Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Oktober 2015, Teil 4
Konrad Daniel
Hamburg (Weltexpresso) – Was wie ein Potpourri schwieriger Lebenssituationen von einzelnen Menschen unzusammenhängend beginnt, verdichtete sich zu einer Familiengeschichte, wobei von der Familie nur Vater und Tochter übrig geblieben sind, die auf unterschiedliche Weise um die tote Mutter und Gattin trauern.
Der Vater (Janusz Gajos) ist Untersuchungsrichter, was es leichter macht, den täglichen Arbeitsanfall auch als Ausrede zu benutzen, die Trauerarbeit aufzuschieben. Die Tochter Olga (Justyna Suwala) dagegen hat nicht nur mit dem Verlust zu kämpfen, sondern auch damit, daß sie dem Vater die Schuld am Tod der Mutter gibt. Bei ihr führt das zur Magersucht, die in der Konsequenz für den Vater so bedrohlich ist, daß er die Tochter in eine Klinik einweisen läßt, wo die erste Maßnahme eine Therapie ist.
Blickt man sich die beiden – Vater und Tochter – noch einmal genauer an, und denkt auch an den Filmtitel BODY, dann fühlt man, daß bei beiden die Trauer komplementär ausfällt: es geht um den Körper und Nahrung. Die eine verweigert und schwächt ihren Körper, was zum Tode führen kann. Der andere frißt drauf los, trinkt, raucht, was Übergewicht, Kreislaufstörungen und Herzversagen als Konsequenzen haben kann. Zwei Seiten der selben Medaille, die Trauer im Herzen nicht ohne Beschädigung des Selbst verarbeiten zu können.Das ist das eine. Das andere ist, daß Olga ihrem Vater seine Fressorgien nicht verzeihen kann und dies zu Moralpredigten über Massentierhaltung und andere Gemeinheiten gegen Lebewesen nutzt.
Die Regisseurin Malgorzata Szumoswka war bei der vorletzten Berlinale durch einen bemerkenswerten Film im Wettbewerb aufgefallen, der von einem jungen Priester und die Unterdrückung seiner homosexuellen Neigungen handelte und ein Polen ohne menschliche Substanz zeigte. Das ist in diesem Film nur graduell besser, was auch dadurch kommt, daß Bewegung entsteht. In der Klinik wird Olga nämlich von Anna (Maja Ostaszewska) psychologisch betreut, die anders ist und anders mit ihr umgeht, als Olga das kennt.
Dabei können auch wir eine Menge lernen, denn in den Therapiestunden von Anna passieren durch die Körperbilder mit den Schutzbefohlenen eine Menge. Und während wir noch dabei sind, die durch die Personenkonstellationen vorgegebene Handlung nach ihren Weiterentwicklungen zu durchforsten, bringt die Regisseurin eine andere Ebene ins Spiel. Denn Rationalität und die Darstellung der tristen Wirklichkeit ist nur das eine. Das Irrationale, aber auch Irreguläre ist genauso in der Welt, auch in dieser Welt in Polen vorhanden, wenn der Verstandesmensch Untersuchungsrichter auf einmal erlebt, wie sich die Tür zum Zimmer seiner Frau öffnet oder sich die Nachbarn beschweren, daß die Lieblingsmusik seiner Frau so laut ertönt – obwohl niemand zu Hause ist.
In diesen Kontext gehört auch die Esoterik, die Anna lebt. Denn die Therapeutin therapiert sich auch selbst, denn ihr Baby war vor Jahren den plötzlichen Kindstod gestorben, weshalb sie außerhalb ihrer Arbeit zurückgezogen mit dem großen Hund in der Wohnung lebt. Alles beschädigte Menschen. Alles Menschen, die merken, daß sie miteinander weiterkommen, als alleine vor sich hin zu dümpeln. Da ergibt dann auch das Anfangsbild einen nachträglichen Sinn, wenn der am Seil aufgeknüpfte Selbstmörder an einem Baum vom Polizisten abgeschnitten wird, zu Boden plumpst, dann aber anfängt weiterzulaufen. Das Leben ist eben vielfältig und Filme können sowohl schwarzen Ernst wie heitere Komik enthalten.
Info:
BODY war im Wettbewerb der 65. Berlinale und wurde in Weltexpresso besprochen. Dies und die Verleihung des Silbernen Bären für Regie in den Artikeln: