10 Jahre Jubiläum des naxos.Kinos Frankfurt mit MAUS UND KATZ und Mario Adorf,     Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Daß mit dem Bürgermeister Heinz Lückert (Mario Adorf) in der Tat der damalige OB Walter Wallmann gemeint ist, wurde ausdrücklich betont, und das muß man auch dazu sagen, weil Adorfs rheinischer Tonfall einfach nach Köln gehört.

 

Wallmann wird heute ja ein positives Wirken auf die Stadtpolitik (OB von 1977 bis 1986) zugemessen, was zumeist mit dem Gewährenlassen des sozialdemokratischen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann begründet wird, den er im Amt behielt und den er das avisierte Museumsufer mit den zahlreichen Museen bauen ließ. Walter Wallmann gilt als die würdevolle Person, wozu auch sein späteres Wirken erst als Bundesminister (1986/87) und dann als hessischer Ministerpräsident (1987 bis 1991) gehört.

 

Schaut man bei Wikipedia nach, so kann man lesen: „Des Weiteren sorgte er für die Sanierung des Frankfurter Bahnhofsviertels“. Das ist eine feine Umschreibung für die kriminellen Akte seiner Politik, die unter der Decke stattfanden, und die im Film satirischen Ausfluß finden. Die zweite reale Figur ist sein Widersacher, der zum Kumpan wird, der Bordell- und Immobilienbesitzer Hersch Beker, den Dieter Mann als Koslowski zwar als durchaus brutalen und durchsetzungswilligen Boß spielt, der auch seiner Liebe, mit der er einen Sohn hat, brutal kommt und diese zudem mit seinem Sohn verheiraten will, der aber als Familienmensch auch menschlich und sympathisch rüberkommt. Eine differenzierte Darstellung, das ist schon mal was.

 

Das alles weiß man überhaupt nur so genau, weil u.a. der Spiegel in seiner Ausgabe 28/1990 vom 9.7. unter AFFÄREN über die Geständnisse des Frankfurter Bordellkönigs Beker berichtet, die belegen, wie tief die ehemalige CDU-Stadtregierung in die Bekergeschäfte verwickelt war. Sagenhaft die Treffen bis in den Morgen in der Bar im Bahnhofsviertel, die die Brüder Beker, „die sich die Vorherrschaft über Puffs, Peepshows und Spielcasinos erkämpft hatten“ bespielten und sich hier mit ihren Konkurrenten oder Partnern trafen, zu denen meist auch Männer vom Ordnungsamt gehörten,also eigentlich die, die kontrollieren sollten. Absolut den Bock zum Gärtner gemacht. Und das in einem CDU Magistrat. Das Gerichtsverfahren gegen die Bekers als Anführer einer kriminellen Vereinigung wegen Korruption, illegalen Glücksspiels u.a. gab es erst, als die CDU abgewählt wurde. Doch da hatten sich die Bekers schon nach Israel abgesetzt. Und Wallmann war Bundesminister, wenn auch 'nur' für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit“. Alles unglaublich.

 

Im Film geht es um die dubiosen Grundstücksgeschäfte, mit denen sich der Weiße-Weste-Politiker Heinz Lückert im Film selber ins Bein schießt, weil er die Geschäfte so laufen läßt, daß sehenden Auges die Kommune Millionenverluste erleidet, aber angeblich ein sauberes Frankfurt, nein im Film: eine saubere Stadt erhält. Das berühmt, berüchtigte Bahnhofsviertel sollte von den Ausdünstungen von käuflichem Sex gereinigt werden, und in der Breite Gasse, von der Zeil abgehend, wurde für geringen Grundstückspreis ein Riesenkomplex gebaut, den die Brüder Beker als vielhundertfaches Bordell nutzen wollten. Für teuer Geld hatten sie sich von der Stadt ihre Liegenschaften im Bahnhofsviertel, das ja sauber werden sollte, abkaufen lassen. Das Zynische daran war dann noch, daß die Immobiliengeschäfte, die der Stadt Frankfurt einen Verlust von über 17 Millionen Mark einbrachten – wie sind hier Ende der 80er Jahre, wo 17 Millionen sehr viel mehr waren als heute – über eine Tarnfirma abgewickelt wurden, die „Allgemeiner Almosenkasten“ hieß, weil dies wirklich eine historisch eingeführte Stiftung war, hier ins Gegenteil zweckentfremdet.

 

Übrigens wurde drei Tage vor der Kommunalwahl 1989, die die CDU verlor, noch eine weitere Gefälligkeit seitens der Stadt gegenüber den Brüdern Beker vollzogen, die im Film ebenfalls eine Rolle spielt: Es wurden Entschädigungen vereinbart, die auf einmal – was man zuvor schon wußte – zusätzlich eine horrende Summe von 1, 5 Millionen ausmachte, obwohl das alles schon vorher bekannt war, das Ganze also nichts als Schwindel und Kumpanei zwischen Wallmann und den Bekers war. Es wurde auch klar, daß 1989 erst die Summe gezahlt wurde und der angebliche Vertrag aus dem Jahr 1988 und damit der Grund für die Entschädigung vordatiert worden war und erst gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der Entschädigung von der Sekretärin des Amtes getippt worden war.

 

Tatsächlich ist es ganz schwierig, zwischen Wirklichkeit und Film einen Vergleich zu ziehen, weil der Sachverhalt wirklichkeitsgemäß dargestellt wird und nur die handelnden Personen selbst eine eigene Vita erhalten. Wir auf jeden Fall wissen nichts über eine Liebschaft des OB mit seiner Rechtsdezernentin, hier Friederike Möll genannt und deren anschließende Liebschaft mit einem sich aufklärerisch gebenden Journalisten Tondorf, der sie dann öffentlich in die Pfanne haut und sich am finanziellen Kuchen, der gemeinsam von Politik, Bordellmilieu und Presse gebacken wurde, beteiligt, in dem er seine Recherchen zu den faulen Geschäften zurückhält und dafür zum Amtsträger aufsteigt. Tondorf wird Pressesprecher der Stadt. Man hält nach diesem Film, der in so vielem der Wahrheit entspricht, schließlich alles für möglich.

 

 

In der anschließenden Diskussion gelang es Andrej Bockelmann zügig und gezielt die anwesenden Filmschaffenden einzeln zu befragen und sie gleichzeitig nun miteinander ins Gespräch zu bringen. Natürlich wollte das Publikum ausführlich den Hauptdarsteller hören und Mario Adorf zeigte so richtig, was er draufhat. Zuerst freute er sich über das Wiedersehen mit dem Film von 1993/94, den er erstaunlich modern – wir auch – fand und überhaupt beachtlich. Es stimmt, daß gute Filme zeitlos sind, in dem Sinne eben nicht veralten. Später fügte Adorf noch hinzu, was er im Besonderen beachtlich findet. Es gibt im Film keinen Helden, keine Person, mit der der Zuschauer sich identifizieren möchte. Noch schlimmer: diejenige Person, auf die sich sehr lange die Sympathien richten, auf den aufmüpfigen und investigativen Journalisten, der kommt dann am Schluß als der Krisengewinnler daher, indem er nach dem Skandal sich als derjenige entpuppt, der dem Skandal die Spitze nimmt, die Beweise für die Schweinereien zurückhält und dafür den Posten des gut besoldeten Pressesprechers der Stadt einnimmt. Schon gemein, wenn dem Zuschauer gar kein Sympathling mehr bleibt, vielleicht aber gerade dadurch realistisch.

 

Andrej Bockelmann hatte bei den Zuhörern auch das damalige Gesamtpersonalratsmitglied der Stadt Frankfurt Heiner Halberstadt erspäht und bat ihn um einen Kommentar. Der erwiderte, daß es damals beim U-Bahnbau der Stadt Frankfurt nicht koscher zugegangen sei. Er fände die Darstellung nicht weit von der Wirklichkeit entfernt. Nicht umsonst war Alexander Gauland, heute als strittiger AfD-Vorsitzender bekannt, damals zuerst im Magistrat der Stadt Frankfurt und dann vier Jahre Leiter der Hessischen Staatskanzlei für Wallmann.

 

Was dann auch von Besucherseite goutiert wurde, waren die Ironie und der Witz, die die Darstellung dieser politischen Schweinereien begleitete. Sie machen die Vorgang nicht lächerlich, sondern geben dem Ganzen die Würze und Leichtigkeit, ohne die das Schwere kaum zu ertragen wäre.

 

 

P.S.: Nur mal am Rande ist dann doch erwähnenswert, daß mit Andrej Bockelmann ein Sohn eines Frankfurter Oberbürgermeisters, nämlich von Werner Bockelmann, 1957 bis 1964 als sozialdemokratischer OB tätig, heute moderiert. Den hatten wir zu fragen vergessen, ob er denn in der Amtszeit seines Vaters ähnlich Vorgänge, nämlich Bestechung und Kumpanei registriert hatte. Wir vermuten: nein. Oder?

 

Eine andere Sache, die wir nur am Rande mitbekamen, gilt dem Kinokulturpreis, der im Rahmen des Hessischen Filmpreises jährlich vergeben wird, und der durch die finanzielle Ausstattung für hessische Kinos enorm wichtig ist. Wieso nach den erfolgreichen Jahren 2009 bis 11 - 2012 verschwanden die eingereichten Unterlagen - dann zum letzten Mal 2013 der Preis an das naxos.Kino ging, aber 2014 und 2015 trotz des gleich guten Kinoangebots kein Preis folgte, wollen wir bei der Jury des Preises nachfragen. Fortsetzung folgt also.