Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 10. Dezember 2015, Teil 3

 

Corinne Elsesser

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der chilenische Regisseur Patricio Guzmán spürt nach seinem 2010 in den Trockenzonen des nördlichen Chile entstandenen Dokumentarfilm „Nostalgia de la Luz“ nun mit „El Botón de Nácar“ der Geschichte des Südens seines Landes nach.

 

Nirgendwo sind die kosmischen Bezüge stärker nachvollziehbar als im einstigen Feuerland, dem heutigen Patagonien, das eigentlich ein Archipel aus tausenden kleiner Inseln ist. Erloschene Vulkane gemahnen an den Feuerball im Innern der Erde während die Landschaft vorwiegend aus Gletschern und ewigem Eis besteht. Die Mythen der Feuerlandindianer beschreiben die Entstehung des Lebens aus dem Wasser. Heute leben vielleicht noch zwanzig Personen von den einst fünf großen Stämmen. Das Meer war ihr Territorium und mithin die Sterne, die ihnen Orientierung gaben. Gabriela Paterito ist ungefähr 70 Jahre alt. Sie spricht noch die Sprache ihres Stammes Kawésqar. Vielleicht ist sie die letzte, die sie noch kennt. Wie nah diese Sprache den Klängen des Wassers ist, weist der Ethnologe und Musikwissenschaftler Claudio Mercado in seinen Forschungen nach.

 

Heute verbieten die Behörden den Indianern, mit ihren kleinen Booten aus Bambus und Holz über das Meer zu fahren. Und überhaupt scheinen die Chilenen den Bezug zum Meer weitgehend verloren zu haben. Das verwundert, zieht sich doch das Land als schmaler Streifen über 4 300 km entlang der Westküste des südamerikanischen Kontinents.

 

Von Verschwinden der Feuerlandindianer, die von den Siedlern im 19. Jahrhundert nahezu ausgerottet wurden, spannt der Regisseur einen Bogen zu einem weiteren Verschwinden von Menschen in unserer Epoche. Während der Diktatur Augusto Pinochets kamen in den 1970er Jahren viele politische Gefangene nie mehr zurück. Der Schlüssel liegt im Meer. Auf der Suche nach der Identität einer am Ufer angespülten Leiche einer Frau fand man am Meeresgrund einen kleinen Perlmuttknopf eingebettet zwischen Ablagerungen an einem schweren Stück Eisen. Nichts außer diesem Knopf deutete darauf hin, dass hier einmal ein Mensch gewesen sein muss.

 

Der Knopf gab dem Film seinen Namen. Guzmán erzählt in poetischen Bildern (Kamera: Katell Djian) vom Verschwinden in der Geschichte seines Landes. Er macht nicht Halt vor den Abgründen und wirft Fragen auf, die möglicherweise ihre Antwort im Wasser, im Meer finden könnten. „Manche Leute behaupten,“ heißt es am Ende des Films, „das Wasser habe ein Gedächtnis. Dieser Film zeigt, dass es auch eine Stimme hat.“

 

Für sein Drehbuch erhielt der Regisseur auf der diesjährigen Berlinale den Silbernen Bären.

 

 

Bisherige Besprechungen des Films in Weltexpresso

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4208:el-boton-de-nacar&catid=79:kino&Itemid=471

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4231:von-wasservoelkern&catid=79:kino&Itemid=471

 

Info:

Der Perlmuttknopf (El Botón de Nácar)

Regie:Patricio Guzmán

Kamera: Katell Djian

Frankreich,Chile,Spanien 2015

82 min.