Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. Januar 2016, Teil 3
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Tatsächlich haben wir auf das Anlaufen dieses Film schon lange gewartet. Wir waren nämlich dabei, als in der Frankfurter Alten Oper der Georg-Solti-Wettbewerb 2008 ausgetragen wurde, der inzwischen weltweit renommierte Dirigierwettbewerb, der zu den härtesten Konkurrenzen im Musikgeschäft zählt.
Also rundherum: Uns hat der Film sehr gut gefallen, vielleicht deshalb, weil er auf die musikalischen Finessen gar nicht mal besonders eingeht, eigentlich sicher sogar zu wenig, für die, die überhaupt nicht verstehen können, wie ein Mensch sein ganzes Leben einem einzigen Ziel widmet, was voraussetzt, daß er früh und von früh bis spät sich auf diese Besonderheit einläßt: hier das Dirigieren. Was nämlich bei einem Instrumentalisten noch relativ verständlich ist, daß dieser mit seinem Instrument aufwächst, mit ihm lebt und ins Bett geht, das gestaltet sich bei einem Dirigenten schwieriger. Was treibt ihn denn an, mit oder ohne Stöckchen im Orchestergraben Musiktreibende in eine gemeinsame Gangart, in einen gemeinsamen Rausch zu verstricken, wozu man doch auch Manipulieren sagen kann.
Das Herrschen also, Herrschen über andere und der Musik die gewünschte Richtung, die gewünschte Interpretation geben, das ist mit Sicherheit eines, ja das entscheidende Kriterium dieser Berufswahl. Damit wagen wir uns jetzt in die psychoanalytische Deutung, warum einer Musik, warum einer Musik an welcher Stelle machen will. Vielleicht kann das auch erklären, warum der Beruf der Dirigenten derjenige ist, in dem statistisch die Berufstätigen am allerältesten werden. Wirklich. Und der Umgang mit Spannung und Entspannung wird dabei als Begründung geliefert, weil sich dies unmittelbar in den Knochen wiedergebe. Aber auch darum geht es in diesem Film überhaupt nicht.
Dieser Film ist ein einfach ein rundherum gelungenes Beispiel für das Streben der einzelnen und das Durcheinander im Musikbetrieb, wenn sich diese einzelnen auf den Weg machen, sich mit den Konkurrenten zu messen. Der Film lebt durch die Porträts dieser fünf, die aus dem Dirigierwettbewerb von 2008 beispielhaft von den 24 Teilnehmern herausgegriffen sind und deren Ankommen in Frankfurt und Weiterkommen oder Scheitern wir mitverfolgen. Dabei kann man so nebenbei auch erleben, wie junge Leute heute ein anderes Miteinander pflegen als es früher der Fall war, also im Alltag freundlich, spöttisch, zugewandt sich begegnen und dann auf der Bühne nur noch zählt, wie sie mit dem Orchester zurecht kommen. Denn das ist das eigentlich 'Kampffeld'.
Das macht das Spannende an diesem Film aus, zu erleben, wie diese jungen Konkurrenten mit den jeweiligen Orchestern Kontakt aufnehmen, wie sich dieser gestaltet und wenn man dann dieselben Nachwuchsdirigenten mit anderen Orchestern erlebt, ist das genauso interessant zu verfolgen, wie wenn ein und dasselbe Orchester unterschiedlich auf die jeweiligen Dirigenten reagiert, dies zu beobachten, wie die musikalische – und auch die mitmenschliche – Arbeit vor sich geht, ist hochspannend. Wirklich.
Wir wissen nicht, wie Regisseur Götz Schauder auf seine Auswahl von fünf Nachwuchsdirigenten kam: drei Männer und zwei Frauen. Wir wissen nur, daß er da durchaus Glück dabei hatte. Denn mit dem ersten, der gewissermaßen die Hauptrolle spielt, Aziz Shokhakimov, 1988 geboren, hat er ein Naturtalent vor der Kamera. Der läßt uns stärker als andere teilhaben an seinen Überlegungen und Strategien des Weiterkommens und seines Lebens. Schließlich ist er in Usbekistan schon ein richtiger Star. Er war damals Chefdirigent des Nationalen Symphonieorchesters Usbekistan. Das galt für 2008 und der Witz der Geschichte liegt auch darin, daß wir seine Blütenträume vom großen Maestro im Film erst einmal zerstäuben sehen, denn die Jury und die Orchester, die er dirigiert, sehen das erst einmal anders und lassen ihn durchfallen, sprich: er schafft das Weiterkommen in die nächste Runde nicht. Das ist im Film so ein bißchen der klassische Fall: Hoch hinaus, es geht übel aus.
Im Leben ist es aber für Aziz Shokhakimov ganz anders gelaufen und vielleicht hat dieser Wettbewerb sogar 'schuld' daran. Denn er ist eine Stufe zurückgegangen, ist noch mal gestartet, hat Preise gewonnen und zählt heute: im Jahr 2016 zu den gefragtesten Nachwuchsstars, mit vielen Aufführungen in Deutschland, wo er hochgelobt wird.
Aber auch die anderen vier Protagonisten beschäftigen uns. Das sind die New Yorkerin Alondra de la Parra, der pfiffige Engländer James Lowe, die Japanerin Sizuo Z Kuwahara und der Deutsche Andreas Hotz, der am stärksten mit den Orchestern auch verbal diskutiert, wohin die Reise gehen soll.
Der Film, der den Georg Solti Wettbewerb 2008 im Visier hat, hat auch einen Ausspruch Georg Soltis dem Geschehen auf der Leinwand zur Seite gestellt: „Letztlich bleibt es ein Geheimnis, warum der eine dirigieren kann und der andere nicht.“ So ist es. Aber so ist es oft im Leben, daß wir uns nicht erklären können, weshalb etwas läuft oder nicht läuft. Der Mensch bleibt ein Rätsel und gleichzeitig das Maß aller Dinge.
P.S. Warum Georg Solti Preis und warum in Frankfurt? Sagt der Film etwas dazu? Daran können wir uns jetzt gar nicht erinnern, aber wissen, daß Georg Solti aus Ungarn, bevor er der weltbekannte Dirigent wurde, in der Frankfurter Oper sein Zuhause hatte, als Operndirektor ab 1952, dort die schönsten Opern dirigierte und von dort aus seine Weltkarriere startete.
Info:
Wir hatten anläßlich der Aufführung des Films bei dem 8. Lichter Filmfest in Frankfurt schon einmal ausführlich den Film rezensiert:
http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4525:conduct-jede-bewegung-zaehlt&catid=79:kino&Itemid=471