Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. September 2015, Teil 2

 

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) – Stimmt schon, daß man der so blond, mild und schön aussehenden Nicole Kidman vorwerfen kann, daß sie formvollendet gekleidet und frisiert als Gertrude Bell aus England um 1900 tagelang Afrikas Wüsten auf dem Kamel durchquert und beim Ankommen noch genauso makellos aussieht, wie beim Losreiten, aber dennoch ist uns das teilweise gehässige Abmeiern von Regisseur Werner Herzog dann doch zu viel.

 

Fragen wir doch mal umgekehrt, was man überhaupt sieht? Eine junge englische Industriellentochter, die sogar damals schon in Oxford studieren darf, mag nicht verheiratet werden und sieht, wie ihre Familie, den Ausweg im Auslandsaufenthalt in Kairo. Das wird nun für ihr ganzes Leben bestimmend. Denn sie leckt Blut, was die Beschäftigung mit dem Orient angeht und von heute her ist sie nicht nur eine Abenteurerin – das gehörte unter den damaligen Umständen des Reisens, mangelnder Bequemlichkeit und hohem Sicherheitsrisiko unbedingt dazu – , sondern eine Forschungsreisende, die die späteren Disziplinen wie Archäologie, Geschichte, Ethnologie, Reiseschriftstellerei, Flora und Fauna genauso ausübt, wie die als politische Beraterin der Scheichs und Mitarbeiterin des englischen Geheimdienstes. Heute weiß man, daß sie an der durch die Großmacht England vorgenommenen politischen Aufteilung Nordafrikas als Beraterin mitgewirkt hat.

 

Und ehrlich gesagt, traut man ihr das im Film auch alles zu. Denn sie hat nicht nur eine gute Erziehung, sondern Köpfchen und genug Herz, auch schwierige Situationen durchzustehen und sich, wenn es sein muß, elegant aus der Affäre zu ziehen. Allerdings bleibt sie bei der Affäre, die sie in Liebe in Kairo mit dem dortigen Sicherheitsbeauftragten Henry Cadogan (James Franco) verbindet, auf der Strecke. Traurig. Denn uns haben diese Szenen gefallen, wobei vor allem die Gegensätze von Innigkeit und dann drohender Gefahr mit dem gewaltigen Geier einen Hauch von Wahnsinn verbreiten, der gut tut.

 

Man muß sich doch eher, als sich über die etwas biedere Erzählweise des Films aufzuregen, fragen, weshalb bisher in unseren Breiten kein Mensch etwas von dieser Gertrude Bell wußte. Und deshalb ist es richtig, daß Werner Herzog zum ersten Mal eine Frau zur Hauptperson eines seiner Filme machte. Denn jetzt kennt sie die Welt, zumindest als geschichtliche Erscheinung. Wohl unbeabsichtigt, kommt dabei der Sockel, auf dem der bisher als strahlender Nordafrikaheld gefeierte Lawrence von Arabien – alles englische Propaganda übrigens,, transportiert über Hollywoodfilme – steht, gehörig ins Wanken. Der nämlich hat einen kurzen Auftritt in Kairo, was unser Bild festhält und zeigt, daß der Superheld – hier in jungen Jahren – in Person des Robert Pattinson einen linkischen, einfach nur noch zum Auslachen reizenden Auftritt hat. Ein Pappkamerad. Da verschieben sich die Werte von der historischen Größe von Personen gewaltig.

 

Was wir an dem Film phantastisch finden, ist einmal, daß er in der konventionellen Form dem entspricht, aus welcher Zeit er erzählt. Genauso, wie die Bilder sind, stellen wir uns die Briefe der Gertrude über das Erlebte nach Hause vor. Er stellt uns eine für europäische Augen pittoreske Welt vor, noch vor dem Einbruch des Westens und des Tourismus in die orientalische Welt. Er zeigt uns damit auch die unglaubliche Gastfreundschaft der Araber, die als Wüstenvölker andere Verhaltensformen haben, als die englische Mittel- und Oberklasse. Und die potentiell gefährlich werden, wenn man ihre Sitten und Gebräuche nicht respektiert. Vor allem aber sieht man Landschaften, sieht den Sand, sieht die Sterne, auch den Sandsturm und einfach die Weite des Horizonts, daß einem das Herz aufgeht vor der Schönheit der Erde. Vielleicht ist das nur ein Nebenprodukt, aber wir hatten an der Filmerzählung Gefallen, wobei wir zugeben, daß auch in unserer Erinnerung wohl eine Gertrude Bell immer wie Nicole Kidman aussehen wird, eine alterslose liebenswürdige Erscheinung. Sie macht aber Lust, sich mit den Schriften dieser Frau ernsthaft zu beschäftigen. Wie oft passiert einem das nach Filmen?

 

 

Unser Bericht zur Berlinale 2015

 

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