. Verbunden werden die Teile durch eine Beerdingung am Anfang und eine Krönung am Ende des Films, zu der sich alle Charaktere auf einem der Schlösser versammeln.
Der Film wurde an realen Orten gedreht, die aber alle etwas Fantastisches und Unwirkliches an sich haben, z.B. die Schluchten des Gole dell'Arcantara auf Sizilien, die etruskischen Höhlen von Vie oder den Wald von Sasseto. Das bekannteste Schloss war Castel del Monte, ein Bauwerk, das zur Zeit des Stauferkaisers Friedrich II. in Apulien begonnen wurde, und das als Schloss des Königs von Highhills diente. Auch die Kostüme von Massimo Cantini Parrini wurden an die Zeit der Entstehung des Buches, dem frühen Barock, angelehnt.
Die drei Episoden drehen sich um die gleichen Themen: Leben und Tod, Geburt und Sterben, Schönheit und Hässlichkeit.
Es entsteht ein Film, der gleich mehrere Filme in sich vereint und zwischen den einzelnen Erzählsträngen hin und her springt, bis sich diese Episoden am Ende zu einem großen Ganzen vermengen – zumindest für kurze Zeit, wenn sich alle Majestäten am Ende auf einem Schloss versammeln. Das letzte Bild bleibt im Kopf haften und zeigt, dass "Das Märchen der Märchen"ein spannenderHochseilaktaus Kühnheitund Phantasie ist.
Fazit: Ein mit kleinen Abstrichen sehenswerter Märchenfilm für Erwachsene.
Info
Das Märchen der Märchen (Italien, Frankreich, Großbritannien 2015)
Originaltitel: Il Racconto Dei Racconti (Tale of Tales)
Genre: Märchenfilm
Filmlänge: 133 Minuten
Regie: Matteo Garrone
Drehbuch: Matteo Garrone, Eduardo Albinati, Ugo Chiti, inspiriert von "Il Racconto dei Racconti" von Giambattista Basile
Darsteller: Salma Hayek, Vincent Cassel, Toby Jones, John C.Reilley u.a.
Verleih: Concorde Filmverleih
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 27.August 2015
Bild: Filmplakat © Concorde Filmverleih