Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Oktober 2015, Teil 3

 

Margarete Frühling

 

München (Weltexpresso) - Marguerite Dumont (Catherine Frot) ist Mitte Vierzig, kinderlos, außerordentlich reich und verheiratet mit Baron Georges Dumont (André Marcon). Auf dessen Schloss vor den Toren von Paris gibt sie regelmäßig Wohltätigkeitskonzerte, bei denen ausgebildete Sängerinnen wie Hazel (Christa Théret), die in letzter Minute als Ersatz für eine verhinderte Kollegin engagiert wurde, auftreten.

 

Marguerite singt als Höhepunkt des ersten Konzerts des Filmes die Arie der Königin der Nacht. Leider hat ihr bisher niemand gesagt, dass sie entsetzlich falsch singt und kaum einen Ton trifft. Dies gilt nicht nur für die Gäste sondern auch für ihren untreuen Gatten, der auf ihr Geld angewiesen ist, und für den ihr treu ergebenen Diener Madelbos (Denis Mpunga), der sie regelmäßig in verschiedenen Opernrollen fotografiert.

 

Bei dem Konzert hat sich der junge Journalist Lucien (Sylvain Dieuaide) zusammen mit seinem Freund Kyril (Aubert Fenoy) Zutritt verschafft. Er ist von der Reaktion der Gesellschaft schockiert, die Maguerites "Gesang" spöttisch über sich ergehen lässt. Er schreibt am nächsten Tag einen Artikel in seiner Zeitung, den man eher als ironisch verbrämte positive Kritik lesen kann. Marguerite liest aber nur das Positive heraus.

 

Sie besucht Lucien in der Redaktion und wird von ihm und seinem dadaistisch-anarchistischen Freund Kyril gebeten, bei einer von ihnen organisierten kulturellen Veranstaltung mitzuwirken. Da sie dort auf gewohnt schräge Weise die "Marseillaise" singt, wird sie und alle anderen verhaftet, was sie aber nicht als Schmach, sondern als ein spannendes Abenteuer empfindet.

 

Obwohl die Baronin nach diesem Vorfall von ihren adligen Freunden gemieden wird, hält sie an ihrem Traum fest, eines Tages vor zahlendem Publikum auf einer großen Opernbühne aufzutreten. Sie lernt bei einer Opernaufführung den eitlen Operntenor Atos Pezzini (Michel Fau) kennen, den sie bittet, ihr Gesangslehrer zu werden. Beim Vorsingen trifft Marguerite leider wieder kaum einen Ton. Pezzini erkennt, dass sie unmusikalisch ist, lobt aber trotzdem ihre Stimme als ausgesprochen "interessant und sehr individuell". Er wünscht sich Bedenkzeit, wird aber von Marguerites Diener Madelbos mit Hinweis auf ein paar "Leichen im Keller" erpresst, den Job anzunehmen.

 

Pezzini gibt sich redliche Mühe, Marguerite zu einer Sängerin zu formen, hat aber mit seiner Stimmschulung, einschließlich Atemübungen, Haltung und Auftrittsvorbereitung keinen Erfolg. Auch eine Entzündung der Stimmbänder kann sie nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Sie übt 18 Stücke für den bevorstehenden Konzertabend ein. Ihr Mann versucht sie von ihrem Vorhaben abzubringen, scheitert aber - wie schon vorher - im letzten Moment.

 

Am Tag des Konzertes sind alle Eintrittkarten verkauft, auch ihre jungen Freunde sind da. Als Marguerite sieht, dass auch Georges da ist, der wie üblich zu spät kommt, betritt sie die Bühne in einem Kostüm mit Engelsflügeln und beginnt zu singen....

 

 

Der Regisseur und Drehbuchautor von "Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne", Xavier Giannoli, hat zugegeben, dass ihn die Geschichte der Amerikanerin Florence Foster Jenkins inspiriert hat, die ab 1912 für ihre Gesangsauftritte belächelt wurde, da sie weder Ton noch Rhythmus der ausgewählten Kompositionen traf.

 

Xavier Giannoli hat seinen Film in Paris zwischen 1920 und 1921 angesiedelt. Neben der traditionellen konservativen Oberschicht spielen auch die jungen Künstler eine Rolle, die sich für Dadaismus und moderner Musik begeistern. Allerdings wird nur Hazel als wirklich ernsthafte Sängerin dargestellt, die konsequent moderne Stücke ihrer Musikerfreunde singt, während Lucien zwar immer über seinen Roman redet, den er schreiben will, man aber nicht das Gefühl hat, dass er wirklich daran arbeitet.

 

Doch Dreh- und Angelpunkt des Films ist Marguerite, die wunderbar von Catherine Frot gespielt wird. Sie spielt und singt die Baronin, die fest an ihr Können glaubt, mit beeindruckender Naivität. Dadurch wird sie trotz aller falschen Töne nie der Lächerlichkeit preisgegeben. Genau besehen ist Madame Dumont eine unglückliche Frau, die warmherzig, großzügig und einsam ist, sich nach echten Freunden und Anerkennung und vor allem nach der Liebe und Respekt ihres Mannes sehnt, der aber mehr an ihrem Geld interessiert ist und erst ganz zum Schluss erkennt, welch wunderbare Frau er doch geheiratet hat.

 

Der Zuschauer merkt im Laufe des Films, dass sie von allen anderen nur ausgenutzt wird und eigentlich keinen wirklichen Freund hat. Dies wird besonders deutlich, als selbst der Diener Mandelbos, der während des gesamten Films zu Marguerite gehalten hat, am Ende nur noch seine eigenen künstlerischen Ziele verfolgt.

 

Leider werden die Motive der Nebenfiguren nicht genügend ausgearbeitet und ihre Geschichten nur angedeutet, so dass ihre Hintergründe und Motive nicht immer verständlich werden. So empfindet man alle, außer der Sängerin Hazel, nur als Schmarotzer.

 

Catherine Frot als Marguerite zeigt ein berührendes und unterhaltsames Porträt einer selbstbewussten Frau, die sich allem Spott zum Trotz niemals die Leidenschaft und Liebe zur Musik nehmen ließ, auch wenn man als Zuschauer manchmal nicht weiß, ob man bei ihren Gesangseinlagen lachen oder weinen soll.

 

Insgesamt ist "Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne" ein wundervoller Film, der trotz des Titels nur wenige falsche Töne trifft.

 

Hinweis: Die Originalgeschichte über Florence Foster Jenkins wurde übrigens von Stephen Frears mit Meryl Streep verfilmt und wird voraussichtlich am 24. November 2016 in die deutschen Kinos kommen.

 

Info:

Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne (Frankreich, Tschechien 2015)

Originaltitel: Marguerite

Genre: Tragikomödie

Filmlänge: 129 Min.

Regie: Xavier Giannoli

Drehbuch: Xavier Giannoli unter Mitwirkung von Marcia Romano

Darsteller: Catherine Frot, André Marcon, Michel Fau, Christa Théret, Denis Mpunga u.a.

Verleih: Concorde Filmverleih

FSK: noch nicht bekannt

Kinostart: 29.10.2015

 

Bild: Marguerite (Catherine Frot) übt mit ihrem Diener Mandelbos (Denis Mpunga) © Concorde Filmverleih