Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Januar 2016, Teil 6
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ist eine alte Geschichte, dichtet Heinrich Heine über das Entstehen und Vergehen von Liebe. Aber viele wären ja schon froh, wenn sie wenigstens entstünde. Eheanbahnungsrituale, ja sogar Institutionen gibt es dafür traditionell und vor der heute angesagten Liebesheirat stand die arrangierte Ehe, bzw. ist mit dieser noch heute konkurrent. Regisseurin Lia Japsers hat nun ganz Neues dazu beizutragen.
Nein, es geht eben nicht um Internetportale, die aus dem Boden geschossen sind, und vor allem bei älteren Semestern sich großer Beliebtheit erfreuen. Es geht um überhaupt nichts Virtuelles, auch keine menschliche Stimmen in den Rechnersystemen. Es geht noch immer um das wirkliche Kennenlernen von zwei Menschen, von Mann und Frau, das aber nicht zufällig stattfinden soll, sondern hier im Dokumentarfilm von Lia Jaspers an drei Protagonisten vorgestellt wird, die über drei unterschiedliche Möglichkeiten an ihre Partner kommen wollen: Johanna fährt nach Irland zum Matchmaking Festival, wo ein Art Heiratsvermittler tätig ist, Sarah zum Yoga-Festival nach Italien, wo deren Leiter durch Vibrationen spüren, welcher Mann zu ihr paßt und ihr diesen, nämlich Jonas aus Litauen verpassen und dann ist da noch der Finne Sampsa, übrigens auch der Name eines finnischen Mythos, der in der heimatlichen LOVERS' MATCHMAKING AGENCY die Richtige finden will.
Lia Japsers begleitet nun diese drei in einer so liebevollen wie durch das Dabeisein auch kritischen Reportage, wobei die Drei nicht hintereinander 'abgehandelt' werden, sondern wir quer durch Europa die verschiedenen Phasen der Liebesleute mitverfolgen, die so nebenbei auch klar machen, daß jede Beziehung ihre eigene Geschichte hat. Weshalb man also doch mit dem jeweiligen Anfang beginnen muß. Der Film tut es mit Johanna aus München. Die war ein Jahr in Indien und baute fest darauf, daß ihre Liebesbeziehung das aushält. Tat sie aber nicht, denn der Mann bandelte mit ihrer Freundin an und sieht darin seine Zukunft. Das tut weh. Und da kann man noch so selbständig sein und darüberstehen wollen, das zieht einem den Boden unter den Füßen weg.
Johanna hört von dieser Verkuppelungsgeschichte aus Irland. Nichts wie hin. Eigentlich könnte man nämlich diese Art der persönlichen Anbahnungsveranstaltungen in der alten Begrifflichkeit der Kuppelei ausdrücken, die ja nicht mehr strafbar ist. Was tut dieser Ältere Blonde aus dem irischen Lisdoonvarna beim MATCHMAKING FESTIVAL anderes, der in der Art eines Heiratsvermittlers die einzelnen Männer und Frauen, die den Partner suchen, berät – und schnell bei der Hand ist, wenn es mit dem einen nicht hinhaut. Der nächste steht schon bereit und das Ganze soll ja auch ein Fest sein, mit Alkohol und dem Besonderen, so weit weg zu sein in einer einsamen Gegend, wo schon deshalb sich die Tradition von Heiratsmärkten gebildet hatte, die nun dieser Geschäftstüchtige in der dritten Generation ausnutzt. Denn für viele bleibt das wohl nur „eine Liebe“ für ein Festival. Johanna auf jeden Fall, die man als zwar traurige und getroffene, aber auch offene und kritische Frau kennenlernt, fand hier nichts und niemanden, aber wir erleben sie später im Film wieder.
Längst hat der erst einmal sehr kantig wirkende Finne uns sein Leid geklagt. Er ist nach zehn Ehejahren alleine, was ihm mißfällt, weshalb er, der als Radiologieassistent aus Helsinki nüchtern durchs Leben geht, die Hilfe dieser zwei Theaterleute in Anspruch nimmt, die das wohl bunteste Matchingverfahren anwenden. Da wird in verschiedenen Arten von „Dates“ ein spielerisches Element hinzugefügt, wo man den Eindruck hat, daß derjenige, der da mitmacht, zwar auch er selber ist, aber gleichzeitig sich auch von außen beobachten kann, bei den Flirtversuchen oder ernsthaften Gesprächen über die eigenen Zukunftsvorstellungen und ihr Zurechtkommen in von den Spielleitern arrangierten Zusammenstellung von Paaren. Sampsa ist nicht so leicht an die Frau zu bringen, aber da keimt Hoffnung.
Immerhin sind es eineinhalb Jahre, in denen die Filmemacherin ihre Schützlinge begleitet. Und soviel Zeit braucht es auch, um aus der mit 27 Jahren nun doch an eine Familiengründung denkenden österreichischen Sarah über das italienische Cabella und sein Yoga-Festival zur Ehefrau des litauischen Jonas zu machen, wo die Risse in der Beziehung der beiden dann den Schluß des Films bilden, wo man gleich an Szenen einer Ehe denkt und die nächste Scheidung vor sich sieht. Dabei muß es dazu gar nicht kommen, vielleicht sind die Widerhaken, die von Jonas als Sarkasmus seiner frisch Angetrauten verstanden werden, einfach nur Ausdruck dessen, daß in Sarah ein lebendiges Gefühl von sich selber Platz greift. Zuvor hat sie nämlich von Anfang an, als wir sie vor ihrer Reise nach Italien über sich erzählen hören, sich selbst als menschliches Planerfüllungsexemplar gezeigt, alle ihre Partnersuchversuche hatten etwas Gewolltes und dieser Jonas spielt für sie eine Lichtfigur, wo man auch einfach einen etwas sehr eingeschränkten und besserwisserischen Kleintyrannen erkennen könnte. Die beiden haben auf jeden Fall vor sich, aus einem Konstrukt von Leben in das eigentliche zu kommen.
Ach so, Johanna, ja, die ist auf Tobi gestoßen. Zuerst Paris, dann wollte sie nach Zürich, nein zusammenleben doch lieber nicht, aber Liebe schon. Und eine Stunde Fahrzeit, das ginge doch. Dann kommt es anders. Aber nur, was die Fahrzeit angeht. Er bleibt in der Schweiz und sie geht nach Berlin. Warten wir's ab.