Lida Bach
„Wir wissen nicht, was ihn beschäftigt.“, sagt ein Familienmitglied über den alten Xelilo (Abdul Selam Kilig): „Aber es beschäftigt uns schon unser ganzes Leben.“ Was das für ein Gefühl ist, das die Familie des verwirrten Greisen noch mehr plagt als ihn, lässt Shiar Abis Kinderdrama auf dramatischer Ebene nachfühlen. Etwas in dem bemühten Quartett aus Jugendfilm, Familiensaga, Geschichtslektion und Gemeindeporträt gebärdet sich, als sei es ungeheuer wichtig. Ein düsteres Geheimnis oder ein schreckliches Trauma, eine verschwiegene Familienangelegenheit oder eine öffentliche Tragödie, in jedem Fall aber etwas von hoher Brisanz scheint das dramaturgische Ziel von„Mes“. Eine Ankunft dort gibt es nicht, weder für die Handlung, noch die Charaktere.
Das letzte sich ideal in erste fügen zeugt weniger von inszenatorischer Kongruenz als von der zähen Verworrenheit, die das unsortierte Geflecht von Nebenhandlungen und Episoden zu einem lapidaren Zeitbild ohne emotionale oder künstlerischer Resonanz herabstuft. Die Hauptfigur des trotz seiner Laufzeit von nur 88 Minuten erschöpfenden Marathons von Momentaufnahmen ist im Grunde nicht Xelilo, sondern der junge Cengo (Abdullah Ado). Durch dessen kindliche Perspektive filtert die holprige Inszenierung den Publikumsblick auf den greisen Dorfnarren, dessen sinnloser Lauf durch die immer gleichen Straßen und absurde Hektik ihre Entsprechung im Plot finden. Soziale Zwänge in der rückständigen Gemeinde im ländlichen Kurdistan und Armut unter der Dorfbevölkerung, deren Kinder den arbeitslosen Erwachsenen das Geldverdienen abzunehmen versuchen, werden zu Präliminarien für pauschale Konflikte, deren Hohlheit Anteilnahme nahezu unmöglich macht.
So willkürlich, wie er sie aufhebt, lässt Abdi die Vielzahl einzelner Handlungsstränge wieder fallen, ohne das sich einer von ihnen als roter Faden hervorhebt. Der zwischen Rührseligkeit und Prätention schwankende erzählerische Modus degradiert die grob gezeichneten Figuren zu Statisten, deren vorrangige Aufgabe scheint, den kargen Dorfkulissen der östlichen Türkei eine pittoreske Melancholie zu verleihen. Das politische Moment, das der gleich Xelilo auf der Stelle tretenden Geschichte ein wenig Triebkraft verleiht, überrollt zugleich die Handlung und die Charaktere. Für deren unpersönliche Dramen konstruiert der Nachtrag ein Ende, das die aufgesetzte Tragik unterstreicht: Jahre später geht Cengo in die Berge und nimmt den Platz seines im Widerstandskampf gegen die türkische Armee gefallenen Bruders ein. „Und läuft und läuft...“
Oneline: Zielloses Drama, dessen Charakterisierung und Handlung auf der Stelle treten.